Geschichten:Koscher Fuchs - Bittsteller

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1033 BF, Gutshof derer zu Stippwitz am Angbarer See

Dramatis Personae

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Alleine saß Iralda in dem großen schweren Eichenholzstuhl in dem Vorzimmer der Schreibstube und sah hinaus auf die Weiten des Angbarer Sees. Die Sonne war noch nicht gänzlich aufgegangen und tauchte das Gewässer in ein ansehnliches Licht. Er lag so friedlich da und wäre nicht ihr Anliegen, welches sie zappelig werden ließ, hätte der Ausblick zur gänzlichen Entspannung führen können.

Iralda trappelte nervös mit den Schuhen auf dem Holzboden, der den Klang noch ein wenig untermalte, als eine Glocke aus dem Inneren des vor ihr liegenden Raumes klingelte und eine Dienstmagd diesen rasch betrat, um just gehetzt wieder hinaus zu kommen.

Die Bärenauerin schaute sie fragend an, doch bevor sie ein Wort an die Magd richten konnte war sie schon wieder fort geeilt. Die Stunden vergingen und ein Schwarm Enten mitsamt ihrer Jungen schwamm in ihrer Sichtweite vorbei.

In der Zwischenzeit reichte die Dienerschaft ihr eine warme Mahlzeit zum Mittagessen und auch in das Zimmer wurden einige Speisen serviert.

Iralda, deren Gesäß vom langen Sitzen schon wund zu sein schien, lief auf und ab, als ein älterer Herr mit einer Halbglatze und einem dichten Vollbart die Amtsstube betrat.

Ihre Neugier spornte sie an und sie konnte es sich nicht verkneifen ihre Ohren an die Holztür zu legen. Doch das schwere Eichenholz, aus dem die Tür geschnitzt war, ließ kaum einen Laut hinausdrängen. Einzig hitziges Gemurmel konnte sie erahnen.

Es kam ihr vor als säße sie schon Tage in dem Empfangsraum, doch in Wirklichkeit war noch nicht einmal ein ganzer Tag vergangen.

Mehrere Bedienstete schoben ein gut duftendes Essenswägelchen in das Zimmer und ließen die Türe beim Hinausgehen geöffnet.

Eine tiefe Stimme räusperte sich aus dem Raum, die sie als die ihres Großvaters Gobrom erkennen konnte. „Komm doch hinein mein Kind, sonst wird die Angbarer Käseschmelze noch kalt.“

Iralda folgte der Einladung in den Raum, während die drei Herren der Etikette entsprechend aufstanden und nahm zwischen ihrem Großvater und ihrem Onkel Garbo zu Stippwitz an dem runden Tisch platz. Ihr Gegenüber stellte sich als ihr entfernter Verwandter Roban Albertin zu Stippwitz vor.

Die Männer tunkten Brotkrümel in den Käse und ließen es sich bei einem guten Gebrannten schmecken. Einzig Roban verzichtete auf den starken Brand. Iralda wartete, scheu wie ein Rehkitz, und hoffte darauf zu erfahren, wie sie sich entschieden hatten, als ihr Roban einen Spieß mit einem Stück Brot aufgereiht reichte. „Jetzt iss schon, es wird Dir schmecken.“

Sie unterhielten sich weder über Geschäfte des Handelshauses noch über ihre Sitzung. Ihre Unterredung war einzig und allein von der Kurzweil geprägt.

Iralda genoss den warmen Käse, musste sich jedoch zugestehen zuviel von der köstlichen Mahlzeit zu sich genommen zu haben. Ein Grinsen huschte über das Gesicht ihres Onkels, während er ihr einen Absacker reichte. Er selbst hatte drei kleine Schnäpse in erstaunlicher Geschwindigkeit getrunken. „Du wirst Deiner Mutter immer ähnlicher. Du siehst ihr nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, du besitzt auch den gleichen Heißhunger auf die Angbarer Käseschmelze.“

Ein Lachen füllte den Raum, auch wenn im Unterschwall alle mit einer gewissen Trauer an Ophelia zu Stippwitz erinnert wurden, die vor einigen Jahren in der Blüte ihres Lebens plötzlich und unerwartet den Gang in die Hallen Borons antreten musste.

Gobrom und Garbo schauten zueinander, als ihr Onkel ihrem Großvater das Wort zusprach, während Garbo den Raum verließ. „Die Geschäfte warten und Zeit ist Geld. Viel Glück, mögen die Götter und der gute Roban Dir zur Seite stehen.“

Das alte Oberhaupt des Hauses Stippwitz goss sich noch etwas von dem Schnaps in seinen Becher und prostete den Beiden verbliebenen zu. Dann hob er bedächtig an, wie es ihm zu Eigen war, jedes Wort abzählend wie im Geschäft: „Meine liebste Iralda, wir haben uns lang und sehr ernsthaft mit Deinem Anliegen auseinandergesetzt. Es ist uns ein Bedürfnis, und vor allem mir als Ophelias Vater, dass ihr Erbe in Dir weiterlebt. Deine Baronie ist in einem desolaten Zustand, aber wir denken, es könnte eine Investition in die Zukunft sein. Die Lage Bärenaus ist gut und nah an der Kaiserstadt. Ebenfalls ist das Geld, welches Dir das Haus Ochs zur Verfügung gestellt hat, mehr als beachtlich, und so haben auch wir uns entschlossen, Dir unter die Arme zu greifen. Dennoch sind wir keine von dem Aussterben bedrohte alte Familie, sondern vor allem ein Handelshaus; und wenn ich Dir meine Unterstützung zusage, so haben auch meine restlichen nahen Verwandten, die mir lieb und teuer sind, ein Anrecht auf meinen Beistand. Daher möchten wir mit Dir ein Geschäft abschließen. Du erhältst eine große Summe Gold …“, er legte ihr ein Papier vor und deutete auf eine Zahl, was Iralda erst einmal zum Durchprusten zwang, „die jedoch an einige Bedingungen geknüpft ist. Wir erhalten die Einkünfte der Baronie Bärenau als Pfand, samt allen beweglichen und unbeweglichen Gütern, so in Deiner Hand, sowie die Übertragung aller Verpflichtungen und Verbindlichkeiten, insonderheit der Lehnsfolgen - solltest Du das Darlehen nicht zurückzahlen können. Da ich aber ungern Schulden bei meiner Enkelin eintreiben möchte, wird Dich Roban unterstützen. Ich denke mir, es wäre sinnvoll, wenn Du Sorge dafür trügest, dass der Stadtrat ihn zum neuen Stadtvogt von Bärenau ernennt. So hat er ein Ohr an den Geschehnissen und wird Dir ein treuer Berater und vor allem Lehrmeister sein. Du bist eine intelligente junge Frau mit einem guten Geschäftssinn, wie ich meine, schließlich fließt Stippwitzblut durch Deine Adern. Dennoch musst Du Dich erst in Deiner neuen Situation zurecht finden, denn Schmarotzer und Gauner lauern überall.“ Gobroms sanfter Blick lag mahnend auf seiner Enkelin, als er endlich geendet hatte. Dann zeigte er das Lächeln, das nur für seine Kinder und Enkel reserviert war - eine seltene Ware.

Iralda fiel ihrem Großvater freudig in die Arme und ignorierte den Passus, dass sie ihre Baronie nun praktisch in die Hände des Handelshauses Gebrüder Stippwitz überschrieben hatte. Nach der beschwingten Umarmung blickte sie zu ihrem Großvater. „Ein bisschen Gold bräuchte ich als Vorschuss, ich muss den Stadtrat doch noch überzeugen Roban zum Stadtvogt zu ernennen.“

Der eben Angesprochene und Gobrom konnten sich ein wohlwollendes Lachen nicht verkneifen. „Ich sagte doch, Roban, sie ist eine echte Stippwitz. Du musst ihr nur den richtigen Weg zeigen, den Rest wird sie schnell lernen.“

Iralda ließ den Abend im Beisammensein der Familie ausklingen, einzig ihren Verlobten Wolfaran vermisste sie bei sich, und hätte in dem vertraulichen Umfeld fast die Leiden der letzten Götterläufe vergessen können.

Es bereitete ihr Freude, den Sonnenuntergang auf dem See zu erblicken und sich geistreich mit ihrem geliebten Großvater zu unterhalten.


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Texte der Hauptreihe:
25. Ing 1033 BF
Bittsteller


Kapitel 1

Ein neuer Stadtvogt
Autor: Treumunde; BB