Geschichten:Machtgeflüster Teil 11

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Leihenbutt 20. Ingerimm 34 Hal:

„Erbarmen! Ich flehe Euch an, so habt doch Erbarmen!“ Die Frau Anfang dreißig lag mit Tränen in den Augen in ihrer eigenen Stube auf den Knien und hielt ihr weinendes dreijähriges Kind im Arm. Simiona zog mit einem Ruck den Verriegelungsmechanismus ihrer Repetierbalestra durch und setzte mit lautem Klacken das nächste Magazin ein. Dann riss sie den Spannhebel nach hinten und richtete die durchgeladene Waffe auf den Kopf der verzweifelten Frau.

„Zum letzten mal, Miststück: wo verstecken sisch dein Mann und seine Kumpanen? Spuck`s aus und vielleischt lasse isch disch und dein Balg am leben. Isch zä`le bis drei!“

Alwin, Simionas erster Leibwächter musste raus. Er hielt es in dem von in ihren Blutlachen liegenden Leichen übersäten Häuschen nicht mehr aus. Er taumelte in Richtung der hinter dem Haus gelegenen Büsche, machte noch ein paar Schritte, fiel dann auf die Knie und übergab sich. Roderik, der ihm nachgeeilt war, wollte nach seinem Kollegen sehen. Ein wenig erstaunt fand er ihn kniend vor. „Alwin was ist denn los? Bist du krank geworden?“

Der Angesprochene hustete kurz und spie aus. „Krank? Ich nicht, aber vielleicht ist jemand anderes hier krank.“

Roderik half ihm wieder auf die Beine. „Was ist denn nur los mit dir? So kenn ich dich ja gar nicht.“

Alwin sah den etwa fünf Jahre jüngeren Mann eine Weile an. Sie beide waren hervorragende Schwertkämpfer und standen nun seit fast einem Jahr in den Diensten der Comtessa Simiona. Doch am heutigen Tag war etwas Geschehen, was Alwin in dieser Form noch nicht erlebt hatte.

„Ist es dir tatsächlich egal, was da eben passiert ist?“

Roderik blickte ihn etwas überrascht an. „Die Herrin hat ein paar Verräter zu Boron geschickt. Was soll denn daran so schlimm sein?“

Alwin atmete tief durch. „Die Herrin hat erst die Mutter, dann die beiden Brüder, dann die Schwester mit ihrem Kind und dann die beiden Söhne eines Mannes abgeschlachtet, von dem sie glaubt, dass er mit dem Attentat auf drei ihrer Söldner vor zwei Tagen zu tun hat. Jetzt gerade verhört sie seine Frau und zwar so lange, bis sie herausbekommt, wo er sich versteckt hält. Und wenn sie das nicht erfährt, wird sie sie auch noch umbringen. Und das kleine Mädchen noch dazu. Und das findest du in Ordnung?“

„Die Herrin lässt sich nun mal nicht gerne in die Suppe spucken, Alwin. Das solltest du doch inzwischen wissen. Wer sind wir schon, ihre Methoden in Frage zu stellen?“

Alwin schüttelte den Kopf. „Irgendwann wird jemand kommen, und Rechenschaft dafür verlangen, Roderik. Und auch uns wird man fragen, warum wir nur tatenlos zugesehen haben. Ich habe nichts dagegen, wenn die Comtessa hart gegen ihre Feinde vorgeht. Aber wehrlose Menschen zu erschießen oder aufzuschlitzen geht mir dann doch zu weit.“

Roderik blickte ihn etwas abschätzig an: „Du bist einfach zu weich geworden. In einem Götternamen schon fragt niemand mehr danach, was heute passiert ist. Mal ehrlich, WER sollte denn wohl noch Rechenschaft verlangen? Die Garden wurden zerschlagen, die Staatsmacht aufgelöst, selbst die Kirchen sind viel zu stark geschwächt um hier und heute bei uns einzuschreiten. Die Herrin kann tun und lassen was sie für richtig hält. Gewöhn dich einfach an die neuen Regeln. Für Moral ist in Waldstein kein Platz mehr.“

In diesem Moment hörten die zwei aus dem Haus das Schnappen einer Torsionswaffe. Sie wussten, dass soeben noch ein Mensch sein Ende gefunden hatte. Das verzweifelte Schreien eines Kindes war zu hören.

Simiona kam blutbesudelt mit zornesrotem Gesicht herausgestürmt. Sie schloss die Türe hinter sich und wandte sich ihren fünf Söldnern zu, die etwas weiter abseits bei ihren Pferden warteten. „Bei der alten Mü`le, ungefä`r drei Meilen südöstlisch von ìer. Da finden wir die verdammten Schweine. Verrammelt die Tür und zündet die `ütte an, vite! Und dann alles aufgesessen. Isch `will die Kerle bluten se`en. `eute noch!“

Schon bald stand das alleinstehende Häuschen lichterloh in Flammen. Am selben Abend noch wurden nach kurzem Kampf die Leichen von sechs Widerständlern auf Pfähle gespickt und als abschreckende Mahnung am Wegesrand aufgepflockt.