Geschichten:Praiosgefällige Anarchie - Mit Feuer und Schwert

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2. Hesinde 1036 BF, Auf der Kressenburg

Im großen Saal der Kressenburg hatte der Baron seinen Vogt und einen seiner Leibritter zu sich gerufen. Auf dem Tisch vor den dreien lag zwischen fünf Bierkrügen eine lederne Bulle. Eine unangenehme Stille lag über dem Raum, in dem es sonst oft so fröhlich zuging, als die große Tür sich erneut öffnete und zwei weitere Personen zu ihnen stießen. Aufmerksam musterte Ardo die beiden Gäste, die die Runde komplettierten. Am Hals des Barons pulste eine dicke Ader, sein Gesicht war gerötet und der Bierkrug vor im war unberührt, was jeden alarmieren sollte der ihn kannte. Ardo war wütend.

"Ich freue mich, dass Ihr den Weg zu uns gefunden habt Schwester Madalieb", eröffnete der Keiholtzer ohne Umschweife das Gespräch, noch bevor sich die Hesinde-Geweihte gesetzt hatte. "Ich hoffe, ich habe Euch nicht bei Euren Reisevorbereitungen gestört." Seine Stimme war schroff und passte in keiner Weise zu den höflichen Worten.

"Nein, keineswegs. Ich wollte erst in einigen Tagen nach Dergelstein aufbrechen." Madaliebs Erwiderung war ruhig und Vorsicht lag in ihrer Stimme. Auf einen Hinweis hoffend, was genau eigentlich vor sich ging, wanderte ihr Blick suchend zu ihrem Vater.

"Ardo, meinst du nicht, dass wir unseren Gästen eine Erklärung schulden?" Phexian bedachte seine Tochter mit einem kurzen Nicken und hieß sie damit sich ohne weiter zu fragen zu setzen. "Auch wenn sie und Praiomel den zwölfgöttlichen Kirchen dienen, so sind es doch die Götter, die allwissend sind, und nicht ihre Dienerschaft."

Der Baron schnaubte verächtlich, erinnerte sich dann jedoch der guten Sitten und bot den Gästen mit einer Handbewegung Plätze an. "Bruder Praiomel, ich hatte nach seiner Ehrwürden Badilak geschickt und dachte hinreichend dargelegt zu haben, dass die Angelegenheit seiner persönlichen Aufmerksamkeit bedürfe."

Artig neigte der Praiot das Haupt, setzte sich und strich in aller Ruhe sein Gewand glatt, bevor er zu einer Antwort anhob. "Euer Hochgeboren, Seine Ehrwürden befinden sich derzeit in Hexenfeuer, um sich persönlich ein Bild über den Fortgang der Bauarbeiten zu machen. Bitte seid Euch gewiss, dass ich alles, was hier gesagt wird, wie immer getreulich an den Prätor weiterleiten werde. Wenn es Euch beliebt, uns nun darüber in Kenntnis zu setzen, was Euch bedrückt?" Er fing den warnenden Seitenblick Phexians auf, ignorierte diesen aber und sah den Baron weiter fest und herausfordernd an.

"Was mich bedrückt?" Ardos Ausruf war fast ein Schrei. Mühevoll nahm er sich zusammen. "Ein Aufruhr wider die Praios gewollte Ordnung ist im Gange und Ihr fragt mich allen ernstes was ich bedrückt?

"Ardo, mäßige dich! Sie können es noch nicht wissen."

Phexians ruhig eingeworfener Einwand ließ den Baron innehalten. Um Beherrschung bemüht griff er nun doch zu seinem Bier und leerte den Humpen in einem Zug bis zur Hälfte, bevor er ihn wieder absetzte. Sein Gesicht nahm augenblicklich eine deutlich gesündere Farbe an. Von einem Moment auf den nächsten wirkte er fast zerknirscht. "Euer Gnaden Madalieb, Bruder Praiomel, ich entschuldige mich für meinen Tonfall. Er war über die Maßen unangebracht. Doch seid versichert, dass es sich hierbei um Ereignisse handelt, die ich auf das höchste beunruhigend finde und bei denen ich dringend den Rat der zwölfgöttlichen Kirchen erbete."

Madalieb und Praiomel nickten unisono mit den Köpfen und setzten ein identisches mildes Lächeln auf. "Bitte Euer Hochgeboren", nahm die Hesinde-Geweihte den Faden auf, "lasst uns hören, was vorgefallen ist."

Ardo blickte kurz zu seiner Rechten. "Ritter Eldwin, seid so gut und berichtet den Kirchen, was ihr Phexian und mir bereits über die Ereignisse in Eslamsroden gesagt habt.

Der Ritter machte kurz Anstalten sich förmlich zu erheben, beließ es dann aber dabei, der Geweihten und dem Praioten höflich zuzunicken. "Euer Gnaden, Eldwin von Korbronn, zu Euren Diensten. Ich bin heute Morgen aus Eslamsroden heimgekehrt, wohin ich eine Warenlieferung seiner Hochgeboren eskortiert habe. In der Reichsstadt ist ein Aufruhr wider die praiosgefällige Ordnung im Gange! Der Pöbel hat zusammen mit der Stadtwache die Burg des Barons gestürmt, die Wachen verjagd und spricht offen davon, dass die adligen Herrschaften ihnen nichts mehr zu befehlen hätten. Einen garetischen Händler hörte ich rufen, dass in Eslamsgrund bereits der ganze Adel zum Namenlosen gejagt worden sei und es an der Zeit wäre, dass die Eslamsrodener es gleich täten. Der Stadtmeister höchstpersönlich hat die Menge noch aufgestachelt und bei dieser Schandtat angeführt, statt sie zu mäßigen! Als ich mir am Rande der Menge Gehör verschaffen wollte um Ruhe zu gemahnen, wurde ich mit faulem Obst beworfen und konnte dem Mob nur durch die Flucht in den Praios-Tempel entgehen."

Besorgt sah Madalieb ihren Bruder Praiomel an. "Habt Ihr irgendeine Ahnung, was diesen Ausbruch hervorgerufen haben könnte, Ritter Eldwin?" Der Schreiber des Kressenburger Prätors hatte bereits Pergament und Feder zur Hand, um die Aussage des Ritters festzuhalten.

"In der Tat. Als der Aufruhr sich gelegt hatte und ich am Abend wagte den geweihten Boden zu verlassen, fand ich im Dreck vor den Stufen des Praios-Tempels ein Flugblatt. Es hat ziemlich gelitten, aber einige Passagen sind noch lesbar."

Wortlos griff Ardo zur ledernen Bulle vor sich und holte ein stark beschmutztes Pergament daraus hervor, um es der Hesinde-Geweihten zu reichen. "Auch wenn einige Textstellen nicht mehr zu entziffern sind, so geht doch klar daraus hervor, dass die Nandus-Kirche Urheber dieses Machwerks ist. Würdet Ihr mir bitte erklären, was eine der zwölfgöttlichen Kirchen dazu bewegt wider die praiosgefällige Ordnung zu hetzen?" Dem Baron war deutlich anzumerken, dass sein Weltbild in den letzten Stunden gehörig ins Wanken gekommen war.

Madalieb überflog den Text kurz und reichte das Schriftstück dann an Bruder Praiomel weiter. Während er noch las, faltete sie die Hände zu einen kurzem stillen Gebet und blickte den Baron dann erst an. "Ihr habt vollkommen Recht damit, dass dieses Pamphlet von überaus brisanter Natur ist. Wenn im Süden tatsächlich ähnliche Vorfälle im Gange sind, bin ich mir sicher, dass meine Oberen bereits davon wissen. Dennoch werde ich mich mit ihnen in Verbindung setzten und auf meinem Weg nach Dergelstein in Eslamsroden Halt machen, um mir selbst ein Bild von der Lage zu machen."

"Ich werde umgehend Prätor Badilak informieren!" Der sichtlich erblasste Schreiber des Kressenburger Praios-Klosters schob das säuberlich gerollte Pergament zurück in die Bulle und nahm sie an sich. "Darauf muss die Praios-Kirche umgehend reagieren!"

"Gut, so sei es." Ardo nickte grimmig, leerte seinen Krug mit einem zweiten langen Zug und wandte sich dann an seinen Vogt. "Phexian, du wirst eine Protestnote an die Greifin aufsetzen. Das ist ein Angriff auf einen ihrer Vasallen und darf nicht ungeahndet bleiben. Ich werde derweil meine Vasallen und Getreuen zu mir rufen. Eldwin, Ihr reitet nach Hexenhain und bittet Baron Gerbald in meinem Namen um Waffenhilfe. Ich sende zudem Nachricht an meine Bundesbrüder in der Mark. Sie sollen sich darauf vorbereiten mit uns gen Eslamsroden zu reiten sobald die Greifin handeln wird. Bruder Praiomel, ich hoffe darauf, dass Seine Ehrwürden Badilak sich uns anschließt. Die Bürger Eslamsrodens haben meines Schwagers Burg gestürmt und meine Familie beleidigt! Sie haben einen meiner Ritter angegriffen und die praiosgefällige Ordnung in Frage gestellt! Wir werden sie zur Vernunft bringen, wenn es sein muss mit Feuer und Schwert!"

"Bitte bedenkt, Euer Hochgeboren, dass es sich um eine Stadt der Kaiserin handelt," warf der Praiot ein während er sich zum Gehen wandte. "Jeglicher Angriff wäre Hochverrat und kann Euch den Kopf kosten!"

"Ich danke Euch für Eure Sorge, Bruder Praiomel. Seid versichert, dass ich nicht vorhabe sogleich Sturmleitern an die Stadtmauern zu legen." Der Baron lächelte hintersinnig, was nahe legte, dass er diese Möglichkeit trotz seiner Aussage nicht vollends ausschließen wollte. "Aber in Eslamsroden wird Praios' Gesetz mit Füßen getreten. Wir werden zeigen, dass wir dies nicht hinnehmen, damit sich die hochmütigen Bürger Eslamsrodens ihres Platzes in Praios Ordnung besinnen. Greifwin soll seine Leute vor dem Osttor sammeln, der Hundsgraber die seinen im Norden. Hexenhain, Orkenwall, Hesindelburg und Greifenhorst werden von Westen kommen, wir gehen über Quastenbroich und übernehmen das Südtor. Was dann geschieht, soll die Greifin entscheiden." Mit einerm Schlag der flachen Hand auf die Tischplatte beendete er die Diskussion und bedeutete allen sich ihren Aufgaben zu widmen.