Geschichten:Praios' Strahlen

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Stadt Rabicum, Markgräflich Perrinmarsch, Ende Rondra 1046 BF

Erschöpft ließ sich Leysifa von Rabicum auf eine Bank im Salon ihres Hauses fallen. Es war mit Abstand ihr liebster Platz im ganzen Haus, hatte man von hier doch einen herrlichen Blick über die Stadt und konnte bis in die späten Abendstunden noch die Sonne genießen. Die heutige Ratssitzung hatte sie viel Kraft gekostet, wobei ihr schon das Aufstehen heute Morgen schwergefallen war. Sonst schaffte sie es immer mit den ersten Strahlen der Praiosscheibe aufzustehen, doch heute wollte ihr Körper nicht so wie sie.

Sie atmete tief durch, vielleicht würde ihr ja mal etwas Abwechslung guttun. Es war viel Zeit vergangen, seit sie das letzte Mal einen ihrer Onkel, Vettern oder Basen besucht hatte. Was sicher auch daran lag, dass Leysifa sich zusehends schwer tat mit der nebachotischen Art ihrer Familie umzugehen. Ein mattes Lächeln stahl sich auf ihre Mundwinkel als sie erkannte in welchem Dilemma sie stand. Einerseits wollte sie ihre nebachotische Herkunft nicht verleugnen, doch andererseits fühlte sie sich doch jedes Mal, wenn sie bei ihrer Familie weilte, wie ein Fremdkörper. Weshalb die Abstände ihrer Besuche mit der Zeit zunahmen und je länger sie fernblieb, desto fremder fühlte sie sich.

Die Ratsherrin seufzte aus, es half nichts sich in Gedanken zu verlieren. Für den Moment würde sie Praios Licht genießen und ihren Bediensteten dann auftragen alles für eine Reise vorzubereiten. Leysifa wollte erst nach Perringrund reisen, dort ihren Gatten sowie die älteste Tochter treffen und dann weiter nach Schlicken ziehen. Dort würde sie einige Wochen verbleiben. Der Gedanke daran erfüllte sie mit Wärme und Freude. Die Gespräche mit Riman waren doch immer sehr anregend gewesen.

Leysifa legte die Füße hoch und wurde von den Praiosstrahlen umschlossen, mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht schloss sie die Augen und genoss Praios Wärme.

Trenner Perricum.svg


Rukus von Rabicum ging einen Schritt zurück und betrachtete sein Werk. Eine tiefschwarze Boronsborte aus Seide schmückte nun seine Turnierlanze. Unwillkürlich musste er an sein erstes Treffen mit Leysifa denken. Auf einem Ball in der Reichsstadt waren die beiden übereinander gestolpert. Im wahrsten Sinne des Wortes, musste der Ritter lächelnd zugeben. Sie beide hatten in eine andere Richtung geschaut, als in die sie gelaufen waren. Nach einem schmerzhaften Zusammenstoß entwickelte sich ein Gespräch und schließlich tanzten die beiden sogar einen Tanz gemeinsam.

Aus dieser kleinen Unachtsamkeit erwuchs eine Beziehung mit Höhen und Tiefen. Die schlimmste Krise stellte mit Abstand der Tod ihres Erstgeborenen dar. Unbeschreiblich war der Schmerz als die Gewissheit eintrat, dass Asulon an der Gaulsfurt gefallen war. Ebenjene Schlacht, wo auch Rukus kämpfte und lebend wiederkehrte. Wie oft hatte er sich gewünscht, dass Boron sich seiner, statt seines Sohns angenommen hätte.

Bitterkeit stieg in ihm auf. Abermals hatte der Schweigende eine ihm nahestehende Person zu sich geholt. Abermals blieb Rukus zurück, Tränen der Trauer und Verzweiflung stiegen in ihm hoch. Er würde seine Frau schmerzlich vermissen, Trauer übermannte ihn, zwang ihn auf die Knie und stahl ihm die Sicht. Ein letzter Tanz, ein letzter Kuss, was würde der alternde Ritter nicht alles dafür geben?