Geschichten:Nicht mit leeren Händen - Prolog II

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Im Hof der Villa Geldana zu Neu-Gareth, am Vormittag des 12. Hesinde 1043 BF:

„Da ist er nun aufgebrochen, mein Sohn“, seufzte Burggraf Oldebor schicksalsergeben. „Mögen die Götter geben, dass diese Mission Erfolg hat. Wenn doch nur die Kaiserin diesem unseligen Treiben Einhalt gebieten würde ...“ – „Das ist, mit Verlaub, ein recht unerfüllbarer Wunsch, Euer Edelhochgeboren“, gab sein Secretarius Friedwart Wiesenbach zu bedenken. „Offenbar ist es der Wille der Herrin Rondra, dass diese Fehde einen ganzen Götterlauf währen soll. Dem kann sich auch die Kaiserin nicht entgegenstellen.“ – „Vielleicht kann sie wenigstens die übelsten Auswüchse eindämmen. Die Fehde auf ihren Kern beschränken – es scheint doch, als würden gerade allerorten uralte, längst vergessene Streitigkeiten wieder ausgegraben und jede noch so nebensächliche Rechnung beglichen.“ – „Ich fürchte, genau das ist der Kern dieser Fehde, Euer Edelhochgeboren.“

Der Burggraf schwieg bedrückt, sacht mit dem Kopf schüttelnd. „Ich bin müde, Meister Wiesenbach“, sprach er nach langem Sinnieren. „Ich bin es müde“, fügte er hinzu. „Seit fünfzig Götterläufen habe ich dieses Amt jetzt inne. Was in dieser Zeit passierte, würde für drei Leben reichen. Es gab Bedrohungen, die dieses Reich an den Rand der Zerstörung brachten – erst die Oger, dann der Schwarzpelz, zuletzt der Sphärenschänder und hinterdrein noch seine Gefolgsleute. Dieses Land liegt in Trümmern, in rauchenden, schwelenden Trümmern – und was tun diejenigen, die von Praios dazu berufen sind, das Land zu hüten und die Menschen darin zu führen? Sie schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, weil man der Nachbarin ihr Trümmerstück neidet. So vergeuden sie ihre Kräfte, obwohl wir uns doch für ganz andere Gefahren wappnen müssten. Ich …“, der Burggraf brach seine Rede ab, die er offenkundig noch länger hätte fortführen können. Nach einem tiefen Atemzug wiederholte er schlicht: „Ich bin müde.“

Friedwart Wiesenbach schwieg. Er wusste darauf nichts zu sagen, nichts zu erwidern. Gut zehn Jahre war es her, dass Burggraf Oldebor nach der Schlacht in den Wolken, nach der Zerstörung der Stadt des Lichts und der halben Kaiserstadt mit „den guten alten Zeiten“ abgeschlossen hatte – und sich daraufhin daran machen wollte, nun die neuen Zeiten ebenfalls zu guten zu machen. Dieser Elan schien nun aufgebraucht. In das brütende Schweigen hinein sprach am Ende doch wieder das Oberhaupt der Familie Weyringhaus:

„Sagt einmal, Meister Wiesenbach … wenn ich mein Amt in die Hände meines Sohnes lege – werdet Ihr ihm genauso treu, gewissenhaft und weise zur Seite stehen wie mir?“ Nun schaute der Secretarius doch etwas überrascht drein, doch seine Miene wandelte sich bald ins Sorgenvolle. „Bei allem Dank für das Lob, das aus diesen Worten spricht, Euer Edelhochgeboren – ich muss doch zu bedenken geben, dass ich fünf Götterläufe älter bin als Ihr. Und ich habe die Hälfte meines Lebens in Euren Diensten verbracht. Wenn sich also einer von uns beiden Gedanken über einen Abschluss machen sollte, dann – mit Verlaub – bin das wohl ich.“ Nun blickte der Burggraf betroffen, nickte dann aber mit nachdenklichem Gesicht. „Ich habe immer gesagt, dass Eure treuen Dienste angemessen belohnt werden sollen. Dann ist es nun wohl bald an der Zeit dafür. Sobald Sigman von dieser Reise zurückkehrt, werden wir gemeinsam beratschlagen, wie es weitergeht.“

Die beiden Männer, nebeneinander und zusammen alt und grau geworden, schauten die Straße hinunter. Dorthin war der Erbe der Raulsmark geritten. Von dort würde er bald zurückkehren.