Geschichten:Schimpf und Schande - Teil 14

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Ein Quantum Würde


»Ihr habt Besuch.« Friedwart Wiesenbach legte ein paar Dokumente auf dem Seitentischchen ab, das Burggraf Oldebors Lehnsessel flankierte. Er sagte es nur beiläufig, aber der Raulsmärker merkte das Timbre in der Stimme seines Sekretärs sofort.

»Wen?«

»Gsevino vom Prutzenbogen

»Aha. Soll reinkommen.« Oldebor nahm die wärmende Mütze mit der dicken Troddel vom Kopf und streifte auch die bunten Pantoffeln ab, ehe der wuselige Schreiber des Staatsrates eintrat. Pantoffeln und Troddeln vertragen sich nun einmal nicht mit einem gewissen Quantum Würde – auch nicht an einem späten Firunabend.

»Edelhochgeboren. Habt Dank, dass Ihr mich so spät noch empfangt!« Prutzenbogen hatte eine absurde Wintermütze auf dem Kopf. Gestrickt aus derselben groben, grünen Wolle wie seine Fäustlinge und der viel zu lange Schal.

›Da hätte ich die Pantoffeln auch anlassen können«, dachte der Burggraf und wies seinem Gast einen Platz am Kamin. »Was kann ich für Euch tun, Meister Gsevino?«

Der Angesprochene lächelte verlegen. Nicht häufig wurde er Meister genannt. »Zwei Dinge, Edelhochgeboren. Zwei Anliegen habe ich. Das eine hilft mir, das andere Euch. Ich brauche Geld.«

»War das jetzt das Anliegen, das Euch hilft, Prutzenbogen?« Der Burggraf hob die Augenbraue.

»Ja, ganz recht. Ich werde heiraten. Und ich brauche das Geld für die Feier, das Haus und das Kind.«

»Treffliche Nachrichten! Ich freue mich für Euch! Wer ist die Glückliche? Wann ist die Hochzeit? Und wieso: Kind?«

»Danke, Edelhochgeboren. Meine Braut ist die ehrenwerte Saccina Groterian. Wir wollen im Ingerimm heiraten.« Der Schreiber drehte die grüne Pudelmütze verlegen in der Hand. »Das Kind wird schon im Tsa geboren. Es soll Praiodan heißen. Äh ... oder Praiodane, versteht sich.«

»Gut, gut. Wie viel braucht Ihr?«

Gsevino schob dem Burggrafen einen Zettel hinüber. Der hob nun beide Brauen und schaute überrascht auf. »So viel? Wie oft wollt Ihr denn heiraten?«

»Ähem. Das ist für die Hochzeit ... und die Mutter des Kindes, Edelhochgeboren. Sie ist nicht die Braut.« Der Schreiber wirkte nun noch nervöser. Ganz zerknirscht blickte er den Burggrafen an, offenbar verzweifelt.

»Gsevino, Gsevino. Das hätte ihm nicht gefallen. Aber gut, Ihr sollt das Geld bekommen. Den Betrag für das Kind braucht Ihr mir nicht zurückzugeben. Um des Namens willen. Was ist nun die Nachricht, die für mich gut ist?« Oldebor von Weyringhaus wirkte indigniert, ein paar Grundsätze sollten einfach nicht missachtet werden; Travias Gebote gehörten dazu. In den guten alten Zeiten hätte es so etwas nicht gegeben.

»Nun, Edelhochgeboren. Da geht es um die Entlehnung Nimmgalfs. Ihr batet mich, die Tagesordnung entsprechend zu gestalten. Und dann wolltet Ihr die Audienz zu Gerbaldsberg vorbereiten, um mit der Königin über diesen Vorfall zu sprechen und über Schroeckh ...« Prutzenbogen schüttelte langsam den Kopf. »Tut es nicht. Ich habe den Staatsrat heute getroffen. Er hatte Nachricht aus Eslamsgrund erhalten – und war danach bester Laune. Kein Wunder: Er hat von der Königin Post erhalten: Sie billigt sein Vorgehen. Sie verbietet ihm Nachsicht und weist ihn an, jeglichen Gesichtsverlust zu vermeiden.«

»Letztere Anweisung an den Schroeckh kommt um Jahre zu spät, wenn Ihr mich fragt", versuchte der Burggraf einen müden Scherz. "Aber davon abgesehen: Was Ihr sagt, beantwortet mir die Fragen, die ich ihm hätte stellen wollen: die Königin weiß davon - auch wenn ich bezweifle, dass sie im Vorfeld davon wusste - und stimmt zu. Das sind schlechte Nachrichten. Aber immerhin.«

»Ihr erspart Euch die peinliche Nachfrage, Edelhochgeboren", warf Gsevino ein. "Die Königin steht hinter ihrem Staatsrat, wenn sie ihn auch für den Tsa auf den Gerbaldsberg befohlen hat. Bis dahin muss wohl gelten, was der Schneck sagt.«

»Wer auch immer ihm diese Flausen in den Kopf gesetzt hat", murmelte Oldebor nachdenklich, bevor er sich der Anwesenheit seines Besuchers zu entsinnen schien. "Gut. Habt Dank, Prutzenbogen. Wenn noch etwas sein sollte – wegen der Hochzeit, meine ich -, meldet Euch bei Meister Wiesenbach. Der wird Euch auch das Darlehen aushändigen. Nur noch eine Frage: Von wem sind diese abscheulich grünen Wintersachen? Von der Braut oder von der Mutter?«

Später am Abend - Troddelmütze und Pantoffeln waren an ihren angestammten Platz zurückgekehrt - sprach der Burggraf noch kurz mit seinem eigenen Secretarius: »Kennt Ihr eine Saccina Groterian, Meister Wiesenbach?«