Geschichten:Schäumende Wasser - Eine ausnehmend günstige Gelegenheit

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Reichsstadt Perricum, 1. Efferd 1043 BF

Fredegard von Hauberach besuchte seit dem Tode ihres Gatten ebenso regelmäßig wie gerne die Bunten Lichter von Perricum. Das ganze religiöse Drumherum war ihr jedoch einerlei und auch der vielerorts fast schon volksfestartige Charakter dieses Festtages berührte sie nicht wirklich. Nein, was die ehemalige Baronin an den Feierlichkeiten faszinierte, war der Umstand, dass sich viele hochrangige Besucher aus Stadt und Provinz hier gewissermaßen ein Stelldichein gaben und sich somit mannigfache Möglichkeiten eröffneten, mit allerlei Leuten ins Gespräch kommen, sie einfach nur beobachten oder im Sinne des Herrn manipulieren zu können. Wissen, das war der Adligen schon lange klar, war letztlich die Währung, auf die es ankam. Geld oder Titel waren zu dessen Erlangung lediglich schmückender Zierrat oder nützliche Vehikel.
Zusammen mit ihrer Ziehtochter Janne und umgeben von vielen anderen Schaulustigen und Gläubigen schlenderte Fredegard zu den Korallengärten, um von dort aus den Höhepunkt des Festes, den vom Hochgeweihten Efferdan dylli Turakis gesprochenen Efferdsegen, zu verfolgen. Um nicht weiter aufzufallen, hatten sich die beiden auch zwei von diesen lächerlichen Laternen besorgt, die nach Ansicht der einstigen Baronin in Kinderhänden weit besser aufgehoben wären als in denen vermeintlich erwachsener Menschen. Zudem hatte es schon etwas belustigendes, ging es ihr durch den Kopf, dass diese Laternen mit Feuer beleuchtet wurden und zugleich Teil eines Festes zugunsten des Meeresgottes waren, der das Feuer angeblich nicht mochte. Was für eine Heuchelei!
Die Adlige war schon jetzt recht zufrieden mit dem Verlauf des Tages. Sie hatte viele Kontakte knüpfen oder pflegen können und - zumeist durch die Augen Jannes, die sich meisterhaft darauf verstand, sich in einer Menge gewissermaßen unsichtbar zu machen - in Erfahrung bringen können, wer von den Mächtigen sich mit wem traf oder eben nicht mehr traf.
Als schließlich das Unheil losbrach, erblickte Fredegard zweierlei: Die Wasserleichen und eine geradezu einmalig günstige Gelegenheit. Eile war nun geboten, um dieses Geschenk des Herrn nicht ungenutzt vorbeiziehen zu lassen.

"Janne, Du wirst mit Deinen Waisen dafür sorgen, dass Gerüchte über das hier Geschehene schnellstmöglich in den übrigen Vierteln die Runde machen; je wilder, desto besser. Grundtenor dabei: Efferd hat seinen Segen von der Stadt genommen. Das dürfte die Stellung seiner Kirche zumindest temporär schwächen. Darüber hinaus-"

"-ist die jetzige Panik eine gute Gelegenheit, Personen, die uns gefährlich werden könnten, möglichst unauffällig zu erledigen, richtig?" setzte die Halbwüchsige mit unbewegter Miene hinzu.

"Richtig," bestätigte Fredegard.
Was für ein kluges Kind Janne doch ist, ging es ihr durch den Kopf, während sie dem Mädchen einen anerkennenden Blick, aus dem echter Mutterstolz sprach und ein warmherziges Lächeln schenkte.

Sichtlich erfreut über dieses Zeichen der Wertschätzung fuhr Janne in einem fast schon beiläufigen Plauderton, mit dem man auch die Erstellung einer Einkaufsliste hätte besprechen können, fort:
"Ich werde mich, natürlich mit der gebotenen Vorsicht, selbst darum kümmern, Frau Fredegard, wobei ich mich auf die beiden derzeit gefährlichsten Feinde unserer Sache konzentrieren werde: Diesen penetranten und allzu pflichtbewussten Weibel der Stadtwache sowie die viel zu neugierige Gänseakoluthin im Waisenhaus."

"Ich sehe schon, Du hast wie immer gut mitgedacht, mein Kind. Ich bin wirklich stolz auf Dich und denke, dass Du es noch weit bringen wirst. Und nun geh'. Ich selbst werde im Heiligtum dem Herrn für diese wunderbaren Gelegenheiten, hier in seinem Sinne wirken zu können, danken ."

"Eine Frage noch, Herrin. Was ist mit Eurem Sohn? Könnte er in seiner hohen Stellung hier in der Stadt nicht ebenfalls nutzbringend eingreifen?"

"Guter Einwurf, Janne. Aber sei unbesorgt. Er wird sich eine solch´ günstige Gelegenheit gewiss ebenso wenig entgehen lassen wie wir."

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Oberst Ugdalf von Pandlarilsforst und von Hauberach hielt von dem außergewöhnlichen Trubel in der Stadt während der Festlichkeiten genauso wenig wie seine Mutter und nutzte die Zeit, um stattdessen in relativer Ruhe bei einem guten Glas Wein die nächsten Manöver seiner Truppe vorzubereiten. Ein energisches Klopfen an der Tür zu seinem Arbeitszimmer entlarvte die zuvor genossene Ruhe jedoch als einen flüchtigen Moment.
"Was ist denn?! Ich hatte doch gesagt, dass ich nicht gestört werden möchte!", blaffte er den Störenfried durch die geschlossene Tür an.

"Es ist dringend. In der Stadt ist ein Tumult ausgebrochen!", kam es postwendend zurück.

"Was denn für ein Tumult? Eintreten!"

Die Trossmeisterin des Regiments, Deirdre von Methuen, tat wie ihr geheißen, nahm Haltung an und meldete:
"Beim Efferdsegen im Rahmen der Bunten Lichter soll es wohl zu seltsamen Vorkommnissen, man redet von plötzlich aufgetauchten Wasserleichen, gekommen sein, die eine Panik bei den Anwesenden auslösten. Sollen wir einen Trupp Soldaten zusammenstellen, um bei der Wiederherstellung der Ordnung zu helfen?"

"Ganz bestimmt nicht.", knurrte Ugdalf. "Falls es Euch entgangen ist, Leutnantin, sind die Wappenröcke unseres Regiments seit der Landung Haffax´ in der Stadt nicht mehr allzu gern gesehen, um es mal höflich zu formulieren. Wenn die Lage wirklich außer Kontrolle geraten sollte, wird der Stadtrat sicherlich ein formelles Hilfeersuchen an mich richten, welches ich dann natürlich wohlwollend prüfen werde." Ein fast schon spitzbübisches Lächeln umspielte für einen Moment des Obersten Lippen. "Ansonsten sollen sie zusammen mit ihrer Stadtwache gefälligst selbst die Kastanien aus dem Feuer holen. Ist ja schließlich ihre Stadt, wie sie nicht müde werden, zu betonen. Um es kurz zu machen, Leutnantin: Weitermachen mit dem befohlenen Tagesdienst. Und keine weiteren Störungen mehr, verstanden?"

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Fredegard hatte sich in den Tempel des wahren Götterfürsten zurückgezogen; erst zum Gebet, dann zur inneren Einkehr, um abseits der Straßen Perricums Ruhe und Erleuchtung zu finden. In der Zwischenzeit war Janne zurückgekehrt und machte sich ihrer Ziehmutter gegenüber mit einem Räuspern bemerkbar. Diese streckte sich kurz und blickte dann das Mädchen fragend an.

"Es ist alles erledigt, auch die Gerüchte betreffend, Frau Fredegard. Und im Darpat schwimmen nun zwei Wasserleichen mehr."

"Ausgezeichnet." Die Adlige erhob sich und fuhr ihrer Ziehtochter durch die langen blonden Haare.
"Gab es Komplikationen?"

"Nein, die Hilfsbereitschaft und Naivität dieser Schwachköpfe machten es mir leicht, sie von ihrer Existenz zu befreien." Jannes Haltung und Mimik veränderten sich abrupt, als sie sich in ein verängstigtes Mädchen verwandelte, dem Tränen über das zarte Gesicht liefen.
"Bitte helft mir Herrin, mein kleiner Bruder, er liegt dort hinten am Darpatufer und rührt sich nicht. Bitte, in der Götter Namen, helft!", fuhr sie mit sich vor Panik fast überschlagender Stimme fort.

Die ehemalige Baronin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.
"Janne, an Dir ist wirklich eine großartige Schauspielerin verloren gegangen."

"Dann habe ich ihnen die Kehlen aufgeschlitzt, sie ausgezogen und ihre Kadaver in den Fluss geworfen, bevor ich ihre Kleidung beseitigte", schloss die Halbwüchsige lakonisch, während sie sich die Tränen aus dem Gesicht wischte.

"Ich kann unserem Herrn nicht oft genug dafür danken, dass er unsere Wege sich hat kreuzen lassen. Ich bin so stolz auf Dich, meine Tochter."

In einer für Janne gänzlich untypischen Reaktion umarmte sie die ältere Frau spontan und schaute ihr freudestrahlend ins Gesicht.
"Und ich bin so froh, Euch zu haben und für Euch da sein zu können - Mutter."


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Texte der Hauptreihe:
1. Eff 1043 BF
Eine ausnehmend günstige Gelegenheit
Eine ausnehmend günstige Gelegenheit


Kapitel 12

Bunte Lichter von Perricum
Autor: Wallbrord