Geschichten:Kressenburger Stadtgeflüster - Golgaris Ernte

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Golgaris Ernte

4. Ingerimm 1034 BF, Hasenfeld

Der Abend legte sich über das Schlachtfeld am Stein in Hasenfeld. Überall hörte man das Krächzen der allgegenwärtigen Raben. Den schmerzenden Schildarm schützend vor der Brust haltend, stand Ardo bei den Toten, die man bereits für die Bestattung aufgereiht hatte. Noch immer wurde alle paar Minuten ein weiterer Körper dazugelegt, denn nicht jeder tödlich Verwundete kam in die Gnade eines schnellen Todes.

Direkt vor ihm lagen in zwei Reihen jene, welche in den Farben Kressenburgs in die Schlacht wider den verräterischen Meister der Mark gezogen waren. Fünfzig Männer und Frauen, Pikeniere und Bogenschützen hatte der Baron ins Feld geführt, mehr als die Hälfte sollte ihm nun nicht wieder in die Heimat folgen, sondern in der Erde Hasenfelds ihre letzte Ruhe finden, gemeinsam mit hunderten anderen Landwehrkämpfern aus der ganzen Mark. Ihrer Hände Arbeit würde fehlen, wenn es nun galt, das Zerstörte wieder aufzubauen.

Hinter dem jungen Keilholtzer hatte man indes die zu Golgari gegangenen Edlen der Markgrafschaft, sowie der zu Hilfe geeilten Koscher und Weidener aufgebahrt. Mit den Baronsfamilien von Hundsgrab und Hasenfeld waren in den erbitterten Kämpfen zwei bedeutende Adelsgeschlechter komplett ausgelöscht worden. Mehr als das bekümmerten Ardo jedoch die persönlichen Verluste. Mit Junker Balduin hatte er einen guten Vertrauten und treuen Gefolgsmann verloren, dessen Platz schwer wieder auszufüllen war. Zumal er seinem Vogt und Schwertvater den Verlust eines Neffen und seiner Knappin, bei ihrer Rückkehr, den Tod ihres Onkels würde beibringen müssen. Der Baron war froh, dass das Mädchen den von Schwarzpelzen in Stücke gehackten Leichnam nicht würde sehen müssen.

Schlimmer noch traf ihn aber der Tod seines eigenen Großvaters. Bernhelm von Keilholtz war trotz seines hohen Alters ohne zu zaudern und zu klagen auf sein altes Schlachtross gestiegen und war an der Seite seines Sohnes und seines Enkels in die Schlachtreihen der Verräter eingebrochen. Ausgerechnet die Lanze eines Anverwandten hatte dem langen Leben des Ritters dabei ein jähes, wenn auch Rondra gefälliges Ende bereitet. Ardo würde den Toten persönlich zur Neuen Gerbaldslohe begleiten und dafür Sorge tragen, dass er auf dem kleinen Boronsanger des Gutes bestattet wurde, dessen Herr er fast vier mal zwölf Götterläufe gewesen war.

Bevor es soweit war, würden die Überlebenden jedoch ihre Wunden lecken müssen. Die wenigsten überlebenden Teilnehmer der Schlacht waren ohne ernsthafte Verletzungen davongekommen. Die anwesenden Peraine-Geweihten würden in den nächsten Tagen alle Hände voll zu tun haben, wenn ihre schweigsamen Brüder und Schwestern im Dienste Borons nicht noch mehr Arbeit bekommen sollten.

Nach einer Weile hörte der Keilholtzer hinter sich Schritte. Als er sich umsah, erkannte er seinen Vetter Greifwin, der wohl wieder einmal Phex auf seiner Seite gehabt haben musste. Ardo sah nicht einen Riss oder eine Schramme an der Kleidung des Eslamsrodeners, obschon er wusste, dass dieser sich mitten im dichtesten Kampfgetümmel befunden hatte.

„Zwei Orks auf einen Streich, mein lieber Greifwin. Ein wahrhaft unvergesslicher Schlag. Zu schade, dass nicht mehr überlebt haben, um davon zu berichten. Dein Schlachtenruhm würde dich sonst zum ersten Kämpfer des Reiches machen. Wer weiß, ob nicht gar Haffax vor dir zittern würde.“

„Vielen Dank für die Blumen. Du weißt sehr gut, dass ich auf solchen Ruhm bestens verzichten kann, mein lieber Ardo. Nichts wäre mir lieber, als in Ruhe auf Weidensee zu sitzen und Praios einen guten Mann sein zu lassen. Aber wie du siehst, ist uns beiden diese Art der Ruhe nicht vergönnt.“ Greifwin brachte ein schiefes Lächeln zustande, war jedoch offensichtlich nicht in der Stimmung, die düstere Lage mit Scherzen aufzuhellen. „Ich habe dich auch nicht gesucht, um mit Schlachtenruhm zu prahlen. Dafür hätte ich hinüber zum Fest der Greifin gehen können. Nein, mein Vetter, ich möchte gerne etwas, nun, nennen wir es Geschäftliches, mit dir besprechen.“

„Jeder scheint im Angesicht des Todes Geschäfte machen zu wollen. Urion kann auf seinem Krankenlager kaum den Kopf heben, aber redet von nichts als den Pferden, die er von mir haben will, um die Verluste der Grenzreiter in der heutigen Schlacht auszugleichen.“ Der Kressenburger schüttelte traurig den Kopf und sah ein letztes Mal auf die Toten seiner Landwehr. Er wollte sie und ihr Opfer nicht vergessen, wenigstens das war er ihnen schuldig. „Wenn es denn sein muss. Du findest mich in meinem Zelt.“ Abrupt drehte Ardo auf den Hacken um und ließ Greifwin in der Dämmerung zwischen den Toten alleine stehen. Er hörte nicht, dass der Eslamsrodener Baron ihm folgte, aber war sich sicher, dass er nicht lange würde auf ihn warten müssen.