Geschichten:Natzungen im Frühjahr - 2. Hesindestunde

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Baronie Natzungen, 13. Tsa 1030 BF


Mit Handzeichen gab Raul Anweisungen an die Männer. Geschockt schauten die Soldaten auf die Tür. Erneut klopfte es stark. Tanira zog ihr Schwert und schaute in die entschlossenen Gesichter der Männer und Frauen um sie. Sie fühlte, dass diese Männer und Frauen bereit waren, sie mit ihren Leben zu verteidigen.

Als auf sein erneutes Klopfen niemand antwortete, winkte Hauptmann Jost einen seiner Männer herbei und zischte ihm entgegen: „Aufbrechen!“ Der Mann trat mit einer schweren Axt an die Tür und hieb auf sie ein. Nach zwei weiteren Hieben sprang die Tür auf. Hauptmann Jost schaute durch die Tür- „Und das soll alles sein?“ fragte er den Soldaten Stordan.

„Und was gedenkt die lebendige Aldare von Natzungen nun zu tun?“ sprach Hadrumir sarkastisch. „Ihr habt den Frieden der Stadt Natzungen und der Baronie Natzungen gefährdet. Daher werde ich Euch vor dem Reichsgericht anklagen – Euch und Bodebert von Windischgrütz.“ Hadrumir musste sich gerade ein Lachen verkneifen. „Mit welcher Begründung?“ fragte er belustigt. „Nun, Euch, wegen räuberischer Erpressung, Friedensbruch, Raubrittertum und Totschlags! Den Windischgrütz wohl nur wegen Friedensbruch, Raubrittertum und Totschlag!“

Die Brandwehr betrat den kleinen Raum des Versteckes. Hauptmann Raul fluchte. „Bei Alverans Mauern, Korporal Karstrand!“ Raul winkte nach dem Feldscher und ließ sofort einen Tisch frei räumen. Der Brandherr Melcher Krambusch schaute Tanira schuldbewusst an. „Euer Hochgeboren, verzeiht, dass ich Euch im Ratssaal nicht beistand.“

Ludegar schaute entgeistert auf den toten Körper. Er hatte schon an Kämpfen teilgenommen, aber immer nur als Gehilfe. Jetzt hatte er selber den tödlichen Streich ausgeführt. Die Erkenntnis, dass das Töten eines Menschen sich als einfacher erwies, als dies in allen Unterrichtsstunden vorher dargestellt wurde, machte seine Glieder schwer.

„Das ist lachhaft!“ sprach Hadrumir ruhig. „Und das wisst Ihr, Aldare!“ „Lachhaft?“ frage Aldare zurück. „Ich denke nicht!“ Sie wirkte ruhig und gelassen. „Allerdings habe ich Euch einen anderen Vorschlag zu machen. Ich werde Euch nicht anklagen, wenn Ihr die Orbetreuer Schwingen unter mein Kommando stellt. Wegen mir könnt Ihr Tanira als Gemahlin behalten. Ich hatte zwar andere Pläne für sie, aber sei es drum.“ Hadrumir antwortete ohne zu zögern: „Vergesst diesen Plan!“ Aldare sprang auf. „Ich gebe Euch die Möglichkeit, Eure Fehler wieder gut zu machen und Ihr schmeißt sie so einfach weg?“ „Welche Fehler?“ fragte Hadrumir zurück. Aldare wirkte zornig, was Hadrumir wenig störte. „Wenn Ihr die Handlungen hier in Natzungen meint, so muss ich Euch enttäuschen. Das waren keine Fehler!“ „Diese Entscheidung wirst Du noch bereuen!“ rief Aldare und verlies die Zelle wutschnaubend.

„Seid Ihr nur hergekommen, um mir dies zu sagen?“ fragte Tanira eine Spur schärfer als sie es beabsichtigt hatte. „Nein, natürlich nicht, Hochgeboren“, sprach der Brandherr. „Wir fanden den Soldaten in den Straßen.“ Krambusch seufzte. „Und ich bin der Überzeugung, dass Euer Anspruch auf Natzungen Recht ist. Am heutigen Tage habe ich mit dem Stadtvogt gesprochen und ich gehe davon aus, dass er hier ein Spiel spielt, dessen Regeln sich mir noch verschließen.“

„Ludegar?“ fragte Alinde. Ludegar durchfuhr ein Ruck. Er schaute Alinde an und schlagartig wurde ihm klar, dass er sich zusammenreißen musste. Er sprach ruhig. „Komm, wir müssen weiter!“ Er war sich sicher, dass sie den Stall erreichen konnten.

Aldare schaute sich um. „Soldat, Bericht!“ forderte sie einen der Wachhabenden auf. „Der Stadtvogt hat sich zur Burg begeben, Euer Hochgeboren! Hauptmann Jost ist mit den Soldaten des Schwingenfelsers beschäftigt.“ „Wo ist meine Kusine?“ „Das wissen wir noch nicht! Aber wir haben die Stadttore in unserer Hand! Die Usurpatorin kann nicht entkommen!“ Aldare nickte. „Gut, begleitet mich zur Burg!“

„Euer Wohlgeboren?“ Eberhelm schaute auf. „Was gibt es?“ „Das Pferd Eurer Tochter wurde hierher gebracht. Der Überbringer wünscht eine dringende Unterredung mit Euch.“ Eberhelm richtete sich auf. „Führ ihn herein!“ Eberhelm wartete ungeduldig. Man führte einen schmierigen, gedrungenen Mann herein. „Die Zwölfe mit Euch!“ sprach Eberhelm. Sein Gegenüber sprach leise. „Die Zwölfe auch mit Euch, Eberhelm Geismar von Greyfentrutz! Ich habe eine Nachricht für Euch!“ „Lasst hören!“ „Eure Tochter befindet sich in der Gewalt meines Herren. Als Beweis für meine Ausführungen liefere ich Euch Pferd, Schwert und Wappenrock Edelgundes.“ Er schmiss das Schwert und den Wappenrock vor die Füße Eberhelm. „Wenn Ihr sie lebend wieder sehen wollt, dann werdet Ihr das tun, was ich von Euch verlange. Solltet Ihr mich töten, so seid versichert, dass Eure Tochter einen langen und vor allem qualvollen Tod vor sich hat.“ Eberhelm baute sich vor seinem Gegenüber auf. „Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt, in meine Burg zu kommen und mir Forderungen zu stellen.“ „Mein Name spielt keine Rolle. Ihr könnt mich aber Reto nennen!“ Eberhelm versuchte sich zu fassen. Die Tatsache, dass dieser ’Reto’ Pferd, Schwert und Wappenrock seiner Tochter in Besitz hatte, unterstrich die Behauptung. „Wer ist Euer Herr?“ fragte Eberhelm, um einen klaren Gedanken zu fassen. „Das brauch Euch nicht zu interessieren!“ „Und was verlangt man von mir?“ „Ihr sollt noch heute Tanira von Natzungen töten!“

Elli gackerte laut, als der Neue schließlich von ihr abließ und sie müde auf ihre Stange flatterte um dort zum Klang des Gonges zur Firunstunde den Kopf unter den Flügel zu stecken.