Geschichten:Langsam, aber stetig und kräftig

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Efferdsträne im Firun 1040

"Und Ihr seid sicher, Scheuerlintz, dass ich Euch hier alleine lassen kann?", der Reichsvogt blickte besorgt auf seinen langjährigen Weggefährten. Leobrecht wusste, dass der alte Scheuerlintz immer dazu neigte, kränklich zu werden, wenn sein Herr gerade wieder die Efferdstränen verlassen wollte - wohl auch um diesem zu zeigen, dass er ihm die Übernahme der Regierungsgeschäfte missfiel. Aber diesmal dauerte es schon länger: Der alte Hauptmann hatte sich bei den kühlen Firunsstürmen irgendwie verkühlt und jammerte nun schon seit zwei Wochen. Leobrecht konnte seine Abreise trotzdem nicht weiter verschieben, um diese jahresezeit musste man günstigen - und das hieß leichten - Wind unbedingt für die Überfahrt nach Perricum nutzen.

"Alles in Ordnung, Hochgeboren, Per...", Scheuerlintz bekam eine Hustenattacke, "...entschuldigt bitte, Peraine wird mich schon nicht vergessen."

Leobrecht war sich da nicht so sicher. Er kannte Scheuerlintz nun wirklich lange: Sie waren sich bereits in jungen Jahren begegnet, Leobrecht in der kaiserlichen Verwaltung, Haubrecht in der Löwengarde. Beide waren sie zwar nicht immer einer Meinung gewesen, aber man schätzte sich gegenseitig, für Aufrichtigkeit und Kaisertreue. Die Werkzeuge, die Motivation der beiden hätten unterschiedlicher nicht sein können, der eine ein loyaler Befehlsempfänger, der noch heute gerne erzählte, wie König Brin ihn persönlich vor dem ganzen Hausstand gelobt hatte, der andere einer, der das Spiel von Macht und Beziehungen nur zu gut kannte und nutzte, und der durchaus eigennützig sein Haus in den letzten Jahren aus der Schlunder Provinz hinaus nach Perricum geführt hatte.

"Scheuerlintz, ihr seht wirklich nicht gut aus, seid Ihr Euch sicher, dass ich nicht Alinde bei euch lassen sollte?"

Wie hatte Scheuerlintz mit seiner Abscheu für Juristereien und Intrigen ihm das eine oder andere mal als Stimme der Vernunft gedient, so dass Leobrecht ochsengleich, langsam, aber stetig und kräftig, den Einfluss des Hauses in Perricum vergrößert hatte, immer etwas im Schatten der größeren Spieler. Korhilda auf der anderen Seite hatte es ihm gleich getan und selbst Anaxios mit seiner Braut zog hier am selben Strang. Chaliba hatte seine Zurückweisung zwar noch nicht ganz vergeben und vergessen, aber die verbleibenden Brendiltaler zeigten vorsichtige Tendenzen, sich im Schutz der Ochsen in der neuen Baronie Herdentor wieder aufzurichten.

"Hochgeboren, lasst das Mädel doch mal ihren Gatten wiedersehen, und er soll seinen kleinen Sonnenschein", hier schlich sich ein Lächeln in das kranke Gesicht, "doch auch noch einmal in den Armen halten, bevor die Süße zu krabbeln beginnt."

Alinde war sein Schlüssel zum Wallbrord-Erben - noch war dieser jung und formbar und er würde seine Zeit auf den Tränen und seinen Herren und Förderer dort hoffentlich nicht vergessen. Scheuerlintz hatte natürlich Recht, dauerhafte Beziehungen knüpfte man über die persönliche Ebene. Ohne Alinde und die kleine Boronliebe war der Zugang zu Ugdalf und seinen Freunden bei den Kaiserlichen nahezu unmöglich.

"Scheuerlintz, ihr macht mir ernsthaft Sorgen. Dann versprecht mir aber, dass Ihr Ärzte aus Effora kommen lasst - und schaut dabei bei den Göttern nicht wieder auf den Dukaten."

Und jetzt diese Einladung der Perrinmarsch: War es wirklich Maia, oder doch Ihr Bruder, der dort die Fäden in Perricum in die Hand nahm? Leobrecht mochte weder Turniere noch Bankette oder gar Bälle, aber dieser Treffen schien wichtig zu werden. Wichtig, um sich zu zeigen und um für die eigene Partei Allianzen zu schmieden.

"Hochgeboren, ich bin aus alten zähen Leder, habe ich Eu...", wieder ein Hustenanfall, "...entschuldigt bitte, habe ich Euch nicht erzählt wie ich derzeit als der Dumpfschädel durch die alte Residenz ging, als letzter dem König - seinerzeit Brin - zur Seite stand, mit laufender Nase und einem Husten, gegen den dieser ein Räuspern ist. Er hat mich übrigens danach persönlich vor dem ganzen Hausstand gelobt."

Irgendwann, da war sich Leobrecht sicher, könnte die Kaiserin nicht übersehen, welches treue Haus ihr in Perricum am dienlichsten war, und dann würde die Stunde der Ochsen schlagen.