Geschichten:Schmuggel in Greifenfurt - Hochzeit im Finsterkamm

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Dramatis Personae:

Hochzeit im Finsterkamm

Burg Keilholtz, Anfang Rondra 1034 BF

Praiofan konnte nicht anders. Er war entsetzt. Nichts in seiner Ausbildung hatte ihn auf das hier vorbereitet. Natürlich waren ihm die wissenden, teils mitleidigen, teils hämischen, Blicke seiner Brüder und Schwestern aufgefallen, als der Prior ihn nach Nebelstein entsandt hatte. Aber er hatte all das, beseelt von der Vorfreude über die erste wichtige klerikale Handlung die er selbstverantwortlich im Namen des Herren Praios ausüben sollte, abgetan.

Zuerst hatte er sich auch über das Maultier geärgert, dass man ihm als Reittier mitgegeben hatte. Es schien ihm wenig würdevoll und seinem neuen Amt nicht angemessen. Doch als die Straße gen Yrramis sich hinter Schwarzberg in einen wenig befestigten Feldweg wandelte und nach Orkenwacht vollends in die Berge einbog, lernte er die Trittsicherheit des Tieres schnell zu schätzen. Mehr als einmal hatte Praiofan sich an steilen Stellen mit geschlossenen Augen am Sattel festgekrallt und sich mit einem verzweifelten Gebet auf den Lippen den Instinkten des Maultiers überlassen.

Am Schlimmsten aber war der Pass hinauf in das Hochtal gewesen. Ein Weg war nirgendwo mehr zu erkennen gewesen und nur die regelmäßigen Markierungen an Felsen oder umgestürzten Bäumen hatten ihm die Richtung gewiesen. Zudem war der Wind in den Höhenlagen empfindlich aufgefrischt. Nachts hatte er gefroren wie ein Greifenfurter Bettler im tiefsten Firun. In einer Senke, die wohl nie Praios’ Licht sah, musste er sich seinen Weg gar über Altschnee bahnen. Und das im Rondramond! Erleichtert hatte er auf dem Grat den Anblick des grünen Tals zu seinen Füßen genossen.

Der steile Anstieg zur Trutzburg der Junker von Keilholtz war nach dieser Reise keine sonderliche Herausforderung mehr gewesen. Der Büttel am Tor ließ ihn auch sofort ein und schickte einen Jungen nach dem Patriarchen Bogumil. Der rüstige Mittsechziger hatte ihn denn auch freundlich, wenn auch mit einem kritischen Blick, begrüßt und ein Gästezimmer angewiesen.

Noch am Abend hatte er auf dem kleinen Boronanger den Grabsegen über ein etwa zwei Wochen altes Grab gesprochen. Man hatte ihm erklärt, dass man mit der Beerdigung nicht länger hatte warten können, da die Geier bereits im Dutzend auf den Zinnen gesessen hatten. Die Geschichte um den feigen Mord in Tannwirk, wohin man den im Auftrag des Meisters der Mark reisenden Ritter Quanion vor seinem Tode verschleppt hatte, erschütterte ihn zutiefst. Später war er zum Leichenschmaus eingeladen gewesen. Es gab großes Geflügel, was Praiofan sehr verwunderte, denn er hatte weder auf den ärmlichen Höfen noch auf der Burg Gänse gesehen. Auf seine Nachfrage hin erklärte man, dass es sich dabei um eben jene bereits erwähnten Geier handelte. Der junge Geweihte versuchte sein Unwohlsein zu überspielen, indem er die kommende Hochzeit zur Sprache brachte. Am Tisch saßen neben dem alten Patriarchen und der jungen Witwe in Boron gefälligem Schwarz nur zwei dicke, gefräßige Ritter und ihre nicht minder beleibten, geschmacklos aufgetackelten Frauen. Auf die unschuldige Frage wo denn das glückliche Paar wäre, dass am nächsten Tag den Bund eingehen sollte herrschte einen Moment betretene Stille, bis der alte Bogumil ihn unwirsch darüber aufklärte, dass er selbst derjenige sein würde, der seine gerade verwitwete Großnichte Edala zu ehelichen gedachte.

Bruder Praiofan hatte sich früh auf sein Zimmer zurückgezogen um sich gewissenhaft auf die Zeremonie vorzubereiten. Verzweifelt blätterte er durch das Brevier der Zwölfgöttlichen Unterweisung um eine Hilfestellung zu finden. Er war sich sicher, dass auch sein Prior in Greifenfurt einen derartigen Fall noch nicht behandelt hatte. In der Nacht nagte das Heulen der Bergwölfe gehörig an seinen Nerven und mehr als einmal glaubte er in den Ecken seines Zimmers dunkle Schatten huschen zu sehen.

Vollkommen übernächtigt sammelte er die Familie des Junkers am nächsten Morgen in der Kapelle. Auf einem Ehrenplatz lag das horasische Florett, das Praiofan als Geschenk mit den besten Wünschen vom Meister der Mark überbracht hatte. Junker Bogumil trug ein festliches Gewand, dessen Schnitt zu Kaiser Retos Zeiten der letzte Schrei gewesen war. Edala, die junge Braut, trug heute ein weißes Kleid von ähnlich altmodischem Schnitt, dessen starken Geruch nach Mottenkugeln man vergeblich mit einer dicken Schicht Fichtennadelduft zu überdecken versucht hatte.

Der junge Geweihte bemühte sich redlich darum der Zeremonie jene erhabene Feierlichkeit zu geben, die ihn bei Adelshochzeiten in Greifenfurt stets so sehr ergriffen hatte. Mehrmals musste er ob der ungewohnten und penetranten Geruchsmischung die sich in der kleinen Familienkapelle ausbreitete heftig niesen. Der emotionslose Ausdruck auf den Gesichtern der Brautleute, die einander Großvater und Enkeltochter hätten sein können, und der anderen vier Keilholtzer machte es Praiofan zusätzlich schwer und brachte ihn mehrfach aus dem Konzept. Er war mehr als erleichtert, als er nach einer halben Stundenkerze fehlerfrei Praios’ Segen über der Paar sprach und den Bund als rechtmäßig erklärte.

Als sich daraufhin alle erhoben und auf ihn zu warten schienen, musste sich der junge Praiot erklären lassen, dass man die Verbindung traditionell mit der Segnung des Landes abschließen würde und er als Geweihter natürlich Zeuge sein müsste. Verwirrt folgte er der kleinen Prozession auf eine Weide unterhalb der Burg, wo bereits die etwa drei Dutzend Leibeigenen des Junkers warteten und das Paar mit artigen Glückwünschen bedachten. Zu Praiofans Befremden ließen sich Bogumil und Edala dann ohne große Umstände im Kreise ihrer Verwandten, der Schäfer und Jäger und vor seinen Augen auf die Wiese nieder um gemeinsam der Herrin Rahja zu huldigen.

Praiofan schlug beschämt die Augen nieder und wagte erst wieder aufzuschauen, als er von der Seite angestoßen wurde. Alle Blicke ruhten auf ihm. Er lief rot an und sah sich hilflos um bis ihm jemand halblaut zuflüsterte, dass nun erneut der Segen gesprochen werden musste. Doch seine Gedanken schienen wie betäubt und er konnte sich plötzlich nicht mehr an die Worte erinnern. Umständlich holte der junge Geweihte das Brevier hervor, fand nach einigem hektischen Blättern die richtige Seite und las den Segen, vor Verlegenheit stotternd, ab.

Während die Leibeigenen sich wieder verliefen und ihrer Arbeit nachgingen, begleitete die Familie den Geweihten zurück auf die Burg. Edala, nun erste Frau des Hauses, brachte Praiofan ein großzügig bemessenes Paket mit Wegzehrung für den Rückweg. Die beiden Ritter ließen vom Stallburschen ihre Pferde satteln und machten sich ebenfalls für einen Aufbruch bereit, während Bogumil den jungen Praioten zur Seite nahm und ihm einige Briefe sowie ein kleines Säckchen mit Münzen in die Hand drückte.

„Euer Gnaden, es war uns eine Freude und eine Ehre. Seid so freundlich und richtet Seiner Eminenz in Greifenfurt unsere tiefempfundene Dankbarkeit aus, dass er Euch zu uns gesendet hat. Meine beiden Neffen werden euch nach Greifenfurt begleiten, damit Euch unterwegs nichts zustößt. Zudem möchte ich Euch bitten diese Schriftstücke an Euch zu nehmen und in Greifenfurt zu überbringen. Der erste ist für den Markgräflichen Herold, auf dass die neue Verbindung in den Archiven der Mark Eingang findet. Der zweite ist für den Meister der Mark persönlich. Er enthält ein Dankschreiben für seine Mühen und dass er uns an diesem Freudentag bedacht hat, sowie die Abrechnung meines Lehens für den letzten Götterlauf. Der dritte Brief aber ist für Euren Herren, den Illuminatus Praiomon von Dergelstein. Es geht um den Mord an meinem Großneffen, dessen Grab ihr gestern eingesegnet habt. Ich ersuche die Praios-Kirche in dieser Sache um Nachforschungen und um Bestrafung des Schuldigen, dieses Vogtes Alrik von Tannwirk. Ich verlasse mich drauf, dass Ihr dieser Sache nachgehen werdet.“

Noch immer vollkommen verdattert bestieg Praiofan sein Maultier und ritt zwischen den mächtigen Warunkern der beiden kräftigen Ritter zurück in die Zivilisation.