Geschichten:Keilholtzer Neuordnung - Ohne Travias Segen

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Gasthaus Grafenhaupt, Reichsstadt Greifenfurt, 3.Rondra 1036 BF, kurz nach Mitternacht

Wulfhart wartete. Als er von seinem Besuch beim alten Lucardus ins Grafenhaupt zurückgekehrt war, war ihm wieder die junge Schankmaid ins Auge gefallen, welche Rondwin den Kopf verdreht hatte. Kurzentschlossen hatte er sie zu sich herangewunken und ihr aufgetragen, ihm ein spätes Abendmahl auf sein Zimmer zu bringen. Nun saß er mit dem Gesicht zur Tür an dem kleinen Holztisch und starrte gedankenversunken ins Leere. Er hatte seinem Sohn versprochen eine Lösung für die prekäre Situation des Mädchens zu finden, doch war er sich nicht sicher wie die traviafürchtige Maid seinen Vorschlag aufnehmen würde. Trotzdem würde er bei seiner Entscheidung bleiben, mochte sie für die junge Frau und Rondwin auch bitter sein.

Es klopfte. Innerlich stählte sich der Ritter und straffte seine Gestalt. Wulfhart war ein traviafrommer Mann und was er nun sagen musste, würde auch ihm nicht leicht fallen. Er räusperte sich um der Stimme Festigkeit zu verleihen. „Tritt ein!“

Sofort schob sich die Tür auf und die junge Schankmagd trat herein. Auf einer Hand balancierte sie ein Brett mit einem großen Kanten Brot, einer halben Blutwurst und einem großen Stück Käse. In der anderen trug sie einen gefüllten Humpen mit Bier. Das Gemach war von mehreren Kerzen erhellt, welche in gusseisernen Halterungen an verschiedenen Balken steckten. Fragend blickte die Frau den Ritter an.

„Stell es hier auf den Tisch.“

Die Magd tat wie ihr geheißen und trat dann wieder einen Schritt zurück. „Wünscht Ihr sonst noch etwas Hoher Herr?“, fragte sie brav.

„In der Tat.“ Wulfhart bemühte sich darum die Schärfe aus seiner Stimme zu nehmen und deutet auf den zweiten Schemel im Raum. „Schließe die Tür und setze dich dann zu mir an den Tisch. Ich habe mit dir zu reden.“

Der Blick des Mädchens wurde furchtsam. Sie tat wie ihr geheißen, doch bemerkte Wulfhart sofort wie unsicher sie in all ihren Bewegungen war. Den Riegel an der Tür ließ sie unverschlossen. Schließlich saß sie im Kerzenschein vor ihm und sah ihn angespannt an.

„Dein Name ist also Hildelind?“ Der Keilholtzer erntete ein stummes Nicken. „Und ich nehme an du weiß wer ich bin?“

„Ja Herr. Ihr seid Ritter Wulfhart, Rondwins Vater.“

„So ist es. Und ich gehe davon aus, dass du weißt warum ich dich sprechen möchte?“

Hildelind zögerte einen Augenblick um sich zu sammeln und zwang sich dann dem älteren Mann in die Augen zu sehen. „Ich nehme an, dass Rondwin Euch erzählt hat was passiert ist. Zumindest hatte er mir versprochen dies zu tun…“

„Rondwin hat mir von eurem Rahjastündchen und seinen Folgen berichtet.“ Wulfhart sah das Mädchen bei diesen Worten verschämt zusammenzucken. „Und er hat mich darum ersucht euch meinen Segen zu geben, damit dein Kind nicht in Unehre das Licht Deres erblickt.“ Hildelinds Blick wurde mit einem Mal hoffnungsvoll. Offensichtlich hatte sie nicht daran geglaubt, dass Rondwin sein Versprechen ihr gegenüber halten würde. Umso mehr schmerzte es Wulfhart, dass er ihre aufkeimende Hoffnung nun zerstören musste. „Allerdings kann ich nicht zulassen, dass Rondwin den Bund mit dir, mit einer Bürgerlichen, eingeht. Er ist bereits anderweitig versprochen und wird in wenigen Wochen den Traviakreis beschreiten. Danach wird er bei seinem Eheweib leben und als Ritter die Wacht am Finsterkamm verstärken. So die Götter wollen, wirst du ihn nie wieder sehen.“

Heftig schluchzend lehnte sich die Magd vornüber und verbarg ihr Gesicht in der Schürze. Wulfhart wurde das Herz sogleich doppelt so schwer. Doch so sehr ihn das Mitleid plagte wusste er aber auch, dass ihm hier keine andere Wahl blieb. Die Absprache mit dem Sindelsaumer war getroffen und würde eingehalten werden müssen. Weder er noch Ardo konnten es sich leisten Erlan als finanzkräftigen Freund, Verbündeten und bald Anverwandten zu brüskieren und zu verlieren. Wulfhart wartete ein paar Minuten bis das Mädchen langsam ruhiger wurde und das Beben ihrer Schultern nachließ.

„Wie alt bist du Hildelind?“

„Sechzehn Sommer, seit dem letzten Rahja, hoher Herr.“ Ihre Stimme war noch immer tränenerstickt.

„Gut. Wenn du bereit bist zuzuhören, werde ich dir einen Vorschlag machen.“

Noch immer schluchzte das Mädchen doch rang sie merkbar um Fassung. Schließlich straffte sie sich, sah den Ritter aus roten Augen an und nickte.

„Rondwin hat mir erzählt wie besorgt du darüber bist, was dein Vater zu der Angelegenheit sagen wird. Natürlich wird ihn diese Geschichte nicht sonderlich erfreuen.“ Hildelind nickte unglücklich und wischte sich erneut mit der Schürze über die Augen. „Auch ich bin zugegeben nicht glücklich wegen der Umstände“, fuhr Wulfhart mit ernster Stimme fort, „doch ich habe Rondwin versprochen mich um dich und das Kind zu kümmern. Ich glaube auch eine Lösung gefunden zu haben mit der du leben kannst ohne vor deiner Familie das Gesicht zu verlieren.“ Der Ritter machte eine kurze Pause und wartete bis die Magd sich ganz gesammelt hatte. Er wollte, dass sie alles richtig verstand um eine weise Entscheidung treffen zu können. „Ich selbst werde in einigen Wochen ebenfalls den Traviakreis beschreiten. Obgleich ich ein eigenes Gut mein Eigen nenne, werden meine Braut und ich in den nächsten Götterläufen in Kressenburg, auf der Burg meines ältesten Sohnes Ardo leben. Er ist der Baron über die Kressenburger Lande die südlich der Reichsstadt Greifenfurt liegen. Da ich von den Bediensteten meines Gutes niemanden entbehren kann und auf der Kressenburg bisher keinen eigenen Hausstand führe, biete ich dir an in meine Dienste zu treten. Meine Braut kommt von weit her, aus einfachen Verhältnissen und hat bisher ebenfalls keine Dienerschaft. Rahjamunde ist eine sehr verständige und gütige Person, der du dich, wenn du dies möchtest, auch anvertrauen kannst, ohne dass sie deswegen den Stab über dich brechen wird. Du würdest mit uns auf der Burg leben und, da ich oft auf Reisen bin, dafür Sorge tragen, dass meine Braut stets eine angenehme Dienerin und Gesellschafterin hat.“

„Was wird mit dem Kind, hoher Herr? Und was werden die Leute dort über mich denken? Es wird Gerede geben. Ich weiß nicht ob ich das ertragen könnte.“

„Wenn das Kind kommt, werde ich einen Geweihten rufen lassen der dir beisteht und es segnet. Wenn es das rechte Alter erreicht werde ich dafür Sorge tragen, dass es bei einem Kressenburger Handwerker in die Lehre gehen kann oder, so es die Begabung dafür aufweist, einer der Kirchen in die Obhut gegeben wird. Es mag ein Bankert sein, aber es ist das Blut meines Blutes. Indes soll auch überhaupt niemand erfahren, wessen Kind du unter dem Herzen trägst. Sollte dies je herauskommen, werde ich dich noch in derselben Stunde samt dem Kinde in Schimpf und Schande von der Burg jagen!“ Wulfharts Ton war gerade drohend genug um die Ernsthaftigkeit seiner Aussage zu unterstreichen ohne das Mädchen dabei komplett einzuschüchtern.

„Ich verstehe, Hoher Herr. Dennoch werden die Leute mit dem Finger auf mich zeigen. Und auch wenn ich weit weg im Süden weile, so wird mein Vater sicherlich doch eines Tages davon erfahren. Diese Schande überlebe ich nicht!“ Obgleich sie versuchte ruhig zu bleiben merkte man ihrer Stimme an, dass Hildelind kurz davor stand wieder in Panik auszubrechen.

„Wenn du dies möchtest, so wird niemand außerhalb dieses Raumes von mir erfahren, dass du einen Bankert austrägst. Du bist alt genug um schon verheiratet gewesen zu sein. In Kressenburg wird dir jeder glauben wenn du erzählst du seiest eine junge Witwe und dein Mann läge auf einem Boronsanger in der Wildermark begraben. Wenn du dich auch dann noch vor deinem Vater fürchtest, so wird sich sicherlich ein Mann finden der dich zum Weib nimmt und als dessen Frucht du das Kind vor deiner Familie ausgeben kannst. Du bist jung und hübsch und die jungen Burschen werden sich nicht lange bitten lassen.“

„Ich soll meinen Vater belügen?“ Hildelind schien ehrlich schockiert. Offensichtlich hatte sie diese Möglichkeit noch nicht einmal in Erwägung gezogen. „Hoher Herr, bei aller Güte die Ihr mir erweist, aber das kann ich nicht.“

„Dass dir dies schwer fällt spricht für deine gute Erziehung und die Reinheit deiner Seele. Es bleibt natürlich dir überlassen, was du deinem Vater erzählst und was nicht.“ Wulfhart zuckte mit den Schultern. „Ich zeige dir lediglich einen anderen Ausweg auf, als dich in die Breite zu stürzen oder mit deinem Bankert in Unehre in der Stadt zu bleiben. Ewig wirst du deinen Zustand nicht verbergen können. Nutze mein Angebot oder lass es bleiben.“

Resignierend sanken die Schultern der jungen Frau nach unten. Einige Augenblicke verharrte sie sinnend, bevor sie dem Ritter ein gequältes Lächeln schenkte und nickte.

„Dann haben wir eine Abmachung. Du wirst, wenn du heute nach Hause gehst, deinem Vater von meinem Angebot erzählen dich als Magd für meine Braut in meine Dienste zu nehmen. Ich gehe davon aus, dass er sich der Ehre bewusst ist, die es für dich bedeutet im Haushalt eines Barons zu arbeiten. Ich werde am Praiostag in einer Woche wieder in der Stadt sein und dich mit nach Kressenburg nehmen. Bis dahin erwarte ich, dass du alle deine Sachen hier geregelt hast.“

Hildelind merkte, dass von Wulfharts Seite aus alles gesagt war, erhob sich und ging zur Tür. „Ich denke ich sollte Euch dankbar sein, Hoher Herr. Bitte verzeiht mir, wenn ich im Moment keine solche Dankbarkeit empfinden kann. Vielleicht kommt das ja später, wenn alles seinen Gang genommen hat.“ Sie stockte kurz bevor sie das Zimmer verließ. „Ihr werdet mich am vereinbarten Tag hier im Grafenhaupt finden. Ich wünsche eine geruhsame Nacht, Hoher Herr.“