Geschichten:Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen – Honigkringel

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Burg Scharfenstein, 30. Ingerimm 1043

„Ich habe nicht gewusst, dass Ihr kommt“, eröffnete Nurinai ihren Eltern, nachdem diese im Jagdzimmer Platz genommen hatten. Zuvor hatten sie ihre Zimmer bezogen, sich ein wenig frisch gemacht und ihre staubigen Kleider gegen saubere getauscht. Nurinai wandte sich an Yolande: „Hast Du das etwa... gewusst?“

Die Angesprochene lächelte vielsagend und wollte gerade zu einer Antwort anheben, da zog die Schale mit Gebäck, die genau in diesem Augenblick auf den Tisch platziert wurde, Nurinais Blick auf sich. Erfreut entfuhr es ihr: „Koscher Honigkringel!“

„Deine Mutter war sich nicht sicher, ob Du die noch...“, begann ihr Vater da zu erklären und wurde sogleich von seiner Tochter unterbrochen.

„Bitte!“, die Geweihte verdrehte die Augen, stopfte sich eilig einen der Kringel in den Mund und fügte an: „Bin ich nu eure Tocher oder bin ich‘s nich?“

Darian grinste. Rianod lächelte. Nurinai nahm sich erneut einen Kringel und schob ihn unter dem wachsamen Blick ihrer Eltern mit den Worten „Pobier ma“ in den Mund der Vögtin. Diese nickte, um zu bekunden, dass er auch ihr mundete. „Sehr delikat“, fügte sie schlussendlich hinzu.

Eifrig nickte Nurinai und erklärte: „Echte Nurinai-Kringel. Das schmecke ich ganz deutlich.“

Yolande schaute fragend in die Runde.

„Jedes unserer Mädchen hatte seine eigenen“, erklärte Rianod, „So gab es keinen Streit.“

„Sie haben sich stattdessen um andere Dinge gestritten...“, merkte der Ritter trocken an.

„Ach“, winkte die Vögtin da freundlich lächelnd ab, „Das haben sie nicht verlernt...“

„Was soll das denn heißen?“, wollte nun die Geweihte von Yolande wissen. Diese ließ sich jedoch auf keinerlei Diskussion ein, obgleich ihre Liebste sie mit einem bösen Blick der besonderen Art strafte und erklärte stattdessen: „Hochgeboren wird erst gegen Abend zurückerwartet.“

„Er besorgt noch ein kleines Verlobungsgeschenk für die weiße Lilie“, fügte Nurinai nickend hinzu und dämpfte ein wenig ihre Stimme: „Er wollte es selbst abholen um sich zu vergewissern, dass es genau das ist, was er auch in Auftrag gegeben hat.“

„Dann meint Hochgeboren es wohl wirklich ernst“, kommentierte Darian von Trottweiher unter einem gerade panischen Blick seiner Gattin, „Wenn er eigens für sie etwas in Auftrag gegeben hat.“

„In der Tat, Hochgeboren, ihm ist es wirklich ernst. Er hat sogar bereits damit begonnen einen Ehevertrag aufsetzen zu lassen...“, belegte die Vögtin die Ernsthaftigkeit des Vorhabens die Reichsritterin zu Praiosborn zu ehelichen.

„Einen... Vertrag?“, wollte die Geweihte da irritiert wissen, „Warum denn das?“

„Nun, Narzisschen, das ist gerade bei Hochadeligen durchaus üblich“, erklärte Yolande von Raukenfels mit ruhiger Stimme, „In solch einem Vertrag werden allerlei rechtliche Dinge geregelt, wie zum Beispiel die Erbfolge.“

Narzisschen?“, fragte der Trottweiher ein wenig verwundert, ob der vertrauten Ansprache.

„Aber... aber...“, warf Nurinai ein, „Hattest Du denn einen Vertrag?“

„Bei mir ging es doch auch um nichts“, erwiderte die Vögtin schulterzuckend, „Kein Gut. Kein Erbe. Kein Vertrag. So einfach ist das.“

Das schien die Boroni zwar zufriedenzustellen, warf aber bei deren Vater weitere Fragen auf. „Und was“, hob der Ritter da an, „Und was sagt Euer Gatte zu...“ Er wusste nicht so recht was er sagen sollte, was höchst selten vorkam. „... zu all dem hier.“

„Ich sah keine Veranlassung meinen werten Gatten davon in Kenntnis zu setzten“, erwiderte Yolande kühl und nahm einen Schluck Tee, „Er ist vor geraumer Zeit an den kaiserlichen Hof nach Barbenwehr gegangen und hat mich betreffend seiner Entscheidung lediglich in Kenntnis gesetzt. Seitdem haben meine Söhne und ich ihn kaum ein Dutzend Mal gesehen.“

Rianod schüttelte verständnislos ihren Kopf, während ihr Gatte sich nur grinsend auf die Unterlippe biss und meinte: „Es scheint mir, als hättet Ihr hier Euer Glück gefunden, Hochgeboren.“

Da lächelte Yolande: „In der Tat, das habe ich.“ Und mit diesen Worten ergriff sie die Hand Nurinais und blickte ihr in die blauen Augen. „Oder vielmehr hat das Glück mich gefunden.“

Einen Moment hielten alle den Atem an.

Dann wandte sich Nurinai ihren Eltern zu: „Ja, ganz recht. Sie ist mein Honigkringelchen.“