Geschichten:Nicht mit leeren Händen - Ihr habt gesprochen, und ...

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Lassans Gedanken rasten. Dann war Elea also mit der Kirche des Phex verbandelt - vermutlich nicht weniger als ihre Tochter Rhodena. Sigman und dieser seiner Ehefrau war es jahrelang untersagt gewesen, sich zu sehen. Hatte er ihr - und mit ihr der Kirche - darum die Münze nicht geben können? Das erschien unwahrscheinlich. Eine Geweihte des Gottes der Heimlichkeit hätte gewiss Mittel und Wege gefunden, eine Übergabe zu organisieren - wenn nicht, das Verbot gänzlich zu umgehen. Was immer es also mit der Münze auf sich hatte, es musste unmittelbar mit der Gesandtschaft zu tun haben. Vielleicht war durch die überraschende Offenbarung Eleas die beste Voraussetzung geschaffen worden, mehr darüber zu erfahren. “Also schön”, sagte der Raulsmärker mit einer Spur Spott in der Stimme. Er verschränkte die Arme vor der schlanken Brust. So konnten sie nicht zittern, als die Spannung aus seinem Körper zu weichen begann. “Was könnte der Adel der Kaisermark von der Phexkirche wollen? Oder was, von all dem, was er will, könnte die Phexkirche ihm gewähren?”, fragte er in die Runde. ‘Was für eine Offenbarung’, dachte sich Sibela, etwas gewagt, aber mit stilvoller Dramaturgie. Dabei ahnte sie, dass die Kirche des Listigen damals nicht einfach ein Verbot ausgesprochen hatte, die Füchse kannten keine Verbote, zumindest nicht solche - wer einen Weg zu ihrem Wissen gefunden hatte, der hatte es auch verdient. Also war es mehr eine Herausforderung als ein Verbot. Und eine solche Herausforderung - im zweideutigen Sinn - sah sie auch hier. Die Ruchin wollte sie testen, aber gleichzeitig stand da auch eine unausgesprochene Provokation im Raum. So hielt sie vorerst die Füße still und beobachtete. Auf die Frage Lassans ging sie vorerst nicht ein, vielmehr als dessen Frage bewog sie was am Tod Sigmans die Ruchin dazu veranlasst hatte sich ihnen derart zu öffnen. Auch der Heiterfelderin merkte man solche Gedanken an, doch fühlte sich diese eher genötigt dem Weyringhauser zu antworten, da sie ihm bedeutend näher stand. Dennoch kam ihr noch keine konkrete Antwort über die Lippen.

Rymiona von Aimar-Gor hatte die Reaktionen der Anwesenden aufmerksam wahrgenommen. Auf einmal sah sie es klar vor Augen. Elea von Ruchin hatte sich offenbart und durch ihre Person hatten sich die funkelnden Sterne des Fuchshaften auf diese erlauchte Gesandtschaft gerichtet. Die Phex-Kirche war also bereit wohlwollend auf den Adel zuzugehen. War dies der ausufernden Fehde geschuldet? Oder gab es andere Gründe, warum die Kirche des Schattenhaften ihr Augenmerk wieder auf den durch das Verbot der Nandus-Kirche geschassten Adel lengte? Die Antwort war für die Reichsedle nicht von Belang, sondern vielmehr, was daraus nun folgte. Das, worum es sich hier drehte war das Verbot der Nandus-Kirche. Rymiona, ganz Edeldame mit ausgeprägten Standesbewusstsein, hegte im Gegensatz zu der Familie Weyringhaus nicht viel Sympathie für die Nanduriaten - sie waren der Staatsräson wenig zuträglich. Die Herrin Hesinde aber galt ihr und ihrem Haus viel, wie auch ihren Verbündeten, die anderen altaranischen Familien in Perricum, viel an Herrn Phex lag. Der Verfolgung von Philosophen und Gelehrten konnte die Aimar-Gor nichts abgewinnen. Im nunmehr heimischen Perricum förderte ihr Haus nicht wenige von ihnen. Sicherlich ließe sich hier also eine Übereinkunft finden. Doch eins war für die alternde Edeldame klar: Sie würde hier nicht in erster Linie für die Kaisermark als Ganzes verhandeln, sondern zuvorderst für ihr Haus und den gerade gedeihenden Bund der vier Eichen. So begann die Aimar-Gor nicht wenig kryptisch, als sie ihre Stimme erhob.

“So die vier Eichen gen Sternenhimmel empor wachsen und gedeihen, wird Phexens Gestirn hell erleuchten am Firmament und der Eichen lange Schatten wird gewähren Schutz den Schutzbedürftigen.”

Rymiona war sehr wohl bewusst, was sie offerierte und auch was sie dafür verlangte. Zum ersten Mal in dieser gruftähnlichen Szenerie nahm die Aranierin Blickkontakt zu den anderen Damen auf. Die altaranische Grandessa hatte den Reigen nun eröffnet und Sibela und die Heiterfelder Rimiona nahmen deren flüchtgen Blick dankend auf. Erstere nickte beinahe unmerklich leicht, während zweitere deutlicher bekräftigte und eher beiläufig - noch versuchend einen letzten, gewissen Anstand zu wahren - verlauten ließ: “In diesem Sinne - ich spreche hier ebenso für den Orden des Sturmflugs, wir haben Privilegien entlang gewisser Routen, die wir geschworen haben zu schützen, dies WÄRE ein weiterer Pfand.” Die Heiterfelderin hatte ebenfalls nur wenig zu schaffen mit den Nanduriaten und ihr lagen andere Göttinnen näher als Hesinde oder Phex, doch sicherlich könnten die Phexdienerinnen (und ihre wieder weiter geöffneten Tempel) dem Vorhaben des Bundes und ebenso der Kaisermark sicherlich dienlich sein. Vorstellbar war bei so einem Zugeständnis vieles, dachte sich auch Sibela. Sie war weit gereist und schätze die Kirchen der Hesinde, des Phex und auch des Nandus, obwohl letztere auch lästige Querulanten sein konnten. Auch sie trat etwas weiter hervor, die Macht der Phexkirche durfte man nicht unterschätzen, gerade, wenn offensichtlich eine der ihren die garetische Zahlmeisterin stellte. Diese fasste sie ins Auge, nach einem kurzen Blick auf den toten Sigman: “Ich schließe mich meinen Vorrednerinnen an. Wir sind hier einen traurigen und schweren Weg gegangen, dieser muss an dieser Stelle nicht zu Ende sein. So wie wir Sigman von Weyringhausen vor der Königin und Kaiserin als auch seine Delegation vertreten haben, könnte auch hier der Weg gemeinsam fortgeführt werden.” Sie sprach vage, denn letztlich tat sie dies aus nur aus einer Vermutung heraus.

“Der Herr unseres Hauses war nie ein Freund des Verbots”, sagte Lassan - etwas langsamer als sonst, weil er jedes Wort abwog. “Und sein Erbe, mein Bruder, hielt einen der Schlüssel zu Euren Toren in der Hand.” Er blickte kurz auf seine eigene Rechte. “Eine solche Hand kann auch ich anbieten”, fuhr er fort. “Dazu ein scharfes Ohr und einen verschwiegenen Mund. Wenn die Kirchen von Nandus oder Phex ihre Worte aus dem Innern ihrer Tore zu den Großen des Königreichs bringen wollen, so biete ich an, sie weiterzutragen - in ihrem Sinne, oder auch im verschlossenen Umschlag. Dies Angebot gilt nicht”, und hier wurde seine Stimme wieder eine Spur lauter “und es endet, wenn List und Klugheit sich gegen unser Haus oder die Königin und Kaiserin richten.”

Ein Botendienst mochte auf den ersten Blick nicht besonders großzügig erscheinen. Aber offensichtlich hatte Sigman eine ähnliche Funktion erfüllt und Lassan rechnete darauf, dass einige Aspekte das Angebot für die Kirchen aufwerten konnten: Er war ohnehin ständig - und oft schnell - zwischen dem Tross, den Pfalzen und Gareth unterwegs, so dass sein Auftauchen nie überraschend und seine Wege schwer nachzuvollziehen sein würden; er war diplomatischen Verkehr gewöhnt und wusste, zwischen den Zeilen zu lesen und zu schreiben; er genoss einen tadellosen Ruf und war von gewinnendem Wesen.

Vielleicht waren es ähnliche Überlegungen gewesen, aus denen Elea seine Nähe gesucht und eine Vertraulichkeit aufgebaut hatte. Jedenfalls konnte er nicht leugnen, dass die Entwicklung des heutigen Abends auch bei ihm eine gewisse Neugier geweckt hatte. Absichtlich hatte er darum seinen Lehnsherrn und den Adel des Königreichs in seiner Ausnahmeklausel nicht erwähnt. Weiter konnte er nicht gehen. Sibela runzelte leicht die Stirn, sie dachte eben ähnliches angeboten zu haben. Aber was sollte es, schließlich kam sie aber noch zu einer Kernfrage - verpackt in einer Aussage: “Der Fuchs gibt nichts ohne Gegenleistung, so auch wir nicht. Wollen wir doch mal sehen, was wir geboten bekommen.

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Es war nur ein Wispern - kaum zu erkennen, ob da eine Frau sprach, ein Mann oder ein Kind. Die geflüsterten Silben wurden von den Wänden des Gewölbes zurückgeworfen und verstärkt; sie schienen von überallher zugleich zu kommen, der eigentliche Quell war nicht mehr auszumachen.

“Ihr habt gesprochen”, sagte die Stimme, “und der Fuchs hat es gehört.”