Geschichten:Rallerqueller Familiengeschichten - Der Spion

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Burg Rallerstein, Junkertum Rallerquell, Baronie Uslenried - Praios 1046 BF:

10 Tage war sie jetzt unterwegs gewesen. Zuerst in Nuzell, dann weiter über Untergras, Güldenfeldt, Randersburg und schließlich zurück nach Rallerau Richtung Markt Rallerquell. Langsam zog der Esel den voll bepackten Karren die letzte Kehre Richtung Brücke hinab. Die Lumpensammlerin war vom Bock gestiegen und half dem Grautier, indem sie den Wagen auf dem abfallenden Karrenweg an den Rädern abbremste. Die abgetragenen Hemden und das fadenscheinige Bettzeug waren gleichmäßig auf der Ladefläche verteilt und gegen den Wind mit einigen Steinen beschwert. Die Lenkerin des Karrens schien sich ihre Kleidung aus den alten Textilien herausgesucht zu haben. Ihr blondes Haar wurde von einer grauen Staubschicht bedeckt und die Farbe ihres sonnengebräunten Gesichts wurde ebenfalls von einer Schmutzschicht überzogen. Immerhin war die Reise ohne Achsbruch oder unangenehme Begegnungen mit Gesinde oder gar wilden Tieren vergangen. In den Städtchen hatten ihre Kontaktpersonen seit ihrer letzten Fahrt für ein paar Kreuzer vorgesammelt und sie konnte an jeder Station ein größeres Bündel übernehmen. Thesia Mühlbauer, ihre gestrenge Meisterin, wird zufrieden sein und ihr vielleicht die Tage des Quellfests frei geben.

Der Grund der Raller war endlich erreicht. Der Fluss hatte sich sein Bett tief in die Landschaft gegraben. Weiden und Erlen wuchsen am Ufer und Buchen und Föhren bedeckten die Talhänge. Ein Rauschen dröhnte von einem nahegelegenen Wasserfall und die Luft war feucht und kühl. Über die Raller war hier eine vier Schritt breite und 15 Schritt lange Holzbrücke erbaut. Zwei Waffenknechte bewachten an beiden Enden den Zugang. Die Frau war hier bekannt und musste dennoch den üblichen Zoll bezahlen. Ratternd überquerte der Karren die Brücke. Auf der Rallerqueller Seite erhob sich die alte Feste Rallerstein in ihrer Wacht über Weg und Brücke. Hier war auch die Grenze zwischen den Grafschaften Waldstein und Reichsforst. Auf den beiden Türmen sah die Frau wie immer Wachen, die hier gelangweilt ihren Dienst versahen. An den Mauern hatte sich in der ewigen Feuchtigkeit viel Moos angesiedelt, welches ein grünes, dickes Polster an den Steinen bildete. In der Burg residierte die Landvögtin Maline von Streitzig, Frau des Junkers von Rallerquell. Im Tanzenden Schrat hatte die Karrenführerin vor einigen Monden einen lustigen Abend mit einem der Waffenknechte aus Burg Rallerstein verbracht und gehört, dass die Landvögtin sehr energisch sei und die Besatzung strengsten Regeln folgen müsse.

Der Esel musste sich beim Anstieg aus dem Flusstal mächtig ins Zeug legen und hatte danach wahrlich eine Pause verdient. Und so steuerte die Frau den hier unter einer Bosporanie stehenden Praiosschrein am Wegesrand an. Mit dem Gott des Rechts und des Adels hatte sie wenig am Hut, aber die dort aufgestellte Bank versprach eine angenehme Rast. Der Esel machte sich ans Grasen und die Lumpensammlerin packte ein Stück Brot und einige Zwetschgen aus und ließ sich genüsslich nieder. Bald war die Brotzeit aufgegessen und in den warmen Nachmittagsstrahlen der Sonne wurde sie von Müdigkeit übermannt.

Ein Pfeifen drang in ihr Bewusstsein und sie schlug die Augen träge auf. Ein Mann mit schütterem langem Haar, einer breiten Narbe auf der linken Wange und einem struppigen Bart stand in einfacher Lederkleidung vor ihr und sie schrak auf.


„Keine Angst, ich tue dir nichts“, lachte der Ankömmling.


„Ich wollte nur fragen, ob ich mich eine Weile zu dir setzten darf. Die Bank sieht bequem aus und mir ist nach Gesellschaft und einem kleinen Schwatz“.


„Aber ja, guter Mann, setzt euch nur“, bejahte die Frau und rieb sich den Schlaf aus den Augen.


„Wohin reist ihr und was macht ihr mit den stinkenden Klamotten?“


„Ich bin unterwegs nach Markt Rallerquell und bringe die Lumpen zur Papiermühle“.


„Was passiert mit dem Papier? Der Junker wird wohl kaum so viel Schreiben“.


„Das meiste wird verkauft. Zweimal im Jahr findet ein Markt statt und dorthin reisen viele Händler, aber auch Verwalter der Baronien und sogar Geweihte aus Weißenstein und anderen Tempeln. Die Bögen sind begehrt und teuer“, erzählt die Frau mit einigem Stolz in der Stimme.


„Und wann findet der Markt statt? Gibt es dort auch anderes zu kaufen oder zu tun“?


„Der Markt geht vom ersten bis dritten Efferd und vom ersten bis dritten Phex eines jeden Götterlaufs. Zeitgleich findet das Quellfest mit der Segnung der Rallerquelle statt. Auf dem Markt werden Rechen, Kiepen, Spielzeug und andere Werkzeuge und Dinge aus Holz verkauft. Auch Buchbinder bieten ihre Dienste an und in den beiden Gasthäusern wird abends von Barden aufgespielt und Gaukler zeigen ihre Künste. Manchmal kommen auch Zahoris und spielen ein Theaterstück und zeigen Zaubertricks. Auf dem Dorfplatz wird eine Tanzbühne errichtet und so manches Paar hat sich hier gefunden“.


„Auch Praiosgeweihte aus Weißenstein kommen dort hin. Machen sich dort wichtig und verderben allen den Spaß, nehme ich an“.


„Wie kommst du denn darauf? Die Geweihten sind äußerst freundlich und kaufen große Mengen Papier. Auch diesen Schrein hier segnen sie auf dem Rückweg ihrer Reise. Wenn du mich fragst genießen sie das Fest. Nimm‘s mir nicht übel, aber ich muss wieder aufbrechen um noch bei Tageslicht die Mühle zu erreichen“.




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 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Koenigreich Garetien.svg   Wappen Grafschaft Reichsforst.svg   Wappen Kaiserlich Randersburg.svg  
 Wappen Herrschaft Rallerau.png
  Wappen Grafschaft Waldstein.svg   Wappen Baronie Uslenried.svg   Wappen Junkertum Rallerquell.svg  
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