Geschichten:Macht des Namens – Verhandlungen II.

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Pfalz Halhof, Rahja 1043 BF:

Roban überflog den Brief mit nachdenklicher Miene und nippte dabei an seinem Weinkelch. “Ich bin übrigens ganz Eurer Meinung”, wandte er sich sodann - scheinbar nahtlos deren Gesprächsfaden aufgreifend - an die Vairningerin. “Der Name, sogar die Silbe, sollte aus allem getilgt werden, was in diesen Landen einen Namen hat. Und ich sehe es ganz genauso wie Ihr: wir sollten uns auf alte Traditionen berufen. Es gibt in diesem Landstrich bedeutend ältere Häuser als … das erloschene.” Während er den Brief einsteckte, richtete er das Wort an die beiden Kor-Geweihten - und zwar an beide gleichermaßen, so als sei ihm der offenkundige Konflikt zwischen den Priestern gar nicht aufgefallen. “Und bei allem Respekt vor Euren Leistungen, Euer Gnaden...”, begann er mit einer Geste, die beide Geweihte zugleich in die Anrede einschloss. “Dieser Landstrich muss gegen finstere Umtriebe verteidigt werden, gar keine Frage, und Euer Handeln hat seine Verdienste, ganz ohne Zweifel. Aber so wehrhaft es gegen seine Feinde sein muss - nach innen muss es wieder eine Heimat sein für die Menschen, die dort leben. Und das ist die Aufgabe einer anderen Kirche. Wir sollten nicht vergessen, dass es ein bedeutendes Kloster der Gütigen Mutter Travia in Marmonte gibt. Die Geweihten dort werden sicherlich das Ihrige dazu beitragen, das Land wieder bewohnbar zu machen und Frieden unter seinen Bewohnern zu stiften.” 

Denderan sortierte sich erstmal ob der vielen nun im Raum stehenden Fragen und Ansätze: “Wänn äs är’laubt ist widme ich mich fordärst dän Ainwürfen Ihrer Wohlgäboren von Vairningen und dann dän Eurigän, Euer Wohlgäboren von Wayringhaus-Rabänmund.” Erneut sammelte sich der Kor-Geweihte und konnte nicht verbergen, dass ihn Schmerz plagte.

Neunfinger grinste, als er den Schmerz auf dem Gesicht Pfiffenstocks sah.

“Zu allär ärst, möchte ich Euch baiden zustimmän. Där Verrat und där Frävel müssän gänzlich getilgt wärden, nicht nur mit där Klinge, sondärn äbenso aus dän Büchärn und Gäschichten. Ainä Besinnung auf wait ältere und größere Dingä ist auch in mainäm Ansinnen. Die Göttär, allen voran där das Land mit sainem Blut schützände Kor, sind aine solche Besinnung. Abär auch die Gäschichte dieses Landäs - wie Monvaldorn. In diesäm Zusammenhang schickt mich - maine Kirche auf där ainän Saite - auch main Vätter und Familienobärhaupt, auch ihm ist ainä solche Besinnung von großer Be’deutung.” Jetzt war es raus, in ihm drehte sich der Magen ein wenig um, als er Selo ins Spiel brachte, aber er hatte das Gefühl damit eventuell einen Schritt auf einige der hier Anwesenden zuzumachen. In genau deren Richtung schaute er auch als er fortfuhr: “Dämentsprechend ist aine Besinnung auf ainä där Urgeschichtän, die gleichzaitig auch vom Kampfä zwischän Gut und Böse spricht, doch ätwas was uns allä zufriedän stimmen und vär’binden würde, noch dazu wo ain Horn, ein Spieß als Waffe in diesäm Kampf ein starkes Symbol sain kann. Geweiht und gäbunden in ainär Zeremonie, welche die neue Herrschaft manifestitiert vor Göttärn und Land.” Er redete schon wie sein Vetter, doch gefiel ihm die Idee einer Prozession die eine geweihte Waffe über das Land trug, etwa vom Einhornsprung am Silvandorn bis vor den Eingang der verwundeten Klamm, wo die Waffe dem Orginal Monavaldorn-Horn als Spieß in den Boden gerammt und dem Wall die Absicht zur Wacht entgegen gebrüllt würde, als Behüter und Krieger des Landes. In diesem Sinne richtete das Wort weiter an die Vairningen: “Das ächte Horn wurdä zärstört vom barönlichän Frävler selbst, äs war Tail saines Rituals. Abär wir benötigen nicht des Originals, dän said jehär ist äs das Ritual dass die Umstände formt, Rituale die sich auf Orignalä und Urgeschichtän beziehän, aber durch tausende Zungän Abwandlung ärfuhrän. Äs ist also die Absicht die uns laitet, dargelägt in ritualisiertär Handlung. Däshalb kam mir auch ainä Idee die Euch gefallen könntä.” Und Denderan berichtete von seiner Idee der Prozession und dem geweihten Spieß. Er endete ziemlich zufrieden und ließ die Anwesenden noch seinen Worten nachhängen und ergänzte nur Richtung des Weyringhausers: “Und was Euer An’liegen der grainenden Gänse angäht. Ich bin mir sichär das wir auch diesär Gemainschaft ihrän äntsprächendän Platz gebän können. Doch main Vetter brachtä auch die Klöstär der Perricumschen lieblichän Schwästern ins Spiel, die schon ätliche Erfahrung mit värherrten Landen in Perricum, Tobrien und där Rabänmark aufwaisen könnän, während die Kirchä där Gans in der Travia’mark nach Macht srtäbte. Ain Ansinnän, welches där Kirche doch so färn sain sollte. Abär auch hier findän wir gemainsam sichär aine Lösung für das alt’ährwürdige Klostär. Äbenso wird die Kirche däs Glaißendän Ansprüchä haben, die ich durch ihre Kraft im Kampf gegän die Vär’derbnis durchaus als bedenkenswert ärachte.”

Tatsächlich gefiel Leonore der Vorschlag durchaus, was sie mit einem freundlichen Lächeln auch quittierte. Allerdings hatten sie in ihrem Eifer ihr Ziel aus den Augen verloren, wie sie sich selbst eingestehen musste. "Das klingt gut, doch sollten wir wieder etwas Struktur in unsere Planung bringen. Können wir anhand dieser Karte den Status Quo besprechen, Zerstörungen, Flüchtlinge und Machtverhältnisse? Anschließend können wir dann das weitere Vorgehen besprechen, der gute Alerich hat mich zudem darüber informiert das es zahlreiche Niederschriften von Interesse gibt."

Immer wieder wiesen die Anwesenden auf die Karte als sie die eine oder andere Begebenheit beschrieben und benannten. Angefangen bei der gänzlich zerstörten und in die Tiefen gestürzten Helburg, über die in Schutt und Asche liegenden Ortschaften Niffelheim, Nymswyl und Dornwyl. Weiter damit das die Festung Nymphenhall im Silvandorn versank, eben jenem See an dessen Ufern die Villa Griffelspitz und fast die gesamte Stadt Höllenwall bis auf die Grundmauern niedergebrannt war. Dabei führten sie lediglich die Orte mit den größten Schäden auf, schließlich hatte die gesamte Baronie Schaden genommen. Nachdem allen die angerichteten Verheerung bewusst war, wurden die aktuellen Machtverhältnisse besprochen. Die Kirche der gütigen Travia hatte die Kontrolle über ihr Ordensland gewahrt. Wobei Kirchen und Magier sich in den Ruinen der Stadt Höllenwall und Teilen von Helburg angesiedelt hatten. Die Kor-Diener hielten dabei zwei Regionen der Baronie. Neunfinger und die Seinen besetzten den Rahja des einstigen Junkertums Helburg und bewachten die Ruinen der gestürzten Kerkerfeste. Im Efferd hingegen hielt der Pfiffenstock weite Teile von Caldarios und den Süden von Niffeltal. Ein selbsternannter Ritter hatte die Herrschaft über Trollbrück an sich gerissen, während sich Lucian von Malagant und Anshold von Salzmarken um Macht im Niffeltal stritten. Dabei hielt Anshold das zentral gelegene Grummstein, sowie Unkenbrück, während Lucian das strategisch sehr bedeutsame Zollsteyn kontrollierte. Die verbliebenen Regionen konnten derzeit nicht als Gesichert betrachtet werden, wobei Elna von Zweifelfels als Inquisitionsrätin durch die Lande zog und Urteile sprach.

Viel Zeit war nötig um alle Informationen verständlich zusammenzutragen. Dabei wurde deutlich wie desolat die Lage war und welche Hürden den künftigen Herrn in den Weg gelegt waren. Ebenso wurde klar, dass es verschiedene Mächtegruppen bei der Neuordnung bedacht werden mussten - unter ihnen auch die beiden Kor-Geweihten. Zufrieden schaute Leonore auf die Karte, vor allem jedoch auf eine Skizze in der sie die aktuelle Situation dokumentiert hatten. “Nun meine Herrn, die Lage in der Baronie scheint sehr instabil zu sein. Wir müssen in unseren Empfehlungen vermutlich einige Befindlichkeiten berücksichtigen, doch möchte ich dieses Thema vorerst noch hintan stellen.” Ernst blickte sie jeden der drei Männer nacheinander direkt in die Augen. “Ich möchte an dieser Stelle anregen, dass wir uns alle - gemeinsam oder auch einzeln - mit den hier vor Ort verfügbaren Unterlagen ein umfassenderes Bild von Land und seiner Mystik zu machen. Ein Thema würde ich dennoch zuvor noch gerne klären, die Frage der zukünftigen Zuordnung. Soll der Nachfolger Höllenwalls einem Baron unterstehen oder gräfliches, königliches oder gar kaiserliches Lehen werden?”

“Ainä Härr’schaft, die äs värmag mit där Situation hier umzugähen, där dän Glauben ward und das Land und saine Wunden ehrt und värsteht.”, Denderan war die hierarchische Ebene gleich, da würde er Zugeständnisse machen. Er wusste was sein Vetter begehrte, aber in erster Linie war ihm der wahrhaftige Kampf um das Land von Bedeutung.

Wie ihre eigene Familie, gehörten auch die Pfiffenstocks dem Bund der vier Eichen an, womit sie ein ähnliches Interesse vertreten sollten. Eine Annahme die sich noch bewahrheiten musste, doch war Leonore zuversichtlich. So wanderte ihr Blick auffordernd zu Roban und Neunfinger hinüber.

“Meine Familie entstammt bekanntlich einem kaiserlichen Lehen”, erwiderte Roban von Weyringhaus-Rabenmund. “Wir wissen um die Vorteile, dass man nahe am kaiserlichen Ohr ist.” Um seine Lippen spielte in der folgenden Kunstpause ein feines Lächeln, in das bei aufmerksamer Betrachtung die nicht ausgesprochene Fortsetzung dieser Bemerkung gelesen werden konnte: ‘Wir wissen um die Nachteile, dass man direkt vor der kaiserlichen Nase ist.’ Sodann setzte er hinzu: “Nach all dem, was dieser Landstrich durchgemacht hat, sollte er das besondere Augenmerk der Kaiserin verdient haben.”

Die Meinung Robans mit einem Nicken zur Kenntnis nehmend ruhte nun der Blick der Vairningerin auf Neunfinger, den sie anhören wollte bevor sie selbst das für und wider der Möglichkeiten, aus ihrer Sicht, kundtat.

Neunfinger kniff die Lippen zusammen. Politik. Woher sollte er wissen was ein jeder der Anwesenden im Hinterkopf hatte, wenn es darum ging wem das Land künftig unterstellt sein sollte. Aber er wusste, dass Hal von Ehrenstein, Kronvogt zu Halhof, ein schwaches Amt innehatte. Dem fernen Kaiserhaus unterstellt zu sein, gewährte womöglich mehr Freiheiten als einen Baron vor Ort. Er beschloss sich nicht zu äußern, solange die Diskussion das Kaiserhaus favorisierte.

Scheinbar dachte die erfahrene Hofdame einen Augenblick lang nach, eh sie auf den Aussagen der Herren beruhend ihre eigene Meinung hinzufügte. “Ich stimme ich Euch zu.” Fasste sie einführend bereits das gehörte mit Blick auf Roban und den Pfiffenstock zusammen. “Das Land braucht eine Führung von fähiger Hand und dem notwendigen politischen Kapital um sich behaupten zu können, zugleich aber auch mit Verständnis für Land und Leute die Ordnung in der Region wieder herstellt. Eine Ansiedlung nahe an der Krone würde die Wichtigkeit dieses Anliegens in der Tat unterstreichen, allerdings ... “ Bewusst unterbrach sie ihre Ausführung an dieser Stelle, besah sich die Karte ein weiteres Mal genauer und zog mit dem Finger sanft die Grenze der Baronie nach. “Allerdings... “ Nahm sie den Faden wieder auf. “... obliegt den Landen auch der Schutz des Königreiches und wäre deshalb womöglich als königliches Lehen besser zugeordnet, als es das als kaiserliches Lehen wäre. Ein Zeichen dafür, dass der Schutz einer wichtigen Grenze des Königreiches, auch fürderhin Pflicht und Privileg eben dieses Königreiches bleibt!” Überlegte sie anscheinend laut, obwohl dies in Wahrheit von Anfang an ihr Anliegen gewesen war.

“Schwäbt Euch da jemand bä’stimmtes vor?”, richtete Denderan seinen Blick dabei auf sowohl den kaiserlichen Vertreter, als auch die Vairningen.

Ein sanftes Lächeln umspielte die Lippen Leonores. “Tatsächlich hätte ich einen Vorschlag für den Kronvogt im Sinn, ein Vorschlag der gleich in mehrerer Hinsicht Vorteile bieten würde.” Es folgte ein Pause, in der sie es sich auf ihrem Stuhl wieder bequem machte und einen Schluck Wein genoss. “Sie ist den Herren eventuell bereits aufgefallen, schließlich war sie vorhin mit zugegen als unserer Kommission ihre Aufgabe vorstellt wurde. Dabei bringt Calderina von Gareth alles mit, was wir uns für die schwierige Aufgabe in der vakant gewordenen Baronie notwendig ist. Allein ihre Zugehörigkeit zum Hause Gareth, würde dem gesamten Reich verkünden welch wichtige Stellung das Problem Höllenwall zugeschrieben wird. Zudem könnte ich mir vorstellen, dass ihr Vater als Kommunionsvorstand diesen Vorschlag begrüßen und vor allem unterstützen dürfte. Durch ihre Abstammung bedarf sie darüber hinaus keiner großen Hausmacht Attacken Adliger abzuwehren und kann stattdessen all ihre Ressourcen auf den Wiederaufbau konzentrieren. Während sie ebenfalls jung genug ist, um nicht beratungsresistent zu sein und stattdessen ein offenes Ohr für die Bedürfnisse des Landes hat.” Was letztlich durch die Blume gesagt nichts anderes bedeutete, als das sie noch formbar war. Dass sie richtig beraten die Ideale Korgonds nicht nur in Höllenwall festigte, sondern auch weiter ins Haus der Kaiserin trug.

Denderan wusste dass seinem Vetter dieser Vorschlag gefallen würde, doch war ihm selbst noch ein Zusatz wichtig. “Ich als Vär’treter där Kor-Kirchä und als Gä’sandter maines Vätters könnte mich gut mit diesäm Mädchen zufriedän geben. Und ich dänke saine Wohlgeborän von Weyringhaus-Rabänmund würdä aine von Gar’reth sicherlich auch zusagen. Doch värsteht sie als Außenstehende Land und Leute hier viellaicht nicht auf anhieb und wie wichtig där Kampf gegen Malepartus’ böse Saat ist. Däshalb würde ich nur allzugärne ainen dauärhaftän Rat däs Landäs - nennen wir äs Monvaldorn - an ihrär Saite sehen, jewails ärnannt aus dän Vor’stähenden där Kirchenlande und där Lehen ab Junkersäbene. Die wir noch zu bästimmen hätten.”

Roban von Weyringhaus-Rabenmund zuckte mit den Schultern, als er angesprochen wurde - jemand Besseres fiel ihm für dieses Amt nicht ein. Er hob allerdings anschließend den Zeigefinger und sagte “Silvadon.” Mit dem Zeigefinger wies er auf die Karte. “Der See befindet sich im Zentrum des gesamten Landstrichs, und sein Name weist auf die wahrhaft alten Zeiten hin. Ich bin dafür, künftig das gesamte Lehen nach ihm zu benennen.”

“Ich wage nicht zu bä’haupten wälcher Name älter ist, baide stammen aus ainär Zait wait vor uns allen. Abär Monvaldorn und Silvado®n waren baidäs mythische Gäschöpfe. Monvaldorn war für sainän Kampf und saine Aufopferung für das Land bä’kannt, Silvadorn war vollär Schönhait, Waishait und Anmut. Ihrär baider Hörnär - Spieße - zierän das Wappän Höllenwalls, also solltän sie baidä auch Ärwähnung im Namän findän.” Außerdem dachte Denderan dabei an die vorgeschlagene Zeremonie und Prozession. Silvadorns Domäne war dabei der See im Zentrums des Inlands, Monvaldorns der Wall - das zu Schützende und das vor dem zu Schützende, untrennbar miteinander verbunden. Er würde hartnäckig bleiben. Der Kampf müsste schon im Namen manifestiert und über die Zeremonie und die Insignie symbolisiert werden. “Davon ab ist kainär von Euren ärlauchten Härrschaften auf mainen Vorschlag aingegangen.”

“Meint Ihr damit den Vorschlag zum Zeremoniell oder der Bestellung eines Rates, Euer Gnaden?” Hackte die Vairniningen direkt nach, nur um sicher zu stellen welche Frage der Geweihte nun meinte.

“Im Grunde hängt dies doch alläs zusammen.”, entgegnete Denderan vieldeutig. “Vielmähr gäht äs mir abär darum dän Fokus nicht zu vär’lieren.”

Verstehend, nickte die Junkerin. “Ich verstehe.” Gab sie sich in diesem Thema aufgeschlossen. “Auch stimme ich mit Euch überein, dass die künftigen Herrn sich dem Land verbunden und sich ihm verpflichtet fühlen sollten. Ein entsprechendes Zeremoniell, das dieses Band - das Land und Herr eint - herstellt, halte ich deshalb für einen guten Vorschlag. Nach einem ausreichenden Studium der lokalen Geschichte, denke ich, sollten wir auch im Stande sein einen passenden Ritus zu rekonstruieren. Wenn die Herren damit einverstanden sind, würde ich es bei den bisherigen Ergebnissen vorerst belassen und vorschlagen das wir uns alle etwas Sachkundig machen.

Der etwas ungeduldige Denderan nickte mürrisch und ging in sich.