Geschichten:Kressenburger Neujahrsstechen 1041 BF - Aus der Kurve

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Kressenburger Neujahrsstechen 1041 BF - Aus der Kurve
27. Praios 1041 BF, Kressenburg, Tjost 2.Runde

Williswintha fühlte sich ein bisschen unwohl. Das lag nicht etwa daran, dass sie in der Tjostbahn stand, mit zwei Lanzen beladen und so nah am Geschehen dran, dass sie beim rasanten Start der Ritter ein paar fliegende Erbröckchen abbekam. Es lag auch nicht daran, dass sie nicht mehr von Herrn Gringolfs Unbesiegbarkeit überzeugt war, nachdem er in der ersten Runde eine durch und durch ... nun ja ... unspektakuläre Leistung gezeigt hatte - mal abgesehen vom letzten Angriff. Es war vielmehr so, dass sie sich mit der albernen Bandage um ihren Kopf ziemlich blöd vorkam.

Sie hatte sich mit Händen und Füßen gegen das dumme Ding gewehrt. Ihr wäre es lieber gewesen, alle hätten die riesige Platzwunde auf ihrer Stirn gesehen. Das hätte sicher um einiges verwegener gewirkt. Aber Henk bestand auf dem Wickel. Also stand sie jetzt wie eine halbe Mumie in der Gegend herum und hatte Angst, sich zum Gespött der Leute zu machen. So sehr, dass es ihr schwer fiel, sich auf das Geschehen in der Bahn zu konzentrieren. Es reichte gerade aus, um zu erkennen, dass Herr Gringolf bei seinem ersten Angriff wieder nicht viel Leidenschaft an den Tag legte. Er kam auf sie zu galoppiert, weil sie sich quasi im gegnerischen Lager postiert hatte, während Stig am anderen Ende der Bahn wachte.

Sie sah, wie ihr Schwertvater die Lanze senkte – ein bisschen früh vielleicht? Sie sah auch, dass er den Schild seines Gegners traf und dessen Leib durch die Wucht des Aufpralls leicht nach links hinten gerissen wurde. Das war aber nichts im Vergleich zu dem Donnerschlag, der in den Schildarm des Högelsteiners fuhr. Sein Gegner, dieser Baron von Dorfanger von irgendwo in ... der Nähe, landete einen perfekten Treffer, der ganz herrlich anzusehen war. Sogar von hinten. Weniger herrlich war die Tatsache, dass der Oberkörper von Herrn Gringolf nach hinten gedrückt wurde, bis sie fürchtete, dass der hohe Gestechsattel ihm den Rücken brechen würde.

Williswintha hätte sich gern abgewandt, sah aber pflichtschuldig hin und glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen, als ihr Herr sich mit einer akrobatischen Meisterleistung auf dem Rücken seines Pferdes hielt. Gut, er ließ die Lanze fahren, um mit beiden Händen zugreifen zu können. Und in all dem Winden und Rudern verlor er leider auch den Kontakt zum rechten Steigbügel. Das war jetzt nicht so das Wahre, aber gleich wie: Er blieb im Sattel. Ein begeistertes Lächeln eroberte die Züge der jungen Stockacherin und sie ballte im Stillen die Faust. Ein blödes Wort noch darüber, das Sichler nicht reiten konnten und sie würde dem Spötter eigenhändig das Maul stopfen!

Dann war Herr Gringolf auch schon heran und sein schlachterprobter Wallach warf sich am Ende der Bahn ganz von selbst herum. Er wusste schließlich, dass es gleich in die andere Richtung gehen würde. Während die beiden wendeten, riskierte Williswintha einen kurzen Blick auf die Lanzen in ihrem Arm. Welche wohl die bessere sein mochte? Sie war noch ganz in ihre Betrachtung vertieft, als plötzlich etwas von oben heran gerauscht kam. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück und sorgte so dafür, dass ihr Schwertvater ihr direkt vor die Füße und nicht auf sie drauf fiel.

Einen Augenblick stand sie wie vom Donner gerührt. Starrte auf ihn hinab und hätte sich am liebsten die Augen gerieben. Warum das denn jetzt? Das Schlimmste hatte er doch überstanden gehabt? War er nun wirklich bei dem kleinen Wendemanöver seines Rosses aus der Kurve getragen worden? Das gab es doch gar nicht. So eine Scheiße!

Herr Gringolf schien das ähnlich zu sehen, denn aus seinem Helm tönte erst ein unflätiger Fluch heraus und dann leises Lachen, das allerdings nicht wirklich amüsiert klang. Schließend schüttelte er den Kopf und setzte sich auf. Verletzt hatte er sich offenbar nicht. Aber vielleicht sollte sie sich fürs Reiten dennoch einen anderen Lehrmeister suchen?