Geschichten:Recht und Gerechtigkeit

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„So, das dürfte dann wohl alles gewesen sein, Norholt“, sagte Elissa vom Berg zu ihrem Kastellan, mit dem sie gerade die Korrespondenz durchging. „Diesmal war es ja recht einfach, fast nur Belangloses oder recht simple Angelegenheiten.“

„Da habt Ihr Recht, Euer Hochgeboren, aber auch Simples bedarf einer sorgfältigen Betrachtung, um es dann adäquat erledigen zu können. Der Namenlose-

„-steckt oftmals im Detail, ich weiß, ich weiß“, erwiderte die Baronin zu Baronie Vellberg leicht säuerlich. „Also, haben wir es jetzt?“

„Ja“, erwiderte der Kastellan, ich habe hier nur noch eine Bekanntmachung zur Entlehnung und Verurteilung des Barons zu Wasserburg. Die ging wohl an alle Barone, warum auch immer.“

„Ach“, horchte Elissa auf, „na, das ist doch mal was! Was hat dieser faule Taugenichts denn getan oder, in seinem Falle wohl wahrscheinlicher, nicht getan, dass der Markgraf ihm nun derart kräftig in den Allerwertesten getreten hat?“

„Nun, es gab in seiner Baronie doch die Fehde mit dieser Korhilda von Sturmfels. Offenbar lief da einiges aus dem Ruder und die Dame wurde wohl von irgendwelchen Schlagetots des Wasserburgers beinahe umgebracht. Ach ja, einige Tote soll es auch gegeben haben.“

„Soviel Skrupellosigkeit und vor allem Aktivität hätte ich dem Kerl gar nicht zugetraut,“ meinte Elissa fast schon anerkennend. „Also wird jetzt sein unmündiger Sohn Baron. Na hoffentlich kommt der nicht nach seinem Vater.“

„Nein, das Haus Tikaris ist gänzlich entlehnt und der vormalige Baron zu einer Art lebenslangem Hausarrest verurteilt worden. Zu seiner Nachfolgerin wurde seine Fehdegegnerin Korhilda ernannt. Und-“

„Bitte was?!“, die Baronin sprang wie von der Maraske gestochen auf. „Gib´ mir mal diese seltsame Bekanntmachung.“ Rasch überflog sie den Text und ließ das Dokument dann achtlos zu Boden fallen. „Das passt doch überhaupt nicht! Da fehlt doch jede Relation“, schimpfte die Adlige. „Das Haus Rabenmund begeht innerhalb einer Generation gleich zweimal Reichsverrat und darf weiter Titel und Würden bekleiden, aber ein Baron verliert wegen einer ordinären Fehde bis auf seinen Kopf gleich alles? Wie dumm ist diese Landrichterin eigentlich? Wäre sie klug gewesen, hätte sie den Fall an das Reichskammergericht überwiesen. So aber hat sie, gewollt oder nicht, einen weitreichenden Präzedenzfall geschaffen.“

„Ich wusste nicht, dass Ihr soviel für den Herrn von Tikaris übrighabt. Und von was für einen Präzedenzfall sprecht Ihr, wenn mir die Nachfrage gestattet ist?“

„Dieser dumme Nichtsnutz ist mir doch vollkommen egal und diese Korhilda mag sogar eine weit bessere Herrin zu Wasserburg abgeben, wie ihr Vorgänger, wobei die Messlatte allerdings auch äußerst niedrig liegt, nämlich auf dem Boden. Was mich so aufregt, ist der Umstand, dass nicht nur er selbst sondern gleich seine gesamte Familie entlehnt wurde. Und das nur wegen so einer dämlichen Adelsfehde? Das hätte man doch leicht mit der Zahlung eines angemessenen Wergeldes regeln können. Ich finde es geradezu erschreckend, wie leicht selbst Barone nun Titel und Lehen verlustig gehen können. Und dann wird diese Korhilda erst wegen 'Unruhestiftung und Kampfhandlungen in einer Fehde' verurteilt, nur um kurz darauf mit der Baronie ihres Kontrahenten belehnt zu werden. Da ist diese Richterin aber kapital übers Ziel hinausgeschossen. Ich werde versuchen, ihr das mal klar zu machen.“

„Verzeiht, Hochgeboren, aber wäre das wirklich klug? Niemand weint dem alten Baron eine Träne nach und viele in der Provinz dürften froh sein, dass mit Frau Korhilda eine weithin anerkannte und, nach allem, was man hört, auch sehr fähige Frau seine Nachfolge angetreten hat. Zudem ist die Landrichterin eine der höchsten Amtsträgerinnen des Markgrafen mit weitreichenden Beziehungen und nicht zuletzt eine Verwandte Eures Gemahls. Das könnte leicht auf Euch zurückfallen und somit sehr zum Nachteil gereichen.“

„Möglich, aber einfach so mache ich mich nicht zum Bückling irgendeiner Tintenkleckserin. Das hat mich mein Vater nicht gelehrt! Nimm´ Feder und Pergament und schreibe:

An Ihre Wohlgeboren Perrica von Alxertis

Landrichterin der Markgrafschaft Perricum
Landedle zu Perringrund.
 
 
 
 
Euer Wohlgeboren,

Mit großer Verwunderung habe ich von Euren Urteilen in der Causa Tikaris Kenntnis erhalten. Mit dem nötigen Respekt möchte ich Euch anempfehlen, Eure Entscheidungen noch einmal zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Folgende Hinweise mögen Euch hierbei als Entscheidungshilfe dienen:

I.
Erscheint mir das Urteil gegen den vormaligen Baron Zordan von Tikaris unangebracht.
Ist er im Sinne der ihm zu Last gelegten Vorwürfe schuldig, so gäbe es nur drei infrage kommende Urteilssprüche: Der Tod durch das Schwert, die Verbannung oder die Inhaftierung auf den Efferdtränen. Ihn aber die Haft in seinem eigenen Jagdschloss verbüßen zu lassen, wird der Sache jedoch nicht gerecht, da viel zu milde.

II.
Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Ausschluss seines Sohnes Romin von der Erbfolge der Baronie Wasserburg.
Da wir es im vorliegenden Fall weder mit Reichsverrat noch mit einem Verbrechen gegen die zwölfgöttliche Ordnung zu tun haben, ist diese Entscheidung in meinen Augen völlig überzogen. Ich denke, dass es auch nicht im Sinne seiner Erlaucht ist, wenn die Hürde zur Entlehnung einer Baronsfamilie so weit gesenkt wird, dass praktisch jede von ihnen damit rechnen muss, schon wegen geringer Vergehen ihres Erbes verlustig zu gehen. Die damit einhergehenden politischen Implikationen muss ich Euch, denke ich, nicht näher erläutern. Als Präzedenzfall mag hier das Haus Rabenmund dienen, welches trotz weitaus schwerwiegenderer Verbrechen (Reichsverrat!) einzelner Mitglieder auch nicht seiner Lehen enthoben wurde.

III.
Ebenso befremdlich und wenig nachvollziehbar mutet mir die Entscheidung an, Hochgeboren Korhilda von Sturmfels wegen ihrer Verwicklung in der sogenannten 'Wasserburger Fehde' erst zur Rechenschaft zu ziehen und kurz darauf zur Baronin nämlichen Lehens zu erheben. War ihr Verhalten in dieser Angelegenheit falsch, so hätte Sie nicht Baronin werden können; waren ihre Taten hingegen gerechtfertigt, so hätte sie zwar erhoben nicht aber zugleich auch verurteilt werden können. Beide Aspekte schließen sich eigentlich aus.
Vielleicht solltet Ihr bei nächster Gelegenheit das Gespräch mit seiner Erlaucht suchen und ihm diesen Sachverhalt, der ihm so gewisslich nicht bekannt war, einmal ausführlich darlegen.

Möge der Herr Praios als Gott des Gesetzes allzeit über Euch und Euer Tun wachen.

 
 
 
 
Elissa vom Berg
Baronin zu Vellberg

Hauptfrau im Beurlaubtenstand des Markgräflich-Perricumer Heeres



Kopfschüttelnd und mit einem fast schon mitleidigen Lächeln hatte die Richterin das Schreiben nach der Lektüre in den Kamin geworfen. Das Pergament zeugte zwar vom Rechts- nicht aber vom Politikverständnis der Verfasserin. Und offenbar war diese ‚Baronin‘ wirklich naiv genug zu glauben, dass das Urteil in dieser Angelegenheit ohne Wissen und Wollen des Markgrafen gefällt worden wäre. Ob das nun an der fehlenden Erfahrung der Vellbergerin, deren illegitimer Abkunft oder beidem lag, war dabei ohne Belang. Darauf zu antworten wäre eine Ehre, die der Absenderin nicht zukam, zumal die Richterin ohnehin wenig geneigt war, ihre Entscheidungen vor irgendwelchen adeligen Hinterwäldlern aus den Trollzacken zu rechtfertigen, Baronin hin oder angeheiratete Verwandte her.
Was den Markgrafen wohl geritten haben mochte, dieses naive Ding zur Baronin zu erheben, würde sie wohl nie verstehen. Deren Namen hingegen würde sie sich hingegen merken. Sehr gut merken …