Geschichten:Kressenburger Neujahrsstechen 1042 BF - Teil 19

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Fußkampf, Runde 3

Vor den Toren Kressenburgs, Baronie Kressenburg, Praios 1042 BF

Die dritte Gegnerin von Aardor war noch kleiner als er und ein ganzes Stück schmaler. Doch das hatte nichts zu bedeuten, und sie wussten das. Sie mochten zwar jung sein, aber das hieß ja nicht, dass sie dumm waren. Bevor die Streiter zu den Waffen gerufen wurden, hatten sie sich kundig gemacht und in Erfahrung gebracht, dass diese Saria den Ruf einer vorzüglichen Streiterin genoss. Gestählt in zahllosen Gefechten mit den Schergen Borbarads. Algirdas hatte eine vage Vorstellung davon, was das bedeutete, denn bei seinem Vater verhielt es sich genauso – und mit ihm war im Kampf nicht zu scherzen. Er vertändelte sich nie, sondern strebte in aller Entschiedenheit und mit kompromissloser Härte voran. „Entweder so oder tot“, pflegte er zu sagen. Algirdas mochte lieber nicht darüber nachdenken, was das für seinen Vetter bedeutete, der sich bisher zwar gut geschlagen hatte, aber im Vergleich eben doch ein blutiger Anfänger war ...

Gespannt verfolgte er den Weg des Moosgrunders zur Mitte des Feldes hin, wo die Kontrahenten einander begrüßten, sich noch ein paar warme Worte vom Herold anhörten und ihre Visiere dann schlossen. Streithacke und Schild gegen Schwert und Schild. Konnte ganz interessant werden, wenn es denn überhaupt etwas wurde.

„Ich schätze, die Frau ist schnell“, murmelte Fählindis an Algirdas Seite. „Schlecht für Aardor. Das ist nicht sein Ding. Wenn er nicht aufpasst, ist die Sache vorbei, ehe er blinzeln kann. Sollte es ihm hingegen gelingen, einen Treffer zu landen ... hmhumhm ... .“ Sie wog den Kopf und verzog die Lippen zu einem schiefen Strich.

„Dann wird es ordentlich scheppern“, vervollständigte Algirdas den Satz. „Kleine Wette gefällig, werte Base?“

„Zuletzt ein bisschen zu viel mit Bärfang rumgehangen, werter Vetter?“, sie grinste ihn an, nickte dann aber. „Klar, wetten wir. Ich setze auf Aardor. Wenn er verliert, diene ich euch beiden beim Tjost als Knappin. Wenn er gewinnt, wirst du ihm und mir dienen und mich für den Rest der Turney aushalten. Irgendwie muss das Risiko, das ich hier eingehe, ja honoriert werden!“

Algirdas blinzelte die Habechhegen verwundert an. Das war wieder so eine typische Merkwürdigkeit. Er an ihrer Stelle hätte bei dieser Wette vorsichtiger gesetzt. Aber wer war er, sie daran zu erinnern, wie schlecht Aardors Chancen standen. Mit einem Achselzucken schlug er ein und wandte den Blick zum Kampfplatz, wo sein Vetter und die Koscherin damit begonnen hatten, einander zu umkreisen. Keiner von beiden schien den Anfang machen zu wollen, also belauerten sie sich erst mal ein bisschen. Dabei sahen die Bewegungen des jungen Bärwaldeners neben denen seiner Gegnerin irgendwie nach tumbem Bauern aus, aber so was kam vor. Das musste nicht unbedingt bedeuten, dass ...

Algirdas Gedanken kamen zum Erliegen, als die Koscherin vorschnellte und eine Finte schlug, die Aardor sichtlich aus dem Tritt brachte. Es machte den Eindruck, er würde der sirrenden Klinge noch staunend hinterher schauen, als die sich schon nicht mehr in der rückwärts-, sondern erneut in einer Vorwärtsbewegung befand. Sein Schild hing weiter an der Stelle, an der er den ersten Angriff hatte abwehren wollen und irgendwie wirkte es, als sei er drauf und dran, über die eigenen Füße zu stolpern. Mit der Situation war er jedenfalls überfordert. Für einen Augenblick, der bei einem weniger versierten Gegner vielleicht gar nicht so gefährlich gewesen wäre. Diese Saria jedoch legte eine geradezu perfekt geführte Attacke nach, die den Kampf zu Ende bringen sollte – aber sicher nicht auf die Art, auf die sie es nun tat.

Denn Aardor war tatsächlich ins Taumeln geraten und hatte seinen Vormarsch daher nicht mehr im Griff. Reichlich unkoordiniert stürzte er auf seine Gegnerin zu, die diese Bewegung nicht vorhergesehen hatte und vom eigenen Schwung und der eigenen Schnelligkeit getragen leider auch nicht mehr nachbessern konnte. So fiel Aardor ihr quasi ins Schwert. Mit der Schulter voran, die zum Glück gepanzert war. In stummer Andacht beobachtete Algirdas, wie die Waffe der Koscherin kreischend über das Geschübe fuhr – und dann zwischen Halsberge und Kettenhemd. Wie sie erst tief und dann immer tiefer den Leib seines Vetters sank. Tiefer als gut war, jedenfalls. Tiefer als sie es hätte tun sollen.

Algirdas stockte der Atem, und er suchte den Blick seiner Base, die jedoch wie gebannt auf das Geschehen im Ring starrte. Dort hatten die Gegner sich unterdessen getrennt. Schneller, als der Stockacher es für möglich gehalten hatte. Sie standen beide und Aardor bedeutete dem Kampfrichter mit einer knappen Geste, dass alles beim Besten war. Im gleichen Moment fiel Algirdas’ Blick auf die Waffe der Koscherin, die blutverschmiert war. Sicher einen Spann breit, was eigentlich nur heißen konnte ... er ließ den Blick weiter gleiten, zur Schulter seines Vetters, wo im ersten Moment aber nichts zu sehen war. Hatte das Schwert irgendwie doch einen Weg zwischen Hals und Schulter hindurch gefunden? War alles nur halb so wild?

Algirdas wollte schon aufatmen, als er bemerkte, wie Aardors Bewegungen ins Stocken gerieten. Als würde er jetzt erst bemerken, dass etwas nicht stimmte. Er nahm die Streithacke in die linke Hand und tastete mit der rechten nach seiner Schulter. Als er sie wieder zurückzog, war sie genauso rot, wie das Schwert der Koscherin. Nicht gut! Der Stockacher hörte, wie seine Base leise zischte, während Aardor sich im Schneckentempo umwandte. Von seiner Gegnerin ab und zur Bande hin, wo er sie wusste – Fählindis uns Algirdas. Letzterer war sicher, dass er ihnen einen hilfesuchenden Blick zuwarf, doch ob des geschlossenen Visiers war das schwer zu sagen. Und dann brachen seinem Vetter auch schon die in den letzten Momenten ohnehin wackelig gewordenen Beine weg.

„Scheiße!“, entfuhr es Fählindis. Sie zögerte jedoch nicht. Genauso wenig wie Algirdas. Beide tauchten sie unter der Absperrung hindurch, um an die Seite ihres Vetters zu eilen.

Während die Koscherin wie versteinert da stand und stumm auf das Geschehen zu ihren Füßen starrte, begann Fählindis nach den Feldschern zu brüllen und Algirdas ging neben seinem Verwandten in die Knie, um sich einen ersten Eindruck von dessen Wunde zu verschaffen. Er zerrte am Schultergeschübe und machte den blutigen Fleck aus, in den Aardor seine Finger kurz zuvor gelegt haben musste. Grob auf Höhe des Schlüsselbeins und rasch wachsend. So sah es jedenfalls aus, aber zuverlässig beurteilen konnte er das aufgrund des Kettenhemds nicht ...

Deshalb war der Stockacher auch froh, als die herbeigerufenen Helfer neben ihm auftauchen. Kräftige Hände griffen nach dem Leib des Bärwaldeners und hievten ihn rasch auf eine Trage. Dann ging es auch schon ab: Sie schafften Aardor, der das alles ohne ein Wort oder ein Zucken über sich ergehen ließ, vom Kampfplatz. Fählindis blieb an ihrer Seite, während Algirdas die Axt und den Schild des Rauheneck vom Boden aufklaubte. Erst da wurde ihm bewusst, dass die Koscherin noch immer ganz in seiner Nähe stand.

„Es tut uns leid, Hohe Dame“, nuschelte er leise und warf ihr einen zerknirschten Blick zu. „Mein Vetter hätte Euch sicher gern einen besseren Kampf geliefert, aber wie es scheint, war die Herrin Rondra ihm heute nicht hold. Beim nächsten Mal vielleicht.“

Nach diesen Worten schob er ab. Redlich bemüht, zu seinen Verwandten und den Greifenfurter Helfern aufzuschließen. Er hoffte, dass es irgendwo hier auf dem Turnierplatz ein halbwegs fähiger Heiler seinen Dienst verrichtete. Denn so, wie es aussah, konnte Aardor einen solchen jetzt gut gebrauchen.


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Texte der Hauptreihe:
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K3. Teil 3
K4. Teil 4
K5. Teil 5
K6. Teil 6
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Autor: Nics-e