Geschichten:Nicht mit leeren Händen - Erleuchtung im Mondlicht

Aus GaretienWiki
Version vom 24. August 2021, 19:35 Uhr von Bega (D | B)
(U) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (U) | Nächstjüngere Version → (U)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Sigman von Weyringhaus lag still auf dem Boden. Er hatte mit dem Leben abgeschlossen. Zum ersten Mal, als er in der Schlacht in den Wolken schwer verwundet auf den Stufen des Hesindetempels zusammenbrach und nur durch geweihten Beistand gerettet werden konnte. Zum zweiten Mal, als er gefangen im Kellerloch bei Parinor von Borstenfeld lag, mit einem blutigen Stumpf, wo seine Hand gewesen war, dahindämmernd im Wundfieber. Und nun … Golgaris Krallen würden ihn nicht ein drittes Mal verfehlen. Der Erbe der Raulsmark würde vor seinem Vater sterben.

Er lag auf dem Rücken, seine Augen dem Nachthimmel zugewandt. Ohne den Kopf zu bewegen, ließ er den Blick schweifen, bis er den Mond sehen konnte. Ganz langsam entspannten sich seine Gesichtszüge. War es gar ein sanftes Lächeln?

Einige Herzschläge später weiteten sich seine Augen, als habe er etwas Überraschendes gesehen oder etwas Erstaunliches gehört. Mit der rechten Hand, die er kaum noch heben konnte, winkte er Leibdiener und Gardisten näher zu sich heran. “Still!”, zischte die Soldatin den anderen beiden zu. “Er will noch etwas sagen.” Einträchtig beugten sie ihre Köpfe zu seinem Mund. Mucksmäuschenstill verharrten sie, lauschten auf die gewisperten Worte.

“Gewiss, Euer Edelwohlgeboren”, sagte dann sein Leibdiener mit mühsam beherrschter Stimme. “Das werden wir selbstverst- “ “Er kann dich nicht mehr hören”, unterbrach ihn die Soldatin. Ihr Kamerad legte seine Hand auf das Gesicht des Raulsmärkers, um seine Augen zu schließen.

Ein angenehmer Augenblick war dies gewiss nicht, Sibela war nicht hartherzig oder grausam, sie war pragmatisch, realistisch und dachte politisch. Weshalb sie nach der Ergriffenheit auch die Neugier packte, was der Weyringhauser seinen Dienern noch zugehaucht hatte. Als dessen und das Gefolge von Sibela und Leonore den Leichnam hochgezogen hatten und er am nassglitschigen Wegesrand lag, kniete die Pfiffenstockerin sich neben ihn. “Welch eine Tragödie, mögt Ihr dort einkehren, wo Ihr die Euren findet, Sigman von Weyringhaus”, dieser Teil war wahrhaftig und voller Beileid gesprochen. “Wir werden Euer Ansinnen, Eure Worte und Euer Andenken mit in die Gespräche nehmen, dessen Pfad dorthin Euch Euer Leben kostete. Es soll nicht umsonst geschehen sein.” Dieser Teil war in seinem Grundgerüst auch ehrlich gewesen, doch verbargen die Worte auch das dahinterliegende. Sigmans Dienerschaft zugewandt, flüsterte Sibela dann möglichst pietätvoll. “Wir sollten ihn schnellstmöglich ins Trockene bringen, der Schlamm und Regen kommt seiner Würde nicht gleich. Und dann werden wir…” - sie deutete auf Leonore und sich - “ihn ehren und unser wichtiges Unterfangen zu Ende bringen. So hätte er es sicherlich gewollt.” Sie tat als wollte sich bereits abwenden, doch beinahe beiläufig fügte sie hinzu: “Können uns seine letzten Worte vielleicht dabei helfen?”

Der Leibdiener und die beiden Soldaten tauschten einen Blick. Offenbar hatten sie sich während der Bergung des Leichnams schon ausgetauscht, ob sie alle in dem Wispern dasselbe verstanden hatten. “Eines ist sicher”, sagte die Gardistin, “wir werden ihn bis an sein Ziel eskortieren. ‘Bringt mich zum Kaiserhof’, das haben wir alle drei noch deutlich vernommen.”

Wenn jemand aus dem Leben schied, egal ob jung oder alt, immer ein düsteres Erlebnis. Es mochte der natürliche Lauf der Dinge sehen, doch war soeben ein Leben erloschen. Ein Licht war erloschen, dass Menschen Orientierung gewesen war und ihnen Wärme gespendet hatte. “Dann sollten wir ihm diesen letzten Wunsch nicht verwehren”, erwiderte die Vairningen. Stoisch wahrte sie dabei ihre Haltung, obwohl ihr Gesicht beim Anblick des Verschiedenen deutlich an Farbe verloren hatte.