Geschichten:Macht des Namens – Ein neuer Tag I.

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Am nächsten Tag trafen sich die Mitglieder der Kommission wieder im Turmzimmer der Pfalz Halhof um ihre Beratungen fortzuführen. Einigungen konnten bis jetzt noch nicht eindeutig erzielt werden. Es schien, als würden sich die einzelnen Akteure noch belauern. Für den zukünftigen Namen waren zwei bereits im Gespräch - Monvaldorn und Silvadorn. Beide bezogen sich auf mythische Einhörner, die in den höllenwaller Landen gewirkt haben sollen. Auch kristallisierten sich Bestrebungen heraus, das Lehen künftig in königliche oder kaiserliche Obhut zu geben. Nahezu Einigkeit bestand darin, wer als neuer Herrscher die Lande führen sollte - Calderina von Gareth, die älteste Tochter von Reichsvogt Gerwulf von Gareth.

Als erste war Leonore von Vairningen im Turmzimmer zugegen, sie hatte den restlichen Praioslauf ausgiebig dafür genutzt um sich vorzubereiten. Neben zahlreichen Geschichten, die die Lande prägten, hatte sie auch die wirtschaftlichen und politischen Begebenheiten dabei intensiv in Augenschein genommen. Doch nur Pergamente und Papiere zu wälzen war nicht die Sache einer Hofdame, so hatte sie auch ihre Zeit dafür genutzt um das diplomatische Parkett zu beschreiten.  Nachdem man ihr unauffällig eine Nachricht hatte zukommen lassen, hatte die Vairningen es sich nicht nehmen lassen die Urheber oder zumindest Vertraute zu einer Unterredung zu verleiten. So wusste sie nun dank Ortensia von Dorst, welche Interessen die Gilden der Magier verfolgen. Wie sie fand, nichts das unmöglich wäre und auch durchaus mit guten Argumenten zu vertreten war.  Ebenfalls hatte sie erfahren können, dass ihre Idee die junge von Gareth als Kronvögtin einzusetzen auf Wohlwollen bei ihrem Vater stoßen dürfte. Immerhin möchte dieser die Erbin von Rabenbrück durch persönliche Erfahrung ausreichend vorbereitet wissen.  Zu guter Letzt, hatte sie sich mit Denderan von Pfiffenstock auf einen Fahrplan verständigen können, der beiden Familien, dem Bund der Vier Eichen, Korgond und dem Großfürstlichen Fuchsrudel zum Vorteil gereichen sollte. Wobei sie natürlich auch auf mögliche Verhandlungsmasse gegenüber den anderen Kommissionsmitgliedern geachtet und sie eingeplant hatten.  Einige Dokumente lagen vor ihr, während sie die noch immer ausgebreitet liegende Karte musterte. Ihr dabei verstohlen über die Schulter guckend, versuchte ihr Enkel Alerich nützliches Wissen in sich aufzusaugen.

In diesem Moment betrat auch der nebachotische Kor-Geweihte das Turmzimmer und nickte den beiden Anwesenden kurz zu. Er war müde von dem politischen Gezerre, wähnte sich aber, seinen Vetter und die Kor-Kirche dennoch in einer guten Lage. Wobei er die Faktoren Roban und vorallem Neunfinger noch nicht gänzlich einzuschätzen wagte. Nun aber lagen vor ihm noch einige bekannte Werke und Schriften der hiesigen Märchen- und Sagenwelt, ebenso wie alte Schriftrollen der Kor-Kirche, die auf fein-rot bemalten dünen Lederhäuten wichtige Niederschriften und Bildnisse des blutigen Schnitters enthielten. Dazu seinen eigenen Augenzeugenbericht über die letzten Taten Malepartus’. Er wusste die Raulschen schenkten in erster Linie dem geschriebenen und wenig dem gesprochenen Wort Glauben.

Kurz nach dem Erscheinen des angeschlagen wirkenden Kor-Geweihten Denderan, betraten auch die beide noch fehlenden Kommissionsmitglieder das Turmzimmer. 

Roban von Weyringhaus-Rabenmund wirkte bemerkenswert guter Laune und ausgesprochen aufgeräumt, als er den Raum betrat. Mit einem “Die Götter zum Gruße allerseits!” begrüßte er die Anwesenden und warf schwungvoll eine Mappe mit Unterlagen auf seinen Platz. Statt sich hinzusetzen, schritt er jedoch zu dem Fenster des Turmzimmers, das in Richtung der Baronie Höllenwall zeigte. “Dort hinten liegt das Land, über das wir heute zu entscheiden haben”, sagte er, öffnete das Fenster und atmete in einem tiefen Zug die Morgenluft ein. Dann wandte er sich um und begab sich zu seinem Platz.

Denderan zog ob der Laune des Weyringhausers nur kurz eine Augenbraue hoch, breitete seine Schriften aus und deutete auf einige Stellen, die seine bisherigen Aussagen bekräftigten. “Maine Härrschaften, wie Ihr säht, sind die von mir angebrachtän Legänden tief vär’wurzelt in diesän Landän und bainahe so alt wie das Land sälbst. Däswaiteren lägän uns die die übärlieferten Wortä namenhaftär, auch lokalär Priestär däs Blutigän Schnittärs nahe, dass där Kampf um derischäs Land und alveranischäs Raich ein steter ist. Gärade Höllenwall ist hierfür ain Baispiel, schon in ainer sainer frühstän Geschichtän um Monvaldorn, däshalb ist die Kirche däs Kor hier auch schon sait jäher stark, auch schon vor dem vär’räterischen Baron.” Der Korgeweihte blickte die anderen nochmal eindringlich an. “Deshalb blaibe ich bai mainer Aussage zu Namen, der InsigNIEN und där Zeremonie. Dies solltä unsere erste Äntschaidung sain und Laitlinie für unsere waiteren Äntschaidungen.”

Leonore von Vairningen nickte bedächtig, zum Einen um ihrer Zustimmung Ausdruck zu verleihen, zum anderen aber auch weil es kein leichtes Unterfangen war dem Pfiffenstock zu lauschen. “Ich denke Seine Gnaden Pfiffenstock hat Recht. Wir sollten uns als nächsten mit dem neuen Rahmen der Kronvogtei befassen. Einen neuen Namen wählen, aber auch festlegen welche Insignien künftig zu führen sind und in welchem Zeremoniell sie erworben werden.” Wiederholte sie ihn nochmals, unter anderem auch um zu unterstreichen welches Thema sie nun disputieren würden.

Die Junkerin stellte fest, dass die Legendensammlungen ordentlich gebundene und teils sauber kommentierte Bände waren, die Schriften der Korkirche aber eher archaisch anmutende Lederfetzen und ein Ansammlung von Berichten von einfachen Söldnern und Sichtweisen einzelner (Wander)Priester und Gläubigen, darunter auch Helburger, abgerundet durch die lückenhafte Abschrift eines wohl kaum noch lesbaren Dokuments über eine große Schlacht in Caldaia in den Zeiten vor dem Raulschen Reich, bei dem man vage die Worte Kor und Rondra noch heraus interpretieren konnte, was das Dokument auch klar hervor hob.

Neunfinger zog gelangweilt seinen Dolch aus dem Gürtel. Ohne aufzusehen spürte er die plötzliche Anspannung der Anderen im Raum. Hatten sie etwa Angst, dass er seine Waffe nach ihnen warf? So wie einst bei diesem albernen Turnier, als er beinahe den Hirschfurten außer Gefecht gesetzt hätte? Er verkniff sich ein Grinsen und begann seine Fingernägel zu reinigen.

Der Pfiffenstocker setzte eine bittere Miene auf ob des Verhaltens seines ehem. Peinigers, Entführers und falschen Bundesbruders. Seine Anspannung behielt er sich bei, rechnete er doch bei Neunfinger mit allem.

Roban nahm diese Bewegung wahr - und nach einem Moment der Anspannung deutete er sie als eine bewusste Provokation. Die Geste eines Söldners, dazu gedacht und geeignet, vor einem Kampf Eindruck zu schinden. Aber nicht angebracht, wenn es um ein Gespräch, um den Austausch von Argumenten und das göttergefällige Regieren eines Landstrichs ging. Diese kurze Episode bestärkte den Weyringhauser nur in seinem Streben, der Kor-Kirche zwar den Schutz der Grenzen anzuvertrauen, aber nicht die Herrschaft in Friedenszeiten.

Im Gegensatz zum Pfiffenstock, schien der zweite Diener des Kor es mit den Manieren nicht sonderlich zu haben, war sein Verhalten an einem Hof doch mehr als unangebracht. Doch lag der Verdacht nahe, dass Neunfinger von einfacher Geburt, über den Weg des Söldners in die Gefolgschaft des Herrn Kor gekommen war. Wahrlich kein Werdegang auf dem auf anständiges Verhalten geachtet oder gelehrt wurde. So hatte Leonore vor dem ungehobelten Kerl auch keine Angst, sondern fand sein Verhalten unangemessen und vor allem unappetitlich - schließlich gab es sowas wie Waschschüsseln und Seife, wobei ein Zuber vermutlich auch nicht verkehrt wäre. Somit für sie umso mehr klar war, dass Neunfinger kein Kandidat für die Führung irgendwelcher Lande war.