Geschichten:Kumpanenhatz - Tieferer Waldschatten

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Am letzten Tag des Mondes Boron, im Randbereich des Reichsforstes in der Baronie Tannwirk:

"Bis - du - dir - sicher ?!" Die Hauptfrau der Söldner griff in den Umhang der anderen Frau und brachte sie dadurch etwas aus dem Gleichgewicht. Das Blut schoß der jüngeren Frau mit den leicht schräg stehenden Augen ins Gesicht und sie versuchte sich aus dem Griff der Söldnerin zu befreien. "Ja, es ist ganz deutlich zu sehen. Ich kann den Wald lesen. Die Bäume wurzeln weniger tief, sind weniger kräftig. Es liegt am Untergrund. Nicht einfach Felsen. Es müssen alte Mauern sein oder eben ein alter Weg. Wie an einer Schnur gezogen." "Lesen! Du kannst ja nicht einmal deinen Namen schreiben!", knurrte die Söldnerin, ließ aber den Umhang los. "Pah!", stieß sie hervor und Dampf stiegt in die kalte Luft. "Wir hacken seit Stunden Gestrüpp! Die Klingen werden uns stumpf. Bei Kor, wir sind ehrliche Söldner und nicht stinkende Andergaster Holzeinschläger! Kannst du uns nicht drum herum führen?" "Dann können wir möglicherweise etwas übersehen!", ertönte die Stimme eines älteren Mannes von hinter ihnen. "Und das wäre fatal." Die Hauptfrau fuhr herum und betrachtete den Gelehrten, der sich durch die frisch geschlagene Lücke in der Brombeerhecke wand, mit finsteren Blick. Nur wenig hinter ihm mühte sich der Schüler durch die Schneise. "Gemswein!", zischte die Hauptfrau, "du Hesindeschlange hast mir jetzt auch noch gefehlt. Schnapp die gefälligst ein Beil und mach dich lieber nützlich. Sonst werde ich auch fatal!" Dann trat sie einen an Boden liegenden Ast beiseite, ging wutschnaubend an den Gelehrten vorbei ohne es zu versäumen, ihn mit einem Schulterstoß in die Brombeerhecke zu drücken. Der Schüler sprang vorsichtshalber selbst zur Seite.

Einige Stunden später, am späten Nachmittag. Der ungleiche Trupp hatte sich mühsam einen Pfad durchs Unterholz des Reichsforstes gesucht. Das Vorankommen war langsam und viele der Söldner hatten Kratzer und Risse davongetragen. Die Tiere konnten nur noch geführt werden und waren in diesem Teil des Waldes häufig nervös. Ob des bedeckten Himmels drang nur mäßig Licht bis auf den Boden, obschon die meisten Bäume ihre Blätter abgeworfen hatten. Wo der Untergrund nicht mit Farnen und Ranken zugewachsen war schritten die Leute über eine dicke Moosschicht. Manchmal hörten sie, wie Tiere - oder etwas anderes - sich im Wald von ihnen floh.

An einer Stelle hatten sie - wieder einmal - etwas umfangreicher Unterholz fortgeschafft und sogar mit Spaten gegraben. Nun standen eine kleine Gruppe um einen feuchtglänzenden und noch erdigen Mauerrest. "Keine Zweifel", sagte Meister Gemswein, der neben der niedrigen Mauer kniete. "Diese gleichmäßige Bearbeitung und diese engen Fugen. Das war kein gewöhnliches Gebäude. Das ist aus dem alten Reich." "Aha!", sagte die Hauptfrau und klang dabei, also ob sie Holz raspeln würde. Dann blickte sie den Steinmetz an, der neben ihr stand. Dieser beeilte sich zu sagen: "Sehr feine Arbeit, sieht man sofort. Wie alt? Keine Ahnung. Wenn Meister Gemswein sagt, daß die Mauer alt wie das Reich ist, dann hat er wohl recht." "Nein, noch älter!", berichtigte der Gelehrte. "Das alte Reich ..." "Es ist mir egal!", fuhr die Söldnerin dazwischen. "Die Herrin interessiert, ob wir nun bald da sind?" "Nun", sagte Gemswein vorsichtig, "ich würde sagen, daß wir uns schon deutlich angenähert haben."

Die Frau im teuren Mantel, welcher inzwischen von vielen Rissen und gezogenen Fäden gezeichnet war, war leise nähergekommen und hatte schweigend das Gespräch verfolgt. Nun hob sie ihre Stimme: "Ich merke, daß sich meine Geduld langsam dem Ende nähert. Seht zu, daß wir den zentralen Platz finden." "Es kann nicht mehr weit sein", versuchte Gemswein zu beschwichtigen. Die Frau erwiderte nur kalt: "Es wäre besser für euch ..."