Geschichten:Im Kressenburger Forst – Reise in das Herz des Mittwaldes

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28. Rondra 1043 BF:

Gut gestärkt machte sich die Reisegruppe am nächsten Morgen auf den Weg nach Silz. Wenige Meilen südlich der Stadt Kressenburg überquerten sie bereits die Grenze nach Waldstein und durchritten wenig später den kleinen Markflecken Hagenbronn, dem Hauptort des Stammlehens von Siglindes Familie. Irgendwann einmal würde sie die Lande als Junkerin beherrschen. Doch, wer wusste schon was die Zukunft bereit hielt? Ihr Onkel Falk war nominell Junker der Hartenau, doch der wuchernde Wald nahm sich das Land wieder und so war Falk nun ein Herr ohne Land. Sie hoffte inständig, dass auf sie ein anderes Schicksal warten würde. Vielleicht würde sie gar einmal den Baronsreif von Ulmenhain tragen – das wünschte sich zumindest ihr Vater für sie. Doch sie hatte ihren eigenen Kopf. Es war etwas eigenartig mit Baron Ardo durch die Lande ihrer Familie zu reiten, hatte dieser doch ihren Bruder wegen Schmuggleraktivitäten hinrichten lassen. Unter anderen Umständen wären sie sicher auf dem Gut der Familie eingekehrt, aber sie hielt dies nicht für angebracht. Sie wollte den Kressenburger Baron nicht in eine kompromittierende Lage bringen. Sie hatte ihn über die letzten Tage beobachtet. Er schien ein aufrichtiger Mann zu sein – mehr, als sie von ihrem Bruder sagen konnte.

So ritt die Gruppe durch den kleinen Ort, der erst vor wenigen Götterläufen das Marktrecht erhalten hatte. Am neuen Marktplatz wurde emsig an einer hölzernen Markthalle gebaut.


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Die Reiter folgten dem Elfenpfad und passierten die mächtige Burg Ulmenhain, einst Sitz des berüchtigten Dexter Nemrod.

„Wie war der eigentlich so, der Nemrod?“, fragte Rowan und schloss mit seinem Pferd zu Siglinde auf.

„Du hast von dem Nemrod gehört?“ Der Spott in Finyaras Stimme war kaum zu überhören. „Du warst noch gar nicht geboren als er starb!“

„Ich habe bei meinen Geschichtslektionen aufgepasst!“, antwortete der Knappe etwas angefressen. Was würde er noch tun müssen, bis Finyara ihn für voll nahm.

„Rowan lernt eifrig – gleichsam mit dem Schwert und mit dem Folianten.“ Solch lobende Worte hörte der Knappe selten von seiner Herrin Baronin Selindra, daher war er sehr dankbar dafür.

„Der Nemrod, der war doch kaum hier“, begann Siglinde zu erzählen. „Aber seine Witwe, die wohnt noch heute in dieser Festung.“

„Und wie ist die so?“, wollte Rowan wissen.

„Als sie jünger war, hat sie sich sehr von den Idealen Rahjens leiten lassen, wenn du verstehst was ich meine.“ Siglinde lächelte verschmitzt. „Heutzutage ist sie glaube ich bedächtiger geworden, aber wer weiß das schon so genau. Sie lebt sehr zurückgezogen und mit wenigen verbliebenen Vertrauten auf der großen Burg. Ah und die Magier müssen um ihre Erlaubnis fragen, wenn sie einen Blutulmenzweig für ihren Zauberstab brechen wollen.“

„Habt Ihr auch einen Magierstab von hier?“ Rowan drehte sich zu Ealdur um. Dieser verneinte mit einem Kopfschütteln.

„Welch unterhaltsame Geschichte, meine Herrschaften.“ Howarth lächelte milde. „In kürze werden wir Wegscheidenskrug erreichen.“


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Die sogenannte Wildnisherberge Wegscheidenskrug lag an einer Weggabelung. Gen Osten führte der Elfenpfad weiter Richtung Osenbrück und Tannwirk und von dort aus über den Grafenpfad weiter nach Silz. Gen Süden begann der Grafenstieg, der mitten durch den verwunschenen Forst nach Silz führte. Wegscheidenskrug lag nur wenige Meilen von der mächtigen Reichsfestung Gerbaldslohe entfernt und war so ein sicherer Ort um hier zu rasten.

Der Gastraum der Herberge war urig eingerichtet. Überall hingen Jagdtrophäen und Mitbringsel von Reisenden an den Wänden. Wirtin Myria Bieberschlag war eine rundliche, überaus freundliche Gastgeberin, die jeden Ankommenden persönlich begrüßte. Viele Händler machten mit ihren Karrenwagen hier Station, lag die Herberge doch jeweils eine Tagesreise zwischen den Städten Kressenburg und Osenbrück.

„Von hier aus führen zwei Wege nach Silz, der eine über den Grafenstieg durch den Forst, oder aber wir reisen weiter auf dem Elfenpfad und dann später über den Grafenpfad nach Silz. Die erste Option ist weitaus kürzer von der Strecke her, die Qualität der Wege ist bei Option zwei weitaus besser.“ Selindra blickte in die Runde.

Wirtin Myria Bieberschlag trat mit einer Hand voll Krügen mit Essentaler Schwarzbier an den Tisch und stellte sie dort ab. „Herrin Selindra, Der Grafenstieg, da kommt Ihr nicht mehr durch. Ehrwürden Noix wollte ein paar Fässer aus dem Klostergut nach Silz bringen lassen. Sie kamen jedoch nie in an, das weiß ich von Isfarion und der ist immer gut informiert. Gestern erst kam ein Reiter zurück kurz nachdem er hier aufgebrochen war … er meinte, er würde den Grafenstieg nicht mehr finden. Nur noch Wald, sonst nichts.“

„Dem müssen wir auf den Grund gehen“, rief Finyara mit kräftiger Stimme.

„Dein Tatendrang in allen Ehren, Finyara, aber alles zu seiner Zeit.“ Selindra deutete auf die schwarze Lanze an Ardos Seite. „Wir haben als erstes unsere Pflicht gegenüber unserer Gräfin zu erfüllen, dann werden wir uns um den zugewucherten Grafenstieg kümmern.“ Die Anwesenden nickten. „So ist es beschlossen, wir reisen auf dem Elfenpfad weiter. Es wird mir eine Ehre sein euch alle Gastung in meinen Landen zuteil kommen zu lassen.“


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Nach dem Bier und einer kleinen Stärkung zog die Gruppe auch schon weiter. Die Zeit drängte, wollten sie doch vor Einbruch der Dunkelheit noch in Osenbrück sein. So ritten sie vorbei an der mächtigen Reichsfeste Gerbaldsloh, am tiefblauen Birkentau mit seiner Seefestung Birkenkopf, am neugegründeten Gut Fuchsenstreich (in dem ausschließlich Siedler aus dem fernen Perricum lebten) und erreichten schließlich die Festunsgsstadt Osenbrück mit ihren mächtigen Mauern.

Am Marktplatz, im geographischen Zentrum der Stadt, lag der Tempel der drei lieblichen Schwestern von den Feldern. Dieser Tempel stellte in vielerlei Hinsicht eine Besonderheit dar. Im Zentrum der Anlage wuchs eine mächtige, tausendjährige Eiche, um deren Stamm sich die Altäre der Göttinnen Tsa, Peraine und Rahja gruppierten. Den jeweiligen Altären gegenüber befanden sich Gebäude, die jeweils einer der Göttinnen geweiht und mit Torbögen miteinander verbunden waren, so dass die Gebäude um die uralte Eiche einem Innenhof bildeten. Das Haus der klappernden Störche beherbergte ein Siechenhaus mit Heilern und Kräuterkundigen, während im Haus der himmlischen Pferde ein Badehaus untergebracht war. Hier konnte der Entspannung Suchende auch eine der Schwitzkammern aufsuchen, die mit wohlriechenden Ölessenzen versehen waren. Das Haus der schillernden Eidechsen beherbergte ein Waisenhaus und bot u.a. Hebammen ein Zuhause. Aber auch Neuerungen aus aller Welt wurden hier ausgestellt und vorgeführt. Geleitet wurde der Tempelkomplex gleichberechtigt und im monatlichen Wechsel von Tsaruna Regenbogeneidechse, Rahjalina Morgenrot und Perinja Storchennest. Um die uralte Eiche rankten sich viele Sagen und Legenden. Mal war von einer Dryade die Rede, die weit oben im Baum leben soll, mal von Waldgeistern oder Feen.

Dem Tempelkomplex gegenüber auf der anderen Seite des Marktplatzes, aber am anderen Ufer der Zweifel, befand sich die Stadtresidenz der Barone von Osenbrück. Hier wohnte Baronin Selindra mit ihrer Familie.


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Der Baronsgemahl Darbrod von Zweifelfels begrüßte die Ankommenden freudig. Dieser saß in gemütlicher Runde mit den Rittern Ademar von Gugelforst, Wahnfried von Altjachtern und Raulbrin von Gauternburg zusammen. Die vier Ritter hatten den ganzen Tag auf dem nahegelegenen Turnierfeld ihr Können zur Schau getragen uns sahen doch etwas abgekämpft aus.

Bevor sich Baronin Selindra zur Nacht zurückzog, wendete sie sich an Baron Ardo. „Hochgeboren, anlässlich des vierten Todestages meines Vaters werde ich im Efferd nächsten Jahres das Osenbrücker Lanzenstechen zu seinen Ehren ausrichten. Ich hoffe Euch als Ehrengast hier begrüßen zu dürfen.“

„Es wird mir selbstverständlich eine Ehre sein, Eurer Einladung nachzukommen“, antwortete der Greifenfurter mit einer leichten Verbeugung. „Natürlich seid auch Ihr jederzeit ein gern gesehener Gast beim Kressenburger Neujahrsstechen, so Ihr es im Praios einrichten könnt.“

Den Rest des Abends verbrachte der Keilholtzer in Gesellschaft des Barons und der Hausritter. Mütterlicherseits war Ardo ein Vetter von Ritter Adhemar von Gugelforst. Sie waren sich bisher noch nicht persönlich begegnet und der Kressenburger nutzte die zufällige Gelegenheit den unbekannten Verwandten kennenzulernen und dabei selbstverständlich ebenfalls zum Turnier einzuladen.


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29. Rondra 1043 BF

Am nächsten Morgen brach die Reisegruppe gen Süden auf, weiter dem Elfenpfad folgend. Die Straße war in einem bemerkenswert guten Zustand, weit besser als auf dem Streckenabschnitt davor. Die Reiter passierten den Wehrturm Wegwarte, das Lehen von Finyara. Weiter südlich begann bereits die Baronie Tannwirk. An dem schmucken Örtchen Seligenfeld vorbei, erreichte die Reisegruppe gegen Mittag schließlich den Markt Tannwirk, hier kehrten sie in einem der bekanntesten Gasthäuser des östlichen Waldsteins ein. Das Gasthaus zur Goldenen Gans war nicht nur ein ausgesprochen gutes Wirtshaus, sondern auch der Travia-Tempel im Markt Tannwirk. Herbergsmutter und vorstehende Geweihte war Mutter Herdlinde, eine resolute ältere Dame, die auch für das leibliche Wohl der Gäste sorgte. Das Bier war gut, der Eintopf fantastisch und die Preise waren schon fast lachhaft gering, allerdings wurde von wohlhabenderen Gästen eine angemessene Spende erwartet. Das Gasthaus war in einem schmucken, zweistöckigem Fachwerkhaus untergebracht, dessen Holzbalken mit traviagefälligen Schnitzerein verziert waren. Über dem Eingang hing das namensgebende Schild einer vergoldeten Gans. Der Schankraum, der gleichzeitig auch als Andachtsraum während der Messen diente, war im Erdgeschoss. Im ersten Stock war ein großer Schlafsaal, der Platz für 20 Reisende. Die Übernachtung war kostenlos, aber auch hier wurde eine Spende erwartet. Nach dem äußerst schmackhaften Eintopf ging die Reise für die Gruppe weiter. Nun würde sie der Grafenpfad gen Westen nach Silz führen.

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Vorbei an den beschaulichen Lichtungen der Güter Storchenhain und Waldshut, passierten die Reiter den Schwanenweyher. Dieser ifirnheilige See gefror auch im Winter nicht, weshalb sich ganzjährig viele der namensgebende Tiere am und im See tummelten. Die hiesige Familie Weiher verwaltete das gleichnamige Gut im Namen der Gräfin. Die nächsten 5 Meilen führten durch dichten Wald. Dabei fielen Ardo elfische Schriftzeichen auf, die in regelmäßigen Abständen am Wegesrand auf Baumstämmen oder Steinen zu sehen waren.

Schließlich erreichten sie ihr Ziel: Unvermittelt öffnete sich der tiefe Wald in eine lichte Ebene. Felder und Wiesen kündeten von menschlicher Zivilisation: Die „Grafenstadt“ Silz. Die Siedlung umfasste mehrere kleine Siedlungskerne und erstreckte sich daher über eine größere Fläche als die meisten Ansiedlungen mit ähnlicher Einwohnerzahl. Folglich war auch keine der Ansiedlungen selbst mit Mauern umgeben, denn die relative Abgeschiedenheit und die gleichzeitige Nähe der gräflichen Burg hatten seit jeher ausreichend Schutz geboten. Einzig ein Labyrinth aus Dornen bewehrter Wehrhecken umgab die einzelnen Ortsteile. Neben Alten-Silz im Zentrum, bestand der Ort noch aus dem Gerberviertel Werdomarsgrund, der Künstlerkolonie Bunte Flur, dem bäuerlich geprägten Wiesengrund und der Elfensiedlung Val'sala'dir.

Die Reisegruppe ritt bedächtig durch Alten-Silz. Gepflegte Fachwerkhäuser mit weitläufigen Gärten prägten das Bild und die Nähe zu den Elfen zeigte sich an den zahlreichen großen Bäumen, welche das Straßenbild auflockerten, den oft farbenfroh getünchten Hauswänden, den mit allerlei floralen Ornamenten verzierten Dachgiebeln und den vielen Blumenkästen vor den Fenstern, welche der Ansiedlung etwas Beschauliches verliehen. Viele der Bewohner hatten offensichtlich elfisches Blut in ihren Adern und achteten daher penibel darauf, dass keine unangenehmen Gerüche das allgemeine Wohlbefinden störten. Das Zentrum von Alten-Silz bildete ein Brunnen, der einen Levschy zeigte, der ein Füllhorn hielt, aus dem das Wasser in in ein Becken plätscherte. Legenden besagten, der Brunnen wäre eine Relikt der hochelfischen Kultur und stünde mit dem sagenumwobenen Simyala in Zusammenhang. Überregional bekannt war das Silzer Tüll, dass hier aus dem von den Elfen erhandelten Bausch weiterverarbeitet und veredelt wurde.

Westlich von Alten-Silz erhob sich die märchenhafte Burg der Gräfin von Waldstein.




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Kapitel 8

Ende einer Reise
Autor: Bega & Robert O.