Geschichten:Jobdan hieß er

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Vater und Sohn ritten einträchtig nebeneinander - ein richtig angenehmer Spazierritt, der dem herrlichen Boronmorgen seine Würze gab. Der Nebel war aufgestiegen und hatte der Sonne Platz gemacht, die ihrerseits die bunten Blätter an den Bäumen in allen Farben von Rot bis Gelb erglühen ließ.

Zerber von Mersingen hatte eine Hermelinkappe auf seine Glatze gesetzt und sich einen warmen Reitmantel mit Pelzkragen übergeworfen, sein Sohn Marbert trugt Wams und Wappenrock und als Reminiszenz an die Jahreszeit einen Schal, den er nur aus sentimentalen Gründen ausgewählt haben konnte - ein solches Grün trug man nur, um einer zarten Hand und einem liebevollen Willen nicht weh zu tun. Marbert war ein paar Finger kleiner als sein Vater und hielt sich nicht ganz so kerzengerade im Sattel wie sein alter Herr. Dennoch: ein Bild von einem Mann, dieser Halsmärker Gardehauptmann.

»Wer wird denn nun auf Schloss Hohenlintzen alles so führen, dass man nach Belonas Tod da wieder zu Besuch kommen kann?«, fragte Zerber seinen Sohn.

»Na, der Sohn, nehme ich an«, antwortete Marbert.

»Na, der ist doch gerade gestorben.«

»Der Junker auf Hohenlintzen? Den haben wir doch gerade erst auf Menzelshall getroffen.«

»Nicht der Junker«, widersprach Zerber, »sein Bruder, der Kastellan.«

»Den kenne ich nicht.«

»Aber den musst du doch kennen! Der ist doch praktisch ein Nachbar von dir. Von Scheuerlintz!«

»Schon klar«, überlegte Marbert, »aber ich sehe gerade kein Gesicht vor mir.«

»Wie er aussah, weiß ich auch nicht. Hab’s vom alten Baltram von Wiehingen. Der Kastellan soll umgekippt und die hohe Freitreppe runtergekullert sein. Schecklich.«

»Schrecklich.«

»War das vielleicht dieser Dicke mit der Tolle?«, riet Zerber.

»Nee, du meinst Ellerding, das dicke Ding. Den Junker von Königslinden. Oder meintest du Germuth von Königslinden

»Quatsch, den kenne ich doch. Den Knicker. Außerdem ist er nicht dick. Dann vielleicht dieser windige Feigling, der sich auf Zwingstein hinter den Weinfässern versteckt hat, als du noch klein warst?«

»Haha! Stimmt, das war witzig. Du meinst Oldebor von Teckelwitz. Der lebt noch. Wie sah denn dieser Scheuerlintz nur aus? Ach, warte: Der andere Dicke, das ist Garmuth von Zierental. Der hat gerade diese jungsche Eslamsgrunderin geheiratet. Ein scheußliches Paar!«

»Das wird kein gutes Ende nehmen«, bemerkte Zerber. »Auf Menzelshall war doch manchmal dieser ehrgeizige Griesgram - das war vielleicht der Scheuerlintz?«

Marbert dachte kurz nach: »Das ist wahrscheinlich der Zeryenburger. Guter Schütze?«

»Ja, genau der!«

»Das ist Zeryenburg, nicht Scheuerlintz. Man, man, man - wie sah denn der nochmal aus. Hatte der so graue Haare?«

»Was weiß denn ich«, zuckte Zerber mit den Achseln. »Egal, tot ist tot.« Beide ritten eine Weile schweigend und grübelnd durch die Herbstlandschaft.

»Jetzt hab ich’s! Jobdan!«, rief Marbert plötzlich.

»Jobdan?«

»Ja, so hieß der Scheuerlintzer Kastellan, der Bruder von Branbert.«

»Und wie sah er aus?«

»Keine Ahnung.«