Geschichten:Nie Wider Fron und Lehen - Unterredungen

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Burg Yossenfels, 7. Travia 1036 BF


Noch am selben Tag der Gefangennahme Thordenins schritt Belgos al´Ceelar die Treppen hinauf und wandte sich zum Gästetrakt, wo die beiden "Gäste" untergebracht wurden. Vor einer Tür, wo zwei bewaffnete Männer Wache hielten, blieb er stehen.

"Öffnet mir die Tür", befahl er, doch der größere der beiden Wächter, er hieß Hane, antwortete: "Tut mir leid, Herr. Ich habe strickte Anweisung keinen durch zu lassen."

Der Südländer blickte ihn einfach nur gelassen an und sagte: "Ich könnte Euch beide in zwei Sekunden umbringen, ohne daß ihr auch nur eine Gelegenheit habt zu reagieren. Ihr werdet röchelnd am Boden liegen und nur noch sehen, wie ich Euch die Schlüssel vom Gürtel nehme, bevor ihr qualvoll sterbt. Deinem Herrn werde ich anschließend berichten, daß ihr den Gefangenen helfen wolltet zu fliehen und ich euch aufgehalten habe." Belgos bezweifelte zwar stark, daß der Yossensteiner das glauben würde – tatsächlich würde er sich wohl selbst im tiefsten Kerker wiederfinden –, aber der Wächter schien es zu glauben. Und das genügte. Er holte die Schlüssel heraus und öffnete die Tür. Belgos schritt hinein.

Die "Gäste" wurden ihrem Stand gemäß untergebracht. Das Gästezimmer war komplett möbiliert und hatte bequeme Betten. Drei Fenster boten nicht nur Zugang zu frischer Luft, sondern gewährten auch eine atemberaubende Aussicht auf die Umgebung. Daß die Gefangenen durch diese Fenster zu fliehen versuchten, konnte man ausschließen: Es gab kaum Griffmöglichkeiten und man war dutzende Schritt über dem Boden. Allenfalls ein Meisterkletterer hätte eine Chance den Abstieg zu überleben.

Thordenin und Walderion befanden sich offenbar gerade in einem Gespräch, bevor Belgos sie unterbrochen hatte. Der Wächter hinter ihm schloss wieder die Tür.

Walderion wirkte als würde ihn die gesamte Situation überfordern und war sichtlich aufgeregt, Thordenin hingegen blieb ruhig. Er wandte sich Belgos zu und wirkte überrascht. “Herr von Alzelar? Ich hätte nicht so bald mit Gesellschaft gerechnet und um ehrlich zu sein schon gar nicht mit der Euren.”

"Ach nein?" Belgos ging zwei Schritte in den Raum hinein und blieb dann dort stehen. "Ich nehme an, ihr habt den Yossensteiner erwartet? Wie auch immer, jetzt bin ich hier. Ihr sagtet Ihr untersuchtet demokratische Umtriebe?" Der Südländer fixierte Thordenin mit seinem Blick und war auf seine Antwort gespannt.

Thordenin stellte fest, daß sein Gegenüber einen südländischen Aktzent hatte. Aber wo er genau herkam, konnte er nicht einordnen.

“Nein, wenn der Yossensteiner hätte reden wollen", sagte er, "würden wir wohl kaum seine ‚Gastfreundschaft‘ in Anspruch nehmen dürfen.“

Thordenin nahm auf einem bequemen Stuhl Platz und deutete auf einen gegenüber liegenden Sessel. Belgos kam der Aufforderung allerdings nicht nach und blieb einfach unbeirrt stehen. Thordenin zuckte mit den Schultern.

„Ja, ich habe den Auftrag festzustellen, was ein Untergebener des Yossensteiners ins alte Druckhaus geführt hat. Außerdem soll ich heraus finden was Ihr mit alldem zu tun habt. Ich denke wir können hier einen gegenseitigen Austausch anstreben. Ihr sagt mir, wer Ihr seid und was Ihr hier macht und ich erzähle Euch was Ihr wissen wollt. Was haltet Ihr davon?“

Belgos sagte nichts. Er versuchte den Adligen einzuschätzen. Schließlich nickte er.

"Ich komme von Eslamsgrund und verfolge einen Flüchtigen namens Marwan Alfessir. Berichten zufolge, soll er in Nimmerjoch gesehen worden sein. Er ist ein Nandus-Geweihter. Was könnt Ihr mir dazu sagen?"

Thordenin stutzte. “Marwan Alfessir? Der Name sagt mir leider nichts. Und Nandus-Geweihte sind in Nimmerjoch nicht sonderlich wohl gelitten, auch wenn der nächste Tempel nicht weit ist. Mein Vater verbietet jeglichen Kontakt mit denen. Die Unruhen in Eslamsgrund tun nun ihr Übriges dazu. Wenn mein Vater eine Möglichkeit sähe dieser Kirche zu schaden, wäre er derjenige der den ersten Streich gegen sie führt.“

Thordenins Tonfall und Haltung, ließen darauf schließen, dass er mit seinem Vater in diesen Punkten nicht komplett einer Meinung war. Dann fuhr Thordenin, eher wissbegierig als misstrauisch, fort: „Ihr erwähntet Berichte die diesen Alfessir gesehen haben sollen. Woher stammen sie? Und wenn Ihr ihn verfolgt, wer schickt Euch?“

Belgos kniff die Augen mißtrauisch zusammen. "Ihr sagt, Ihr kennt ihn nicht?"

"So ist es", antwortete Thordenin und Belgos glaubte ihm. Auch einen Blick auf den jüngeren Walderion, der offenbar nicht recht wußte, was seine Situation mit Nandus-Geweihten zu tun hatte, bestätigte ihm, daß Thordenin die Wahrheit sagte.

"Und was würdet Ihr machen, wenn Ihr ihn habhaft werden könntet?" Belgos versuchte sein Gegenüber einzuschätzen und beobachtete Thordenin genau.

Thordenin wich seinem Blick nicht aus. “Ich weiß nicht, ob ich hier für meinen Vater sprechen kann, aber ich denke, ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, wie er reagieren wird. Wenn er des Geweihten habhaft wird, wird er ihn zunächst festsetzen. Als nächstes folgt eine hochnotpeinliche Befragung durch die Bannstrahler, darauf könnt ihr Gift nehmen. Wenn sich herausstellen sollte, dass er die Bevölkerung Nimmjerochs aufzuhetzen gedenkt, dann wird er kein Sonnenlicht mehr zu sehen bekommen. Andernfalls, würde er ihn an die Kaiserlichen übergeben.”

Belgos schwieg eine Weile. Schließlich sagte er: "Mein Name ist Belgos al´Ceelar." Er betonte seinen Nachnamen, so daß Thordenin, ihn diesmal nicht mehr falsch aussprach. "Und Ihr wolltet wissen für wen ich arbeite? Für die Aufklärungsabteilung im garetsichen Marschallstab. Ich untersuche eine eventuelle Beteiligung von Haffax´ Saboteuren in Eslamsgrund."

Belgos drehte sich um und klopfte an der Tür, damit der Wächter auf der anderen Seite diese wieder öffnete. Doch Thordenin wollte noch eine Antwort: "Wenn Ihr nicht für den Yossensteiner arbeitet, warum helft Ihr ihm dann?"

Der Südländer wandte sich nochmal um, bevor er ging. "Ich helfe ihm nicht", sagte er. "Für den Irrsinn hier ist er ganz allein verantwortlich." Als die Tür zu fiel, sprach Thordenin leise: “Ich wünschte dem wäre so, aber zu einem Streit gehören immer zwei …”

***

Nach seinem Besuch bei Thordenin suchte Belgos zielstrebig den Stall auf. Dort striegelte gerade Lydia die Pferde. Sie war erst erfreut Belgos zu sehen und wollte gerade etwas sagen, als sie seinen finsteren Blick sah.

"Was ist los?", fragte sie, doch Belgos ergriff sie an der Kehle und drückte sie gegen die Wand.

"Du hast mich angelogen!", knurrte er.

"Wie? Nein, ich ..."

Er drückte fester zu und Lydia begann nach Luft zu ringen.

"Du hast gesagt, dass die Nordens den Nandus-Geweihten versteckt halten. Aber ich habe gerade mit diesem Thordenin gesprochen. Und er weiß nichts von einem Geweihten. Und ich glaube ihm."

"Ich ... habe ... nicht ... gelogen", brachte Lydia heraus, bevor Belgos sie schließlich losließ und sie zusammenbrach.

"Ich habe nicht gelogen", wiederholte sie, nun mit festerer Stimme und blickte ihrerseits finster zu ihm hoch, während sie sich den Hals rieb. "Ich habe einen Nandus-Geweihten gesehen." Sie stand wieder auf.

"Und warum weiß dieser Thordenin dann nichts von ihm?"

"Was weiß ich?!", fauchte Lydia. "Ich weiß nur, daß er sich um der alten Druckerei herumgeschlichen ist."

Belgos blickte sie durchdringend an. "Du hast mir gesagt, dass die Nordens ihn in ihrer Burg versteckt halten."

Es dauerte bis Lydia antwortete. "Nun", sagte sie, "das .. ja, verdammt! Da habe ich gelogen. Aber nur weil sie Melchor gefangen genommen haben! Er war für mich immer wie ein Vater gewesen! Im Gegensatz zu meinem echten ...!"

"Du wolltest dich also bei ihnen rächen", stellte Belgos fest. "Ist dir eigentlich klar ...", begann er, brach dann aber ab. Er wollte sagen, dass sie diesen Krieg ausgelöst hatte. Aber ihm wurde klar, dass das nicht einmal der Auslöser war. Auch wenn er die Wahrheit gewusst hätte, es hätte diese Fehde nicht verhindert. Helmbrecht war so versessen auf diese Auseinandersetzung, dass das keinen Unterschied gemacht hätte. Er wollte seine Ländereien zurück und suchte lediglich einen Grund für den Krieg. Und dieser lächerliche Grund war die Gefangennahme Melchor Goldwarts und nicht Lydias Lüge.

Einen Moment! Im Gegensatz zu ihrem richtigen Vater? Sie hat noch nie von ihrem Vater gesprochen.

"Wer ist dein Vater?", fragte Belgos.

Lydia betrachtete ihn zweifelnd, doch dann sagte sie: "Helmbrecht".

Belgos stuzte. "Helmbrecht? Von Yossenstein?!" Sie nickte.

Das erklärte einiges. In der Nähe Nimmerjochs war er auf Lydia getroffen, als er den Geweihten Alfessir verfolgt hatte. Sie hatte ihn so sehr beeindruckt, daß er sie für die Tauristar rekrutieren wollte (die Rekrutierung weiterer Streiter war ein Nebenauftrag Belgos'). Lydia war durchaus interessiert, doch brauchte sie die Erlaubnis des Yossensteiners, in dessen Diensten sie stand. Doch Helmbrecht weigerte sich strickt sie zu entlassen und wollte auch keine Gründe nennen. Belgos war das ein Rätsel gewesen und dachte, daß er ihn nur länger auf der Burg behalten wollte, damit er ihm einen Gefallen erwies, bevor er Lydia frei ließ.

Später ließ Helmbrecht durchblicken, dass er nochmals darüber nachdenken würde, wenn er ihm gegen die Nordens half. Und da Belgos bis dato dachte, dass die Nordens einen flüchtigen Geweihten unterstützten, hatte er auch keine Skrupel zu helfen. Doch jetzt? Jetzt wusste er dass die Nordens nichts mit dem Geweihten zu tun hatten. Und Helmbrecht würde, da war er sich nun sicher, niemals Lydia frei geben: Sie war sein einziges Kind.