Geschichten:Nicht auch noch Nahila

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Baronie Herdentor, Junkertum Lichtenwald, Anfang Phex 1043 BF

'Immär diesä Briefä.', fluchte Baram von Pfiffenstock innerlich. Nicht einmal hatte ihn Oberhaupt Selo persönlich besucht oder zumindest einen Krieger in direkter Botschaft übersandt. Diesem Mann war auch nichts der alten Bräuche heilig - Baram schüttelte den Kopf und umspielte mit seiner Zunge seine charakteristischen Eckzähne, ein Tick, den er sich angewöhnt hatte, wenn ihn etwas dauerte. Und solcher Dinge gab es nicht wenige in den letzten Jahren - Geschwisterkrieg der Nebachoten, die Tode der Großen Raul, Simold und Eslam, Haffax, die Entrückung des Sonnenbarons Martok, die Aranierinnen und Raulschen die sich ganz plötzlich hier aufspielten und zuletzt die furchtbaren Tode Martoks' Erben - das blutige Sebarin, so flüsterte es - hatte zugeschlagen, war Martoks Linie hierdurch erloschen? Auch hier gab es etliche Gerüchte und erste Legendenbildungen. Und er war verdammt hier zu sitzen - völlig isoliert, hin und her gerissen zwischen seinem Lehnsschwur an den toten Rumpf der Brendiltals, der Abneigung gegen die raulsche Bande die sich nach und nach den Rossthron zu eigen machten und seiner Familie, die ebenfalls in angespannter Haltung zu den beiden alten Landen der Brendiltaler standen. Und die obendrein auch noch von diesem Gockel geführt wurden - wie immer dies auch schaffte - während seine Gattin in Haselhain selbst die Zügel in die Hand nahm. Welch ein Bruch - der Al'Haresh hatte Recht gehabt, als er während des Geschwisterkriegs von einer neuen Zeit sprach - diese Zeit gefiel Baram nicht. Und nun obendrein dieser Brief - er hatte ihn noch nicht beenden können, so erbost war er nach den ersten Zeilen. Dieser Witz von einem Oberhaupt verlangte nach seiner Tochter, sie sollte Teil seines absurden Spiels sein. Selo von Pfiffenstock, selbst in der Kindheit seiner Familie entrissen, zerpflückte zusehends die Familie in Perricum, machte sie stumm oder schickte sie fort in ferne Länder. Baram fragte sich ob zwischen dem eigenen Schicksal Selos dessen Verhalten ein Zusammenhang bestand. Nun sollte es seine Nahila treffen, dieses sanfte Ding. Das Oberhaupt hatte etwas von einer vom Ende der zentralen Fehde, einer Vetterin namens Sibela, einer garetischen Baronie namens Vierok und guten Aussichten geschrieben. Das Geschwurbel des Gockels verstand Baram ohnehin schon nicht, noch dazu wenn er wütend wurde. Aus Frust stürzte er sich einen Becher Wein hinunter und kleckerte dabei großzügig auf den Schrieb, den er vor sich auf den Boden geworfen hatte. Als ihm dadurch eine Zeile ins Auge fiel, die er noch nicht gelesen hatte. Anscheinend wusste Selo - der im fernen Garetien sein Unwesen trieb - sehr gut Bescheid über die undurchsichtigen Verhältnisse in Herdentor und Sebarin. Und er betonte auch welche Gefahr von solch einer Umgebung und Gemengenlange für treue Gefolgsleute der Alten Tage ausging - "...insbesondere für deren Kinder." Eine Anspielung die ihr Ziel nicht verfehlte. Baram kam ins Grübeln. Er wusste nicht wie lange er sich hier noch einer Position entziehen konnte, zudem ihn die Sorge um seine Familie hier hemmte. Und als hätte Selo im Vorhinein diese Gedanken voraus geahnt, fuhr er im Brief fort, dass für die sanfte Nahila in diesem Vierok sogar Aufgabe und Land warten könnten welches ihrem Wesen entspräche und das sie hier sicherlich ihren Bruder an der Seite gebrauchen würde - "als SICHEREN HAFEN". Baram verstand - trotz des Geschwafels und seiner Skepsis dem Oberhaupt gegenüber. Selo bot ihm und seinen Kindern hier eine Chance - sicherlich nicht umsonst, aber seine Tochter Nahila und sein Erbe Wesir würden fern ab von Lichtenwald eigene Pfründe gewinnen und - das war das Wichtigste - in Garetien - ob ihrer Unbekanntheit - sicher sein können. Er hätte somit die Freiheiten sich hier zu positionieren. Was hoffentlich für mehr Ruhe und Klarheit sorgen würde, so dass sein Erbe in ein bereitetes Junkertum zurückkehren könnte, wenn es soweit war. Er wurde zwar dass seine Oberhaupt dies sehr entgegenkommen würde, aber das sollte ihn nicht stören. Endlich könnte er hier Gesicht und Stärke zeigen - ob er damit dem Gockel in die Hände spielte war ihm gleich.

Und so verließen mehrere Krieger mit Botschaften Burg Lichtenwall, während dort erste Vorkehrungen getroffen wurden. Noch bis tief in die Nach konnten die Diener des Junkers das leise Schluchzen und das laute Fluchen der Kinder Barams auf ihren Gemächern vernehmen.