Geschichten:Schimpf und Schande - Teil 19

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Dienstbotengespräche

Burg Oberhartsteen, Anfang Tsa 1033 BF


"Kommt Ihr grade vom Grafen? Ein fahrender Händler aus dem Liebfeldischen wünscht eine Audienz", Retodan von Hartwalden-Hartsteen, der Truchsess auf Burg Oberhartsteen hielt den Schreiber Luidors am Rockzipfel fest.

"In der Tat, ich habe ihm die neueste Korrespondenz abgenommen."

Greifhold von Ennetbrück ließ sich seinen Ärger über das Maß an Ungehobeltheit und Anmaßung nicht anmerken, welches ihm immer wieder an dem jungen Ritter aus Hartwalden auffiel. Alle auf Burg Oberhartsteen wussten, dass Luidor das Relikt aus den Tagen seiner verstorbenen Tante Alwene am liebsten gestern als heute losgeworden wäre, wäre da nicht die Gefahr, den Niederadel der Baronie vollends zu verärgern. Denn seitdem sich Luidor zum Grafen der Nachbargrafschaft aufgeworfen hatte, fühlten sich die Schlunder in Hartsteen vernachlässigt.

"Und? War was spannendes dabei?"

"Wohlgeboren wollen gut informiert sein, wie?" hob der Schreiber des Grafen tadelnd die Augenbraue.

Die Rüge übergehend drang der junge Truchsess weiter auf Greifhold ein. "Und? Was sagt er zu dem aktuellen Thema, über das jeder in Garetien derzeit spricht?"

"Der Graf? Nun, er formulierte ein Protestschreiben an den Kronverweser Cordovan von Rabenmund, dass die Bauarbeiten an der Rabenbrücke sich dermaßen verzögern und somit eine Gefahr für die Handelswege und den Reiseverkehr nach Perricum darstellen."

"Ach nein, das meinte ich nicht. Die Rabenbrücke interessiert doch niemanden!"

"Sie sollte es aber. Immerhin ist sie für die Reisenden aus dem Norden und der Traviamark gen Perricum die einzige Möglichkeit auf die westwärts gelegene Reichsstraße zu gelangen. Von dem schlechten Zustand der Schlunder Straßen und dem Ausfall der Zolleinnahmen einmal ganz zu schweigen", lächelte Greifhold harmlos dem Schlunder zu.

"Nein, nein. Ich meine diese andere Sache, die Geschichte mit der Entlehnung. Findet Ihr nicht auch, dass jetzt wohl der Kopf vom Schroeckh rollen wird, wo der sich so total über seine Kompetenzen hinweg gesetzt hat? Was sagt denn der Graf dazu?"

"Der Graf hat mir gegenüber dieses Thema nicht erörtert und entsprechend keine Korrespondenz angestrengt. Und wenn Ihr meine Meinung hören wollt, ich würde auf die Gerüchte aus dem Königreich nicht allzu viel geben."

Verwundert schaute Retodan den Schreiber offen ins Gesicht. "Wie? Aber alle reden doch davon?"

"Wohlgeboren dürfen davon ausgehen, dass der Schroeckh sehr wohl auf Ansinnen der Kaiserin gehandelt haben wird. Und selbst wenn nicht, sie würde gegenteiliges nicht verlautbaren lassen. Überhaupt, aber das ist meine eigene und sehr persönliche Meinung, vielleicht profitiert die Kaiserin doch am meisten von der Posse, die das Ganze bereits angenommen hat. Immerhin lenkt das von den wirklichen Problemen genügend ab. Nun entschuldigt mich, die Briefe schreiben sich nicht von allein."

Mit einem Grinsen ließ der Schreiber den kopfschüttelnden Truchsess stehen, der leise zu sich murmelte: "Ja, so kann man das auch sehen."