Geschichten:Sonnendämmerung - Martoks Erben Teil II.

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Hof des Barons zu Dürsten-Darrenfurt, Schloss Darrenfurt, Hesinde 1042 BF:

Die Anspannung, der Frust stand ihr fast wortwörtlich auf der Stirn. Tiefe Zornesfalten gruben sich in ihre junge Haut. Am liebsten wäre sie aus der Haut gefahren, explodiert, hätte ihre Meinung kund getan – aber sie konnte, durfte nicht. So musste sie den beißenden Spott der Baronin über sich ergehen lassen. Jedes Mal hasste sie diese Frau ein bisschen mehr.

Seit vier Monden diente sie nun schon der frisch angetrauten Baronin als Zofe. Eine bissige und altkluge Raulsche aus der Ferne, der sie es nicht recht machen konnte und die sich nicht über die Befindlichkeiten andere scherte. Nebachoten gab es in der Lebenswelt der Baronin nicht, nur Raulsche. Wo sie her kam mochte dies stimmen. Aber Perricum war anders.

So musste sie die Launen der Baronin ertragen. Dabei hätten sie sich eigentlich gut verstehen können. Beide mussten aus familienpolitischen Gründen ihr Zuhause verlassen und in einem vollkommen neuen Umfeld klar kommen. Beide wurden mit für sie Fremde verheiratet. Wobei, in ihrem Fall stimme es nicht nicht ganz. Sie kannte Brin schon als sie noch in Herdentor lebte. Doch es änderte sich nichts, die Frauen hassten sich.

Sie hasste auch ihr Dasein als Zofe. Eloquent daher reden, repräsentabel aussehen, die höfische Etikette wahren und die Launen der Baronin ertragen – mehr erwartete der Hof von ihr nicht. Das war so wider ihrer Natur. Sie war eine wilde Draufgängerin, die sich auf dem Rücken eines Pferdes viel wohler fühlte als auf dem höfischen Parkett. Doch der Baronin gelüstete es nicht nach Ausritten.

Wehmütig sah sie frühmorgendlich den Baron und seine beiden Hausritter Ramin und Hamedan zum allmorgendlichen Ausritt aufbrechen und später mit Dreck und Staub besudelt zurückkehren. Das wollte sie auch. Die eitlen Altaranier Ramin und Hamedan lachten sie dafür aus. Aranisches Pack! Sie glaubten tatsächlich sie wären etwas besseres. Je mehr sie die beiden Männer hasste, desto größer stieg auch der Neid ihnen gegenüber. Sie führten ein Leben das sie anstrebte. Doch war ihr als Nebachotin das überhaupt möglich? Ja, denn eine neue Zeit war angebrochen. Alte Traditionen galten nicht mehr. Auch als nebachotische Frau konnte sie nun selbstbestimmt ihren Weg gehen – wenn da nicht die Fängen ihrer adligen Herkunft wären. Doch Baha hatte es ihr vorgemacht, sie diente dem Baron als Knappin und verkörperte für sie das neue Idealbild einer Nebachotin: selbstbewusst, wehrhaft, kampfbereit. Sie himmelte Baha nahezu an, wollte unbedingt so sein wie sie. Und da waren noch mehr, die aus den tristen alten Dasein hervortraten.

Auch die Kaiserin war in ihren Augen so eine starke Frau, auch wenn sie keine Nebachotin war, herrschte sie doch über ein ganzes Reich. Als sie hörte, die Kaiserin würde nach Morganabad kommen um mit dem aranischen Maharan ein Grenzabkommen zu schließen, wollte sie unbedingt dort hin und die Kaiserin leibhaftig sehen. Doch sie durfte nicht. Das war ihr aber egal, so büchste sie aus und ritt im Galopp in die nebachotische Grenzstadt. Es war ein atemberaubendes Gefühl für sie. Außerhalb der Stadt lagerten in zwei Zeltstädten die Gefolge von Kaiserin und Maharan.

Flüchtig hatte sie einen Blick auf die Kaiserin werfen können und wirkte etwas enttäuscht; sie hatte sie sich größer vorgestellt, als sie da stand, umringt von altaranischen Speichelleckern, die die Kaiserin für die erzielte 'Einigung von Morganabad' feierten. Der Moment der Freiheit sollte schnell vorüber gehen, fingen die altaranischen Böcke sie doch wieder ein und brachten sie an den Hof zurück. Dieses altaranische Pack breitete sich hier in Dürsten-Darrenfurt immer mehr aus und hatte schon weit mehr Macht und Einfluss als die hiesigen Nebachoten und Baburen, da diese auch immer wieder untereinander oder mit den Raulschen stritten. Einzige Ausnahme war Voltan von Altmark, der ein wichtiger Berater des Barons war.

So saß sie in ihrer Kammer und begutachtete den mit sehr detailverliebten Pferdesymbolen verzierten Ring. Ein Geschenk ihres Gemahls Brin, wie es von Seiten der Baronin hieß. Für solcherlei Schmuck war sie eigentlich nicht zu haben, aber dieser gefiel ihr. Brin zuliebe würde sie ihn tragen, denn dem jungen Ochsen war sie durchaus zugetan. Er war ähnlich wild und ungestüm wie sie, nur eben auf seine Weise.

Nachdenklich rieb sie sich ihren Bauch. In ihr wuchs Tsas Segen heran. Sie hoffte inständig, dass sie nach der Geburt mit ihrem Kind diesen Niederhöllen hier den Rücken kehren würde.