Geschichten:Intrigenspielchen Teil 2

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Vinsalt

Das Logenhaus der Harbaliom Bosparani war bis zum Bersten gefüllt. Adlige, Reiche und Neureiche standen, saßen oder lagen beisammen, führten gepflegte Konversation, lachten, scherzten, machten Spielchen, aßen, tranken, sangen, tanzten und feierten, kurz gesagt: man lies es sich gut gehen. Es war eine dieser berühmt-berüchtigten Logenfeiern an denen nur auserlesene Gäste teilnehmen durften, von denen die meisten am nächsten Morgen nicht mehr wussten, wie der Abend geendet hat. Auch an diesem Abend flossen Wein und andere edle Tropfen wieder in Strömen.

Nimmgalf hatte über die Kontakte seines Onkels eine der begehrten Einladungskarten erhalten. Er saß in einem Polstersessel und führte mehr oder weniger gelangweilt eine Debatte mit einem gewissen Signore Violar ya Merati über die Vorzüge der zyklopäischen Mode gegenüber der methumischen.

Oh, wie er diese Horasier hasste. Nichts als eitle Gecken und vornehme Snobs waren es in seinen Augen, und das waren noch die nettesten Ausdrücke die ihm einfielen. Zweimal wäre ihm in den letzten Stunden bei völlig belanglosen Diskussionen fast die Hutschnur gerissen, so sehr verstanden es die Vinsalter, mit ihrem blasierten Geschwätz ihn in Rage zu bringen. Doch war er schon lange genug im Geschäft, als dass er sich was anmerken ließ. Er wusste, das er eine Duellforderung gegen einen dieser Gecken nicht gewinnen konnte. Im Fechten war ihm jeder hier um einiges voraus. Ja, wäre man nicht hier sondern woanders, und wären bei Duellen auch schwere Waffen erlaubt, er würde diese aufgeblasenen Heinis mit seinem Anderthalbhänder in Stücke schlagen, doch hier musste er klein bei geben.

Seinen Onkel hasste er ebenfalls dafür, dass er jetzt hier in diesem vor Pomp und Luxus nur so strotzenden Festsalon sitzen musste, anstatt auf den garetischen Frühjahrsturnieren die Herzen der Mädchen im Sturm zu erobern, wie er es sonst immer so gerne tat. „Eure Lieblichkeit, diese Tjoste werde ich einzig und allein für Euch gewinnen.“ Meist reichte ein solcher Satz aus, um eine hübsche Bürgerstochter dahinschmelzen zu lassen. Und wenn man dann seinen Worten auch noch Taten folgen lassen konnte, stand einem netten rahjagefälligen Abend nichts mehr im Wege.

Hier hingegen fühlte er sich völlig verloren. Er merkte rasch, dass ihm hier als Ausländer eine missmutige, ja fast feindselige Stimmung entgegenschwappte.

Die meisten hier mochten keine Ausländer und erst recht keine Mittelreicher.

Nun, das beruhte zumindest auf Gegenseitigkeit.

Seine Diskussion war derweil etwas im Sande verlaufen, offenbar erschien er seinem Gegenüber als zu langweiliger Gesprächspartner. Wen kümmerte es schon. Eher fröre die Wüste Khom zu, bevor er mit einem Signore beim Thema Mode einen Konsens fände.

Stattdessen beobachtete er eine Gruppe junger Damen, die eifrig diskutierend und fächerwedelnd beieinander standen. Sie trugen allesamt weit wallende Röcke, die an der Taille äußerst eng geschnitten waren. Dazu trugen sie weiße Perücken und ihre Gesichter waren stark gepudert.

„Diese Tussis!“ dachte Nimmgalf. „Lästern und tratschen den ganzen Abend, und wenn sie zu viel gegessen haben reihern sie in den Garten, widerlich!“

Gerade spielte die Kapelle zu einem neuen Paartanz auf, einer von diesen, in denen Nimmgalf noch wenig geübt war, obschon er ein recht guter Tänzer war, da kam eine besonders üppige Dame auf ihn zu.

„Verzeiht der Herr“, sagte sie mit eine schrillen, quäkigen Stimme „wäret Ihr so freundlich, mit mir diesen Tanz zu wagen?“

„Fahr zur Hölle!“ hätte Nimmgalf am liebsten erwidert, doch wollte er sich nicht total unmöglich machen. „Es wäre mir ein ausgesprochenes Vergnügen meine Dame.“ Sprach’s und schritt mit ihr auf die Tanzfläche.

Die nächsten Minuten wurden ihm eine schiere Qual. Nicht nur, dass er sich größte Mühe geben musste, bei diesem Tanz keine Fehler zu machen, so langsam begann ein schrecklicher Verdacht in ihm zu reifen. Zumindest ihr schien es zu gefallen. Doch was wenn sie... Vorsichtig fragte er: „Sagt bitte, kennt ihr vielleicht eine gewisse Comtessa Simiona di Silastide-Marvinko?“

Die Miene seiner Tanzpartnerin verfinsterte sich. „Was bitte wollt ihr denn von dieser Zicke?“

Erleichtert antwortete er: „Och, nichts weiter, nur etwas Geschäftliches.“

„Ach so. Na dann, seht ihr die Dame da drüben am Kamin mit dem unmöglichen roten Kleid? Das ist sie.“

Für einen Moment schien für Nimmgalf die Zeit stehen zu bleiben. Dort am Kamin stand eine Frau, die er sich in seinen kühnsten Träumen nicht hätte graziler ausmalen können. Ihr langes, hellblondes Haar war zu einem kunstvollen Gebilde hochgesteckt, ihre blauen Augen schimmerten wie Sterne am Firmament. Ihre feinen Gesichtszüge betonten ihren edlen Ausdruck.

Sie trug ein feuerrotes an der Taille enges und unten weit wallendes Kleid aus Seidentaft mit entblößten Schultern und tiefem goldspitzenbesetzten Ausschnitt. In der Hand hielt sie ein Glas mit Bosparanjer Schaumwein.

Nimmgalf achtete nicht mehr auf seine Umgebung. Er hatte nur noch Augen für diese Göttin in Menschengestalt. „Herr Baron, Herr Baron!“ empörte sich die üppige Dame. „Ihr seid gar nicht mehr bei der Sache, was ist denn mit euch los?“

„Verzeiht mir bitte meinen Fehler Madame. Mir geht es nicht so gut, entschuldigt mich.“ Mit diesen Worten lies er die Dame kopfschüttelnd stehen und begab sich zum Tresen. „Ein Becher Wein, schnell!“

„Kommt sofort.“ antwortete der Schankmeister. Diesen stürzte er hinunter und stand auf.

Schwer atmend und mit einem mulmigem Gefühl im Bauch ging er dann auf die Dame zu, die er die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen hatte.

„Ver.. verzeihung!“ „Ja?“ „ Ich... äh.. ich meine Ihr...“

„Ach, seid I’r nischt der Baron Nimmgalf von `irschfurten?“

„Ja genau, der bin ich.“ entgegnete Nimmgalf.

„Wunderbar, endlisch lernen wir uns kennen“, antwortete sie mit einer Stimme wie Elfengesang und diesem süßen melodischen horasischen Dialekt. Dazu lächelte sie, so dass Nimmgalf meinte, dass tausend Sonnen gleichzeitig aufgingen.

„Euer O’eim `at mir schon viel von Eusch erzä’lt.“

„Nur Gutes hoffe ich.“ wollte er antworten, doch stattdessen sagte er nur: „A... ach ja?“

„Ja! Zum Beischpiel dass I’r ein `ervorragender Tänzer sein sollt. Wollen wir beide denn ein Tänzschen wagen?“

„Sehr...sehr gerne, Comtessa! Von mir aus auch zwei, oder drei, oder den ganzen Abend lang. Was immer Ihr wollt.“

Sie musste hell auflachen, und Nimmgalf erschien es wie das Klingeln von vielen kleinen Glöckchen in allen Tonfarben.

„I’r seid wirklisch süß, Nimmgalf. Euer Onkel `at mir nischt zuviel versprochen. Kommt.“

„Oh Herrin Rahja, lass mich diesen Abend überstehen“, dachte Nimmgalf noch, als er mit weichen Knien der Dame auf die Tanzfläche folgte, die er sich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte.