Geschichten:Mobilmachung in der Mark Greifenfurt - Stunde der Entscheidungen

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Greifenfurt

"Ich denke, wir haben euch verstanden, Herr Tyrian!" Reto von Schattenstein blickt den Baron scharf an. Der Baron von Zalgo verneigte sich höflich in Richtung des Heermeisters und nahm, nicht unzufrieden, wieder Platz.

Adran von Schmalfurt, Sohn des Barons zu Nardesfeld, erhob das Wort: "Der Ork mag fort scheinen! Seine Truppen mögen geschwächt sein und es mag schon seit Wochen nichts mehr von ihnen zu sehen sein! Aber vergeßt eines nicht:

Die Orks verhalten sich ruhig gegen uns, weil sie wissen, daß es die Wacht am Finsterkamm gibt! Sie wissen, solange wir Wacht halten wird ihnen bei einem Angriff nur eine weitere verlustreiche Schlacht bevorstehen.

Aber meldet nur einer ihrer Späher, daß wir die Wacht vernachlässigen, gelangt nur einer zurück ins Orkland und berichtet solches, werden sie nicht zögern gegen uns zu marschieren und schneller hier sein, als der Wind ein welkes Blatt vom Baum weht! SIE werden kommen!", sagte er noch mal mit Nachdruck. Dann senkte er die Stimme etwas und sprach: "Und wenn wir ihnen nichts entgegenzusetzen haben, wird Greifenfurt ein weiteres Mal belagert werden. Nur das diesmal möglicherweise kein Entsatz kommt!" Adran trat wieder zurück und ließ seine Worte wirken.

Nach einem Augenblick der Stille räusperte sich der neue Baron von Orkenwall kurz und trat dabei vor: "Den Worten des Herrn Adran kann ich mich nur anschließen. Und diejenigen unter uns, die noch immer an der Sinnhaftigkeit der weiteren Wacht zweifeln sollten, will ich daran erinnern, daß Garafan selbst uns Wachsamkeit befohlen hat"

Nun erhob auch der Junker Helmbrecht von Boronshof seine Stimme und die Röte seines Gesichts war wohl nicht allein auf das Feuer des gereichten Weins zurückzuführen: "Auch ich stimme euch zu, Herr von Schmalfurt. Der Ork ist noch hinterhältiger geworden seit wir ihn vor zwölf Jahren aus unseren Landen geworfen haben. Er steckt jetzt in seinen Löchern und lauert wie ein Aasfresser darauf, daß wir Schwäche zeigen. Euch aber, Hochgeboren von Schelentorff-Zalgo würde ich raten, nicht zu überhören was Leute zu sagen haben, die lange genug im Schatten des Kammes leben, um ihn lesen zu können! Wir haben die Schwarzpelze einmal unterschätzt, hielten sie für einen Haufen unorganisierter blutsaufender Totschläger - und haben bitter dafür bezahlt. Wir haben sie ein zweites Mal unterschätzt und bei Peraines Nadel sind neue Lücken in unsere Reihen gerissen worden. Wer den Ork ein drittes Mal unterschätzt, lebt vielleicht nicht lange genug um diesen Mangel an Hesindes Gaben zu bedauern!"

Der Ton war während der Worte des Junkers immer schärfer geworden und beiden letzten Worten ruhte sein Blick auf dem Baron von Schelentorff-Zalgo.

Der Baron von Zalgo bequemte sich, sich ein wenig auf seinem Stuhle zu drehen. "Wer hier unter uns mit Hesindes Gaben gesegnet ist", entgegnete er gelassen in Richtung des Junkers, "wird erkannt haben, daß wir es augenblicklich mit zwei Fronten zu tun haben." Während er sich wieder entspannt in seinen Stuhl zurücklehnte, lachten einige Adlige ob der gekonnten rhetorischen Parade verhalten, derweil der Boronshofer weiter Farbe im Gesicht bekam. Noch bevor dem Junker Helmbrecht der Kragen platzte, ergriff der Baron von Orkenwall das Wort und schlug einen beschwichtigenden Ton an: "Selbstverständlich haben wir Männer und Frauen nach Wehrheim geschickt und es müssen wohl noch weitere entsandt werden. Aber entsandt werden können nur so viele, wie Greifenfurt entbehren kann. Orks sind nicht berechenbar und zudem götterlos, deswegen sollte man keinesfalls versuchen, sie nach menschlichen Maßstäben der Kriegsführung einzuschätzen. Die jüngsten Erfahrungen sagen mir, sie können jederzeit zuschlagen, und das muß unter allen Umständen verhindert werden." Die letzten Worte sprach Genzmer leise und betont.

Der Junker Ernfried von Kieselburg hatte lange Zeit auf die Karte gestarrt und der Diskussion gelauscht. Jetzt erhob er sich von seinem Platz und schaute in die Runde: "Was wäre denn, wenn der schlimmste Fall eintreten würde? Wenn Schwarzpelze und Dämonenbuhlen einen Pakt hätten? Dann würden die Orken über unser schönes Greifenfurt herfallen, sobald weitere Truppen nach Darpatien aufgebrochen wären."

Tyrian von Schelentorff-Zalgo schüttelte den Kopf. "Orks paktieren nur unter Orks und schlagen sich dann den Schädel wegen der Beute ein. Doch vor untotem Geschmeiß haben sie viel zu viel Angst. Ein starker Anführer würde sie besonders gefährlich machen, doch dieser Wassoi wurde in Albernia gefangen. Eine große Zahl macht sie gefährlich, doch viele Schwarzpelze faulen nun in der Erde von Alberina und der Heldentrutz."

Der Baron von Zalgo hatte sich erneut erhoben und stellte sich vor die Versammlung. "Wovor habt ihr eigentlich Angst? Wer Hesindes Gaben gebraucht, wird erkennen, daß der Ork mitnichten in starker Zahl im Finsterkamm hockt und uns belauert. Und, Hochgeboren Genzmer, lgeboren Adran, ich fordere nicht, daß wir die Wachtürme verlassen. Sie, jawohl, sie sind unser Schutz und unser Auge und zeigen dem Ork unsere Wachsamkeit. Ich fordere jedoch, daß wir wenigstens zwei der vier Heerlager vom Finsterkamm nach Dunkelsfarn verlegen, dort wo derzeit ein Feind anrückt." Nicht wenige Adlige nickten zustimmend.

"Wir alle wissen, daß wir kaum neue Truppen ausheben können. Wohl aber können wir unsere Truppen verlegen. Und ich frage die Versammlung hier, was nützt uns vier gefährliche Hunde am Nordtor, wenn uns die der Krieg durch die Wehrheimer Tür erreicht? Dort sehen wir den Feind schon kommen, die Hunde mögen wir aber dennoch nicht von der Kette lassen? Da frage ich mich, wo sind da Hesindes Gaben?" Noch mehr Adlige nickten.

"Ich sage: Laßt uns handeln, bevor dieser Endlose Heerwurm in die Mark einfällt. Wir können nicht die Hände in den Schoß legen, wenn es gilt, die zwölfgöttlichen Lande zu verteidigen." Baron Tyrian blickte ins Rund und zustimmendes Gemurmel zeigte, daß die Versammlung ihm mehrheitlich an den Lippen hing. Einige wenige, wie etwa Gunilde von Dergelstein und die Garafanisten, beobachteten den Auftritt des Barons mit den Augen eines Raubvogels. "Was ich über die Spuren des Hauptmann Falkenblick denke, das wißt ihr. Und ich denke auch, daß unsere Männer und Frauen in den Heerlagern am Finsterkamm das lange Warten satt haben, daß sie zum Kampf bereit sind und nach Taten dursten. Gebt ihnen den Befehl und sie streiten für Greifenfurt. Dann hat auch die Fahnenflucht ein Ende und ..."

"Es reicht, Herr Tyrian!" Reto von Schattenstein war aufgestanden und hatte bereits mit seinen ersten Worten die Aufmerksamkeit der Versammlung für sich. Gunilde von Dergelstein kam nicht umhin, dies widerwillig zu bewundern.

Die Greifin ergriff nun das Wort. Sie sprach leise und konzentriert. "Die Sache wird untersucht werden. Wenn die Herrschaften sich erinnern mögen: Es geht hier nicht allein um eine Patrouille, deren Verbleib ungeklärt ist. Heermeister!"

"Wir wissen diesmal", hob Reto an, "wo wir unsere Suche beginnen müssen und werden bald Klarheit haben. Bis dahin will ich jedoch kein Wort mehr über Fahnenflucht oder dergleichen hören, schon im Interesse der Moral unsrer Truppen. Wer damit Schwierigkeiten haben sollte, wird mich nachhaltig ungehalten erleben." Einige Adlige hoben ob der eindeutigen Drohung des Heermeisters die Augenbraunen, während Hauptmann Rosco diese Worte mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Der Baron von Zalgo deutete mit seiner respektvollen Verbeugung, welche mehr zur Greifin denn zum Heermeister gewandt war, an, daß er verstanden hatte und nahm wieder Platz. Sein Gesicht war dabei so ausdrucksleer, daß man selbst mit einer Presse kaum einen Flux Emotionen hätte herauspressen können.

Irmenella von Wertlingen ergriff wieder das Wort. "Hochgeboren Herdan, WIR legen es in eure Hände, die Angelegenheit schnellstens aufzuklären." Der Baron vom Finsterkamm führte die rechte Faust zum Herzen, verneigte sich knapp und sprach: "Verlaßt euch nur auf mich."

Die Greifin quittierte dies mit einem Lächeln und fuhr fort: "Euch werden für euren Auftrag vier Grenzjäger zur Verfügung stehen, die euch nach Helbrache begleiten. Hochgeboren Algrimm von Schmalfurt sei für seine Unterstützung UNSER Dank ausgesprochen." Die Greifin und der Heermeister blickten zum Nardesfelder Baron und warteten auf eine Reaktion des alten Mannes. Der Baron von Nardesfeld, der seit geraumer Zeit versuchte, seine kalte Pfeife mit einem Kienspan zu entzünden, bemerkte schließlich, daß man ihn meinte und nickte knapp, nur um sich anschließend wieder seiner Pfeife zu widmen. Hauptmann Rosco blickte unterdessen sehr irritiert, zur Greifin. Baron Phexian, der neben ihm saß, konnte sogar eine Spur Unbehagen in seinen Augen lesen. Roscos Gedanken waren offensichtlich: Eigentlich sollte er selbst nach den Männern suchen. Hatte er das Vertrauen der Greifin verloren?

"Greifenfurt, das in unverbrüchlicher Treue zum Reich steht", sprach die Greifin weiter zur Versammlung, "leistet mit seinen entsandten Truppen seinen Beitrag zur Verteidigung der zwölfgöttlichen Lande. Wir tun dies in einer Situation, da wir über den Feind mehr vermuten als daß wir etwas wissen. Gleichzeitig halten wir weiter Wacht am Finsterkamm und für alle unsere Truppen, wo immer sie auch stehen, muß der Nachschub sicher sein. Mehr denn je tut es not, die Führung unserer Truppen in erfahrenen Händen zu wissen. Daher ist es UNSER Wille, unserem geschätzten Heermeister jemandem zur Seite zu stellen, der ihm Rechte Hand und Hilfe ist, zum Wohle Greifenfurts. Es sei hiermit einem jedem und einer jeden kundgetan und zu wissen, daß vom heutigen Tage an Algrimm von Schmalfurt zu Nardesfeld zum stellvertreten Heermeister der Mark Greifenfurt bestallt sei. Möge PRAIOS über euch scheinen und RONDRA euer Schwert führen, Algrimm von Schmalfurt."

Ein Raunen ging durch den Saal. Einige blickten auch auf Algrimms Sohn, der bei den Boten Garafans stand. Adran von Schmalfurt stand aufrecht und still da und konnte dennoch nicht den Stolz verbergen, den er für seinen Vater empfand. Algrimm unterdessen, der nun offensichtlich den Kampf mit seiner kalten Pfeife aufgegeben hatte, verneigte sich nur bescheiden vor der Greifin.

Dann trat Reto von Schattenstein vor. "Die Entscheidungen, die zu treffen waren, sind nun getroffenen. Bevor wir die weiteren wichtigen Entscheidungen für die Mark treffen können, brauchen wir ein genaueres Bild von der Lage im bedrohten Darpatien. Ohne dieses Wissen können wir eine eventuell notwendige Verteidigung nicht organisieren. Wir kennen weder die Stärke des Feindes, noch seine Taktik, noch seine Absichten. Darum müssen wir uns so gut es geht wappnen und gleichzeitig die Lage auskundschaften."

Reto blickte zum Hauptmann der Grenzjäger: "Hauptmann Rosco Falkenblick zu Schmalfurt: Ihr seit hiermit von Eurer Aufgabe am Finsterkamm entbunden. Bis anders entschieden wird, wird der Baron von Finsterkamm die Kundschafter dort befehligen. Eure neue Aufgabe wird sein, die Erkundung und Sicherung an der bedrohten Grenze nach Darpatien ab sofort in eure Hände zu nehmen. Da wir die Absichten des Feindes nicht kennen" ,erklärte Reto mit Nachdruck, " sind wir im Falle eines Angriffs um so mehr darauf angewiesen, daß wir den Feind frühzeitig aufspüren und verfolgen können. Ihr nehmt alle ungebundenen Grenzjäger mit euch. Da das nicht ausreichen wird, seid ihr ebenso für die Aushebung weiterer Kundschafter verantwortlich." Dann sagte Reto in einem etwas wärmeren Tonfall: "Ich habe vollstes Vertrauen zu euch."

Rosco Falkenblick, der offenbar erwartet hatte, selbst als Kundschafter Richtung Wehrheim entsandt zu werden, konnte kaum glauben was er da hörte und sank in seinen Stuhl zurück.

"Um die Lage in und um Wehrheim vertraulich ergründen zu können, wird die Mark eine weitere Gruppe Kundschafter entsenden. Die Greifin und ich haben unsere Gründe, warum wir diese Aufgabe nur in die Hände von Leuten legen wollen, die allein in dieser Runde zu finden sind. Wir berufen die Baronin von Dergelstein und den Baron von Greifenhorst für diese Aufgabe! Ferner den Baron von Zalgo und den Ritter Adran von Schmalfurt!"

Gunilde von Dergelstein, obschon sehr blaß um die Nase, gewann deutlich an Haltung und ihr Gesicht sagte, daß wohl niemand besser für diese Aufgabe geeignet sei. Adran von Schmalfurt und Otwin von Greifenhorst nickten grimmig. Allein der Baron von Zalgo wirkte für einen Augenblick überrascht, gewann jedoch schnell die Fassung und nickte zum Zeichen, daß er verstanden habe. Der Junker zu Peckacker erbot sich ebenfalls für diese Aufgabe, so wie viele andere auch. Die Greifin erhob sich von ihrem Stuhl und erhob beschwichtigend eine Hand. Es kehre wieder Stille ein, damit ein jeder die leisen Worte der Greifin verstehen konnte: "Habt Dank, edlen Damen und Herren. Wir haben", fuhr sie mit einem huldvollen Lächeln auf den Lippen fort, "nie an eurem Mut gezweifelt. Allein, es gibt auch noch Aufgaben, die hier in Greifenfurt zu tun sind und die eurer starken Hände und klugen Köpfe bedürfen. Dennoch: Wir behalten uns vor, bis zum morgigen Tage noch weitere Edle für den Gang nach Darpatien zu benennen und wir werden andere unter euch mit weiteren Aufgaben zu betrauen, die uns helfen werden, Greifenfurt dieser Tage wohl zu lenken. Dazu treffen wir uns morgen zur gleichen Stunde wieder hier an dieser Stelle. Ich danke für euren guten Rat, mögen die Zwölfe die Hand über euch halten."

Nun erhob sich auch Edelbrecht, um die Greifin aus dem Saal zu begleiten. In diesem Moment trat ein junger Mann in die Mitte.

"Verzeiht Erlaucht, hohe Herren und Damen, wenn ich nun vortrete, aber ich möchte euch ein dringliches Anliegen meines Vaters, des Herrn Wulfhelm von Pilzhain, vortragen." Ein Raunen ging durch die Menge, denn der Name Pilzhain war zumindest den älteren Lehnsträgern durchaus ein Begriff. Hier stand also ein Sproß des "Blutigen" Hilberian. "Gestattet, daß ich mich vorstelle!"

Irmenella hatte sich wieder gesetzt und nickte ihm zu. Es war Stille im Saal und der junge Mann verneigte sich höflich vor der Greifin, als er sprach: "Mein Name ist Brin von Pilzhain, Ritter zu Zweifelfels. Ich bin hier im Auftrage meines Herrn Vaters, um seine berechtigten Ansprüche an dem Lehen Schnayttach hier zu vertreten, so Euer Erlaucht es gestatten wollen." Er verneigte sich nochmals. Voll Spannung wartet die Versammlung nun auf die Antwort der Greifin.