Geschichten:Rahjas Tränen - Der Lohn anderer Mühen
Salcaprea, Phex 1036 BF
Kerzen in zwei hohen mehrarmigen Ständern erhellten den Raum. Durch die geschlossenen Läden konnte man unten im Hof das Hufschlagen von Pferden hören, die in den Stall gebracht wurden. Eines davon gehörte dem Besucher, der vom Junker Matlakurs auf das Anwesen seiner Gattin gerufen worden war. Kian Ramin von Peirrish hatte sich zu dem Anlass etwas herausgeputzt: Über dem Spiegelpanzer tulamidischer Machart, dessen Platten frisch poliert waren, hatte er eine seidene, blaue Bauchbinde gewunden. Von der gleichen Farbe war der weite Reitmantel, der um seine Schultern mit silbernen Schließen zusammengehalten wurde. Die schwarzen Haare waren vom Helm, den er nun unter dem linken Arm trug, noch etwas plattgedrückt.
"Gut, dass ihr so schnell gekommen seid und willkommen auf Salcaprea.", eröffnete Aldron von Firunslicht das Gespräch und wies mit einer Hand auf einen der freien Stühle. Jarin von Birkenbruch, der junge Adjutant des Heermeisters, schenkte dem Gast und dem Gastgeber ein und zog sich dann etwas zurück. Während die anderen beiden sich über das Geschehen und Befinden in Peirrish und Besh'Aramal, dem Hauptsitz der Reshminianer, austauschten, beschäftigte er sich am anderen Ende des Tisches mit einigen Papieren. Der Heermeister stellte dem Sohn seines Vasallen knapp Fragen und ließ das Gespräch schnell wie einen Rapport anmuten, allem Wein und Gepäck zum Trotze. Dementsprechend wollten sich die Züge des Peirrishers auch nicht entspannen. Aber schon bald hatte der Gastgeber wohl erfahren, wonach es ihn zu wissen dürstete und er kam in gewohnt direkter Art zum Hauptgrund des Zusammentreffens.
"Kian von Peirrish, hauptsächlich habe ich heute nicht als Junker gerufen sondern als Heermeister. Ich will euch die dritte Schwadron Grenzreiter anvertrauen. Das ist ein Rittmeisterposten, direkt mir unterstellt. Weder als euer Bundesbruder noch als Lehnsherr eures vaters und auch nicht als Heermeister kann ich befehlen, dass ihr das Angebot annehmt. Ich nehme aber an, dass nach gutem Abwägen euer Weg ins Heer seiner Erlaucht führt."
Kian lächelte, endlich konnte er sich etwas entspannen. "Ich brauche nicht lange abwägen. Vor Haffax wär eine Ablehnung ja beinahe Verrat an den Göttern. Ich gebe auch zu, dass ich nicht vollends überrascht bin und mir schon meine Gedanken machen konnte. Also zählt auf mich." Aldrons Miene verfinsterte sich ob der Antwort zwischenzeitlich einen Augenblick, doch war die Wolke schnell weggeblasen und er erhob sich. Auf einen Wink hin tat Kian es ihm gleich.
"Kian Ramin von Peirrish, ich nehme euch hiermit in die Reihen des markgräflichen, stehenden Heeres auf und befördere euch in den Rang eines Rittmeisters. Nach dem Ausscheiden der jetzigen Rittmeisterin aus der Truppe werdet Ihr mit Wirkung vom 15. Ingerimm diesen Jahres die Führung der dritten Schwadron der markgräflichen Grenzreiter übernehmen. Hauptmann Birkenbruch... die Ernennungsurkunde." Das besagte Schriftstück wanderte vom Hauptmann über den Marschall zum Beförderten. Der straffte sich nach dem Empfang, brachte mit dem Helm in der einen und dem Pergament in der anderen Hand aber keinen perfekten militärischen Salut zustande.
Aldron ging darüber hinweg, nickte nur. "Die Details zur Truppe wird euch eure Vorgängerin im Rahmen der Übergabe näherbringen. Über die Abläufe im Kontakt mit dem Stab wird euch der Hauptmann morgen noch instruieren. Bis dahin habt ihr Zeit für euch. Ein Gemach wurde für euch bereitet. Ich lasse euch dorthin führen. Mit Donner und Sturm..." "...für Perricum. Ich danke euch." Kian nickte zuerst seinem neu gewonnenem Vorgestzten zu, dann dessen Adjutanten. "Bis morgen."
Nachdem der neubestallte Rittmeister den Raum verlassen hatte, räusperte sich Hauptmann von Birkenbruch etwas unentschlossen. Sofort hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit des Heermeisters, der die knappe Frage schoss: "Was gibt es?" Halb ertappt, halb ermutigt erwiderte der Adjutant: "Ich frage mich, wie ihr auf Peirrish gekommen seid. Was ist mit Zackenberg? Er kennt die Schwadron bereits und war zuletzt rechte Hand eurer Nichte. Peirrish ist ein Quereinsteiger." Das leicht in der letzten Bemerkung mitschwingende "noch ein" verkniff sich Jarin wohlweislich. Ihm selbst war es auch einerlei, aber er wußte, dass einige der anderen Offiziere in der Vergangenheit gemurrt hatten über die Art und Weise, wie der Firunslichter die Reihen seiner Offiziere mit ihm ergebenen Adeligen auffüllte.
Aldron zuckte mit den Schultern. "Er ist geeignet. Mit Pferden aufgewachsen, ordentliche Knappschaft durchlaufen und sich zuletzt bei den Aktionen des Donner-und-Sturm-Ordens ausgezeichnet. Binsböckel hält viel von ihm. Und mit seiner Abstammung aus Nord und Süd paßt er so gut zu den Farben der Markgrafschaft, wie kaum ein anderer." Mit einem Wink gab er zu verstehen, dass das Thema für ihn damit erledigt war. Jarin machte sich eilfertig daran, den Neuzugang auf der Soldliste zu vermerken. Während seine Feder über das Papier kratzte, wollte sich der Gedanke aber nicht vertreiben lassen, dass es vielleicht noch andere Gründe für die Berufung des Edlensohnes gab. Dessen wunderschöne Gattin hatte zuletzt mit der des Heermeisters ein ausnehmend gutes Verhältnis, was man so hörte. Aber seis drum, die Worte seines Herrn hatten als Erklärung zu genügen und würden es wohl auch.
