Geschichten:In diplomatischer Mission - Ritt durch den Wald

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Baronie Waldfang, 27. Rahja 1029BF, nachmittags


Erschrocken fuhr Tsaiana hoch und blickte in das freundlich lächelnde Gesicht eines jungen Mannes. Wer war das denn? Den hatte sie noch nie gesehen. Neugierig musterte sie ihn, diesen Mann, der sie so überrascht hatte. Anga war ja ein toller Jagdhund aber zur Wache taugte er nicht. Jetzt erst realisierte sie, was der junge Mann gerade gesagt hatte. Sie errötete leicht, war aber gleichwohl geschmeichelt. Und kräftig sah der Fremde auch aus. Endlich hatte sie ihre Sprache wieder gefunden. "Habt dank für die schmeichelnden Worte. Wer seid ihr, dass ihr mich so erschreckt? Ein Jäger scheint ihr nicht zu sein. Oh, verzeiht", sie räusperte sich kurz, "mein Name ist Tsaiana von Waldfang-Angerwilde, ich bin die Nichte der Baronin." Sie hielt sich dabei die Hand über die Augen, um die Sonne abzuschirmen. Und natürlich um den fremden Mann unauffälliger beäugen zu können. "Setzt euch doch bitte zu mir ins Gras, es ist herrlich hier und es lässt sich unkomplizierter reden. Falls es eurem Stande und eurer Kleidung nicht zuwider ist." Sie lächelte ihn freundlich an und wartete gespannt, was er wohl tun würde.

"Verzeiht, meine Dame, dass ich Euch so erschreckt habe. Als ich Euch so im Gras liegen sah, konnte ich nicht anders. Die Worte sprangen mir aus meinem Herzen, ehe ich wusste, wie mir geschah. Ich bin Raulfried Haltreu von Schwarztannen, Baron von Schwarztannen", sagte er in einer formvollendeten Verbeugung. Er lächelte sie an, es war genau die Reaktion, die er sich erhofft hat. Ihm war die leichte Röte auf ihren Wangen nicht entgangen. "Und nichts ist mir zuwider, sofern es mir nur erlaubt ist in Eurer Gegenwart ein wenig zu verweilen." Mit diesen Worten ließ er sich neben ihr ins Gras fallen. Fasziniert blickte er in ihre wunderschönen Augen und merkte, wie auch ihm heiß im Gesicht wurde. "Einen schönen Ort habt Ihr Euch für Eure Rast ausgesucht. Kommt Ihr oft hierher?", versuchte er seine Unsicherheit zu überspielen, denn Ihr Blick fesselte ihn noch immer.

"Nun, eigentlich nicht." Sie sah jetzt ein wenig wehmütig dem Hund zu, wie er übers Gras tollte. "Seit ich die Geschäfte meiner Tante übernommen habe, komm ich nicht wirklich dazu. Barulf, unser alter Vogt, liegt mir ständig mit den täglichen Belangen, den Problemen und Entscheidungen ihn den Ohren. Und wenn das endlich erledigt ist, geht’s weiter mit Politik, den Adelshäusern und so weiter. Ich versuch wirklich mir alles zu merken, aber manchmal ist es einfach zu ermüdend. Und dann… nun, dann nehme ich mir einfach eine Auszeit." Sie schaute Raulfried einen Moment etwas unsicher an, aber dann lächelte sie verschmitzt. "Wenn ihr schon hier seid… vertreibt euch doch mit mir die Zeit. Ich wollte ein wenig jagen. Und da ihr ja schon sagtet, dass euch meine Gesellschaft beliebt…" Sie zwinkerte ihm zu und war mit einem mal katzengleich auf den Beinen und pfiff. Sofort kam ihr Pferd und sie schwang sich in den Sattel. "Was meint ihr? Haltet ihr Schritt?" Ihre grünen Augen funkelten und sie schaute ihn erwartungsvoll an.

Und schon war sie losgaloppiert. Eins musste man ihr lassen, reiten konnte sie wirklich. Nun gut eine Herausforderung ist eine Herausforderung. Lachend lief Raulfried zu seinem Pferd und schwang sich ebenfalls in den Sattel. "Jetzt müssen wir wohl zeigen, was wir können, Harulf", tätschelte er den Hals seines Pferdes. "Auf geht's!" Raulfrieds Tralloper Riese bäumte sich kurz auf und preschte dann hinter Tsaiana her. Es ging über Stock und Stein, unter tief hängenden Ästen hindurch und über umgefallene Bäume hinweg. Raulfried war sichtlich beeindruckt, wie sicher sich Tsaiana mit ihrem Pferd bewegte. Ihr Pferd war gut geschult und sehr wendig, wenn auch nicht ganz so kraftvoll, wie Raulfrieds Hengst. Nur mit Mühe konnte Raulfried nach einiger Zeit zu ihr aufschließen. "Wollt ihr mir nur Eure Reitkünste zeigen, oder wisst ihr damit auch etwas anzufangen", neckte er sie und zeigte auf ihren Bogen. Beide verlangsamten den Ritt. Wieder lächelte sie ihn verschmitzt an und stieg vom Pferd. "Wollt Ihr es herausfinden?"

"Nichts lieber als das, doch sollten wir nun still sein, sonst schrecken wir das Wild auf." Genau in diesem Moment schien Tsaianas Hund anzuschlagen. Tsaiana und Raulfried folgten dem Hund durchs dichte Unterholz. Sie sahen zu, wie er die Witterung aufnahm und überlegten, welches Tier der Jagdhund wohl aufgespürt hatte.

Nach einiger Zeit konnten sie in ca. 50 Schritt Entfernung ein Reh ausmachen. Tsaiana zog leise einen Pfeil aus ihrem Köcher und legte ihn auf die Sehne. Sie nahm Maß, spannte den Bogen und zielte auf das Reh. Vorsichtig legte Raulfried seine Hand auf ihre Schulter. "Haltet ein", flüsterte er ihr ins Ohr und zeigte auf das Reh. "Was soll…", wollte sie ihm ärgerlich sagen, als auch sie plötzlich das kleine Kitz im Gras sah.

"Bei Tsa!", entfuhr es ihr überrascht.

"Es ist doch nichts geschehen. Erfreuen wir uns an der Schönheit der Geschöpfe Firuns", versuchte er sie etwas aufzumuntern. "Lasst uns doch noch etwas Spazierengehen. Ich genieße es richtig in Eurer Gegenwart diesen wunderschönen Wald zu erkunden." Lächelnd ergriff Raulfried ihre Hand, zog sie zu sich heran und steckte ihr vorsichtig eine zarte Blüte ins Haar.

Tsaiana, die merkte wie ihr erneut Farbe ins Gesicht schoss, ging einen Schritt zurück und betastete vorsichtig die Blume. "Wenn ihr mit dem Schwert so gut umgeht wie mit euren Worten, dann seid ihr ein ernst zu nehmender Gegner." Sie musste schon wieder grinsen. Dieser junge Mann war ihr doch sehr sympathisch und es war erfrischend, sich mit ihm zu unterhalten und durch die Ländereien zu streifen. "Werter Raulfried, ihr habt recht, lasst uns doch ein wenig durch den Wald streifen und dann gemächlich zur Burg meiner Tante zurück reiten. Doch erzählt, was treibt euch von Schwarztannen hier her? Doch sicher nicht ein Spaziergang mit mir, da wir uns ja noch nicht kannten. Und wie gefällt euch Waldfang? Leider hatte ich in letzter Zeit ein paar Probleme mit den Flüchtlingen, aber ich hoffe, dass endlich Ruhe einkehrt."

Raulfried war enttäuscht, dass der Augenblick so schnell vorüber war. Nun gut, sie möchte es mir also nicht zu leicht machen. "Auf unserem Weg hierher haben wir ein paar dieser Halunken getroffen, wie sie einen armen Bauer verprügelten. Wir nahmen sie fest und übergaben sie den Wachen in eurer Burg." Tsaiana sah ihn überrascht an. Dann seufzte sie. "Habt dank, ich bin den vielseitigen Aufgaben noch nicht ganz gewachsen. Es ist nicht einfach, plötzlich die Verantwortung für eine Baronie zu tragen und sich in die politischen Belange einzuarbeiten. Dazu fällt mir ein, wie steht ihr eigentlich zu dieser Geschichte mit dem neuen Staatsrat? Ich kenne leider keine der Personen die genannt wurden, daher vermag ich mir kein Urteil zu bilden, auch wenn Barulf gern sähe, dass ich Stellung beziehe. Vielleicht könnt ihr mir einen Rat geben?" Sie sah ihn jetzt fast schon hilfesuchend an, während sie mit ihm erneut auf eine Wiese trat. Sie stellte sich vor ihn, sah leicht von unten herauf und wirke dadurch noch unwiderstehlicher auf ihn.

"Das ist in der Tat eine schwierige Frage. Ich würde Euch liebend gerne einen Rat dazu geben, allerdings befinde ich mich ebenfalls in der Situation, viele der Kandidaten nur vom Papier her zu kennen. Persönlich habe ich mich noch nicht entschieden, ob ich und für wen ich eine Stellungnahme abgebe. Wichtig ist für mich, dass die Person zum Wohle der Grafschaft Reichsforst ist. Ich denke, dass Ederlinde von Luring in diesem Sinne die richtige ist. Stutzig machen mich allerdings zwei Dinge."

"Und die wären?" fragte sie ihn interessiert.

"Ich frage mich, wieso sich Luidor von Hartsteen plötzlich in die Reichsforster Politik einmischt mit seinem Vorschlag. Des Weiteren interessiert mich sehr, wieso Nimmgalf von Hirschfurten seinen Vetter vorgeschlagen hat. Es heißt doch, dass er und Ederlinde bald den Traviabund eingehen sollen", fuhr Raulfried weiter fort. "Ihr fragtet mich, was mich nach Waldfang geführt hat. Ich war auf dem Weg nach Hirschfurten um mit dem Baron über den Staatsrat zu sprechen. Meiner Mutter lag viel daran, dass ich Eurer Tante und vor allem Euch einen kurzen Besuch abstatte, woran mir allerdings zuerst nicht gelegen war. Allerdings offenbart sich Phex oft auf wundersame Weise, denn nun möchte ich meine Reise gar nicht mehr fortsetzen", sanft zog er sie zu sich heran und blickte ihr tief in ihre wunderschönen grünen Augen, "Ich wünschte dieser Moment würde nie vergehen. Ich fühle, dass mich mehr zu Euch geführt hat. Die wenigen Stunden in Eurer Gegenwart haben in mir einen wahren Gefühlssturm entfesselt. Ein Blick in Eure Augen lässt mich alles um uns herum vergessen. Tsaiana, ich…", versagte ihm dann schließlich die Stimme. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals.



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27. Rah 1029 BF zur mittäglichen Traviastunde
Ritt durch den Wald
Auf einer Wiese


Kapitel 6

Der Abschied