Geschichten:Rabenstocker Art - Eine Einsicht, für und wider dem Vergessen

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Junkertum und Gut Schönbartheim, 21. Hesinde 1041 BF

Es war recht kalt geworden in der Baronie Haselhain und so auch im Junkertum Schönbartheim. Maia von Rabenstock lief durch die Gänge von Gut Schönbartheim und suchte mal wieder ihren Ehegatten Can, es war schlimm geworden mit ihm. In ihrer Hand ein Tablett mit Essen, Brot, viele Früchten und ein wenig herzhaftem Bergkäse, den ihr Mann eigentlich so liebte. Vermutlich würde sie es zu späterer Stunde fast unangerührt wieder mitnehmen.
Erst dachte sie ihr Gatte hätte neuen Aufschwung erhalten, als er erneut ihre Tochter Fatime auf der Festung im Herzen der Baronie besuchte. Er wirkte fröhlich und lebensbejahend, wie früher, bevor ihr Sohn Haldan bei der Schlacht an der Gaulsfurt fiel. Aber die Stimmung ihres Mannes war nicht von Dauer. Umso finsterer die Monate wurden, umso Kälter das Wetter, umso mehr schien sich auch das Gemüt ihres Ehegatten zu verfinstern. Im Boron verfiel er wieder in tiefe Trauer und verlies an manchen Tagen nicht einmal die Schlafgemächer. Hatte man ihn dieses doch einmal verlassen sehen, dann nur um sich zum Grübeln in den Salon zurück zu ziehen. Dort saß er dann brütend und schweren Rotwein trinkend. Wenn sie ihn ansprach kam meist nur ein unverständliches Murren oder Brummen zurück. Weder Aufmunterungen ihrerseits noch Schreiben seiner Tochter hatten an dieser Stimmung etwas geändert. Wieder und wieder betete sie zu Boron er möge die Seelenqualen ihres Mannes lindern oder zu Hesinde sie möge ihr doch eine Erkenntnis schenken, wie sie ihrem Gatten helfen könnte. Doch bisher war nichts passiert. Vielleicht würde Tsa und der anstehende Frühling Besserung bringen. Sie war ratlos, aber nicht ohne Hoffnung.

Seufzend klopfte Maia an die Tür und öffnete sie dann. Der Salon war spärlich durch einige Kerzen erleuchtet, die krude Schatten an die Wand warfen. Ihr Mann hatte das Zimmer selber eingerichtet, gemütlich mit vielen Kissen, Teppichen und Pflanzen. Das Meiste war in einem sanften Blau, gemischt mit purpur und dunklem rot gehalten. Aber es war nicht alles ganz passend, er hatte noch nie einen Sinn für so etwas gehabt, so dass sie an der einen oder anderen Stelle nachhelfen musste. Maia lächelte als ihr Blick auf das knallend orange Kissen fiel, welches in der restlichen Umgebung so gar nicht zu passen schien. Er hatte darauf bestanden es zu kaufen, auch wenn es jeder Person mit hohem stilistischen Geschmack die Tränen in die Augen trieb. Aber der alte Dickkopf hatte sich noch nie von etwas abbringen lassen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Er war ein Mann des Momentes.
Ihr Blick fiel auf die Kissenecke in der ihr Mann immer saß oder viel mehr lag, doch er war nicht dort. Ein halb ausgetrunker Pokal Rotwein stand daneben und einige aufgeschlagene Bücher. In der Dunkelheit konnte sie nicht erkennen welche. Er laß? Seit wann laß er? Und wo war er?
Sie erschrak leicht als seine Stimme erklang. „Maia? Bist du das? Komm härain! Komm rain, ich muss dir ätwas zaigen!“ Sie stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch neben dem Eingang. Was war los? So viel Aufregung in der Stimme hatte ihr Mann nicht mehr gehabt seit… Wochen? Monaten?
„Ja, Can, ich bin äs, wo bist du? Hier ist äs so dunkel, ich sähe dich kaum, was ist pas'siert?“ Sie trat weiter in den Raum hinein. „Hier bin ich, am Fänster.“ antwortete Can.

Maia ging durch den Salon, vorbei an einigen Tüchern welche den Raum von den Fenstern und dem anschließenden kleinen Balkon trennten. Dort stand ihr Liebster, sein Haar war länger als normalerweise und sein Bart voller. Der einst so prächtige Schnauzer, für den er bekannt ist, warum kaum noch zu erkennen. Die Kleider, welche sonst von seiner kräftigen Statur ausgefüllt waren, hingen ein wenig schlaff an ihm herunter. Er drehte sich um und sah sie an, er sah älter aus, als er eigentlich war. Can hatte sich gehen lassen über die letzten Wochen und Monate. In seinen Händen hielt er ein aufgeschlagenes Buch. Aber nicht das Buch hatte ihre Aufmerksamkeit, sondern Can´s Blick. Er war fest, klar und ein funkeln lag in ihnen. Sie lächelte, ein Blick den sie zu lange vermisst hatte.
„Was ist Liebstär? Du… du liegst ja gar nicht, gäht äs dir bässer? Fragte sie, mit Hoffnung in ihrer Stimme.
„Ich habe aine Idee, Maia, so aine schöne Idee. Schau hier, was ich gefundän habe.“ Er deutete auf das Buch, welches er in seinen Händen hielt, eines von Fatimes vielen Anfertigungen natürlich.
Maia trat näher heran und begutachtete es. Kunst und Bildhauerei? Seit wann interessierte sich ihr Gatte für so etwas? „Ein Buch übär Kunst, main Liebstär? Was hat äs damit auf sich?“
„Das ist maine Idee, Maia, maine wundärvolle Idee. Heute war etwas anders, ich stand auf und hatte Lust zu läsen, du kennst mich, ich habe aigentlich nie Lust zu läsen, trotz unserer Tochter. Abär heute war mir danach. Also ging ich zum Bücherregal und irgendwie sprang mir ein altäs Buch von Fatime in den Blick. Ich hab nie verstanden warum sie so viel geläsen hat und dann so viel unnützen Kram dazu.“ Er hielt das Buch hoch „Kunst und Bildhauerai, äs weckte ein Intäresse in mir, eine Begierde es zu läsen und da entdeckte ich es.“ Er schlug ein bestimmtes Kapitel auf.
„Statuän und Büsten im alt-perricumschen Stil. Ja… Nain ich verstehe nicht, was hast du äntdeckt, was ist daine Idee?“
Er drehte sich halb von ihr weg und schaute in den dunkler werdenden Himmel. „Ich wärde eine Statue bauen lassen, maine Liebe, eine Statue von Haldan, die ihn zeigt wie är war, wie großartig er war. Aus schwarzem Gestain zu Ähren des Ewigen. Ich werde sie inmitten aines Blumengartens stellen lassen, so schön dass die junge Göttin ihre Freude daran haben wird. Jedär soll sie sehen, jeder soll an ihr vorbai gehen und meinem Sohn gedenken.“ Er drehte sich wieder zu ihr und lächelte. Trauer lag in seiner Stimme, Trauer aber auch Entschlossenheit. „Damit niemand ihn vergisst Maia, weder ihn noch saine Taten.“
Maia umarmte ihren Mann und drückte ihren Kopf eng an seinen. Eine Träne lief ihr über die Wange und sie dankte Stumm den Göttern. Vielleicht hatte sie ihren Gemahl nun endlich zurück.



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Haselhain.svg   Wappen Junkertum Schoenbartheim.svg   Dorf.svg  
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21. Hes 1041 BF
Eine Einsicht, für und wider dem Vergessen
Rührend


Kapitel 2

Rückkehr an den Darpat I
Autor: Timotheus