Geschichten:Moderne Zeiten - Erhoben nur, was erniedrigt ward

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Danos der Ritterliche schritt gemessen die Reichsstraße hinan zur Mauern der Stadt Luring. Oben auf den Zinnen standen die Bürger der Stadt, die Büttel und Söldner, der Rat und all die Leute. Nicht wenige hatten Armbrüste und Bögen. Sie schauten hinab zu dem einzelnen Mann, dem in langer Kolonne seine Vasallen folgten – abgesattelt, doch in Rüstung. Abwartend. Auf der Plattform des Rubrether Tors entbrannte ein Streit im Rat der Stadt.

»Das ist die Gelegenheit! Der beste Schütze soll ihm einen Bolzen schicken!«, frohlockte Ratsherrin Jermorane Austernthal.

»Seid Ihr von Sinnen, Frau? Wir können doch den Grafen nicht abschießen wie eine Ricke!«, widersprach Angrete Londricht.

»Zumal er unbewaffnet ist«, gab Reichsrat Egilmar Berdis hinzu.

»Was nun? Er ist auf Schussweite heran. Wollen wir verhandeln?« Die letzten Worte aber gingen unter in ohrenbetäubenden Lärm. Auch, was Helmbrecht Zwölfhufer flüsterte, hörte niemand mehr: »Er hat gewonnen«. Denn als Graf Danos heran war, breitete er die Arme aus, als wollte er die ganze Stadt umarmen, und rief: »Meine Luringer …« Und da jubelten die Leute und begrüßten ihn: »Ritter Danos« und »Graf Danos«. Auf einmal waren Hacken, Schaufeln, Flaschenzüge da. Und während das Rubrether Tor aufflog und die Bürger hinausströmten, begannen andere, die Stadtmauern einzureißen genau dort, wo der Graf es befohlen hatte.

Die Menge strömt heraus, doch teilte sie sich, wo Graf Danos schritt. Er lächelte breit und leutselig und grüßte rechts und links, als wäre er zu Besuch und nur kurz weggewesen.

Der Rat der Stadt aber eilte auf den Quelbansplatz vor dem Rathaus und auf dessen Treppe. Hauptmann Heckner hatte hier die Stadtgarde versammelt, die einen Kordon um den Rat bildete. Nicht alle der hohen Herrschaften wirkten noch ehrwürdig; ganz im Gegenteil.

Der Jubel brandete in die Stadt hinein, die Menge bewegte sich zum Rathaus – und viele waren darunter, die sich insgeheim darauf freuten, was nun kommen mochte. Manche stellten sich vor, wie der fette Kesselstein in Eisen gelegt wurde, die Berdis den Schandkragen anprobieren mussten, die unbeliebte Austernthal gepeitscht würde. Wer weiß – vielleicht brauchte man gleich ein paar Galgen?

Die Menge drängte sich dicht auf dem Marktplatz, die Stimmung war erhitzt, die Menschen mühten sich zu schauen. Auf den Rathaustreppen stand die Stadtgarde gegen die Massen, die Piken quer gelegt, dahinter der Stadtrat, die Austernthal keifend, der alte Berdis resignierend.

Da teilte sich die Menge, und Graf Danos schritt auf den Rat der Stadt zu, gefolgt von Bürgern, Rittern und seinen Kindern, die Grandolinde am Zügel führten.

Als der Graf an den Fuß der Treppe trat, gab die Garde den Weg frei, und ein par Stufen später stand Danos von Luring vor dem Rat der Reichsstadt Luring. Das Lächeln war aus seinen Zügen gewichen. Hart mahlten seine Kiefer, sein Blick war kalt.

Trotzig blickten ihn die Mitglieder des Rates an, Egilmar reckte das Kinn vor. Da wies der Graf wortlos auf die Steinplatten vor sich. Und als Erster beugte der alte Berdis das Knie, Zwölfhuber folgte, dann die anderen. Als Letzter ging Reichsvogt Egilmar auf die Knie.

»Die Stadt Luring hat ihren Grafen willkommen geheißen. Wohlan. Und der Rat der Stadt erweist seinem Herrn die Ehre. Bürger von Luring! Dieser Tag sieht einen glücklichen Grafen und einen unglücklichen Stadtrat. Drum soll jener nicht mehr sein. Bürger von Luring. Nach alter Väter und Mütter Sitte sollt Ihr Euren Rat neu wählen – vor der Zeit. Und Euren Stadtmeister. Ich erwarte Eure Wahl, auf dass ich sie Euch bestätige. Nun teilt aus dass Brot und lasst uns speisen: Wir wollen morgen Turnier feiern und heute die Vesper!«

Die Bürger trugen des Grafen Worte bis an den Rand des Platzes und drüber hinaus und jubelten erneut. Graf Danos aber winkte den jungen Berdis zu sich, der sich erheben wollte. Da aber war der lange Odo heran und zischte: »Auf Knien!« Der Graf erwarte den ehemaligen Reichsvogt mit kalter Ruhe und sprach mit Eis in der Stimme: »Du bist nicht länger Luring, Mann. Wehe, du wagst es, unseren Namen wieder zu verwenden. Ich leide um meines Vaters und deiner Mutter willen, Aber du hast dich des Namens nicht würdig erwiesen. Zur Stunde noch wirst du zur Kaiserin aufbrechen und ihr meine Zeitung bringen. Dann mach, was du willst.«

Auf Grandolinde verließ Graf Danos sein Luring wieder und passierte noch einmal die Schar seiner Vasallen, die unter dem Zeichen seines Banners in Feld gezogen waren und sahen, wie Ritter Danos eine Stadt alleine einnahm.