Geschichten:Im Kressenburger Forst – An der Quelle

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Reichsforst in der Baronie Kressenburg

Tief im märkischen Reichsforst schlummerten unter dicken Moosballen die Ruinen des Klosters Korbronn und einer kleinen Siedlung, die einstmals am Fuße eines hoch aufragenden Felsens stand. Der Sage nach soll hier bei der Eroberung der sagenumwobenen Stadt Saljeth ein riesiges Heer von Orken den Herrn über dieses Gebiet zum Kampfe gestellt haben. Von dem Kloster, welches Jahre nach den Vorfällen an dieser Stelle gebaut wurde, zeugten nur noch einzelne Ziegel und der verwitternde Schrein, der neben der Felswand der Quelle aufgebaut war. Die kleine Siedlung, die sich in der Blütezeit des Klosters ebenfalls dort ansiedelte, war mittlerweile verschwunden, die Holzpfosten verrottet und die Tonziegel vom Wind zu Pulver zermahlen.

Die acht Gefährten blickten sich suchend um. Ardo und Selindra hatten als erste das Quellgebiet des Korbronn erreicht, dicht gefolgt von den Ritterinnen Finyara, Siglinde und Rhena. Die Nachhut bildeten der Magus Ealdur, Selindras Knappe Rowan und schließlich, laut schnaufend, der alternde Edelmann Howarth.

Auf einmal legte sich eine bedrückende Stille über die Szenerie. Kein Laut war mehr zu vernehmen, ein Windhauch mehr zu spüren. Es war, als würden sich die Gefährten auf ihre Sinne nicht mehr verlassen können. Es war ein Gefühl wie des plötzlichen Unterwassertauchens.

Als Rhenas Sinne sie wieder mit der Welt um sie herum vereinten, fand sie sich in einem großen Trubel wieder. Dumpf hörte sie das Klirren von Schwertern, die Rufe ihrer Gefährten. Aber alles schien noch ganz weit weg. Ihr Blick war immer noch nicht klar. Es war wie im Rausch. In klareren Momenten, die wie Blitze auf sie danieder gingen, meinte sie verzerrte Fratzen zu sehen … waren es die von Orks? Finstere Geister? Dämonen? Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen. Wankend zog sie ihr Schwert, sie hatte einen Eid geschworen ihrer Gräfin auf dieser Queste zu dienen und ihrem Herrn, den Baron von Falkenwind, zu ehren. Dafür allein lebte sie. Ihre Klinge durchschnitt unzählige gesichtslose Leiber, bis sie vor der Quelle des Korbronn stand. Welch geschichtsträchtiger, heiliger Ort. Hier sollte sich ihr Schicksal erfüllen, das spürte sie. Hinter ihr bäumte sich ein riesenhafter Schatten auf, die drehte sich um und ehe sie sich versah, kreuzte sie die Klinge mit diesem schattenhaften Wesen. Wie lange der Kampf währte, könnte sie nicht einschätzen. Es war, als hätte Satinav die Zeit angehalten. In dem Moment, als ihr Schwert den Leib des Unwesens durchbohrte, traf sie ein Stich mitten ins Herz. Das Kampfgetümmel war mit einem Augenblick verschwunden. Stille. Sie stand mit dem Rücken zum Fels aus dem die Quelle sprudelte. In ihrem Körper steckte ein nachtschwarzer Speer. Ihr Blut vereinigte sich mit dem Quell und ein Lächeln zauberte sich auf ihr Antlitz, denn nun verstand sie. Sie war 'eines Geliebten Kind' – ein Kind des Landes – und ihr Opfer war es ihr Leben zu geben. Ihre Augenlider wurden schwer, aber das Lächeln blieb, auch in dem Augenblick, als das Land sich ihrer annahm. Was blieb, war der schwarze Speer von Korbronn.

Baron Ardo hatte gerade noch genug Zeit gehabt sein Schwert zu ziehen, dann waren die Orks auch schon über sie gekommen wie eine schwarzbepelzte Flut. Er hatte keine Ahnung, welcher Schamanenzauber diesen Abschaum aus dem Finsterkamm bis hierher in seine Lande geführt hatte. Aber im war bewusst, dass gegen diesen Ansturm ihre beste Chance darin bestand, dicht beieinander zu bleiben. Kraftvoll schwang Ardo seinen Anderthalbhänder, durchtrennte die Glieder und Leiber seiner Gegner ebenso wie das Strauchwerk um ihn herum. Dennoch konnte der Keilholtzer nicht verhindern, dass er im Getümmel von seinen Waldsteiner Kampfgefährten getrennt wurde. Aus dem Augenwinkel nahm er eine riesige Gestalt wahr, ein paar Dutzend Schritte entfernt von ihm ungefähr dort, wo sich der Quelltümpel des Korbronn befinden musste. Die niedrigen Äste der Bäume versperrten ihm die Sicht, doch war er sich sicher, dass es sich um einen Oger handeln musste. Auch Rhena konnte er sehen. Das Ungetüm näherte sich ihr hinter ihrem Rücken. Der Kressenburger wollte ihr eine Warnung zurufen, doch in diesem Moment zerschmetterte ihm eine schwere eisenbeschlagene Keule den Unterkiefer. Schmerz umfing ihn, trieb ihm die Tränen ihm die Augen und machte ihn fast blind. Keuchend spuckte Ardo Blut und Zähne aus. Ziellos schwang er sein Schwert nach links und rechts, taumelte mühsam in die Richtung, in der er die Waldsteiner Ritterin vermutete. Unvermittelt stand er vor der Ritterin und dem Oger. Geifer troff dem Ungetüm aus der hässlichen Schnauze und in der rechten Hand führte es etwas, was wie ein langer nachtschwarzer Speer aussah. Als es gerade wieder ausholte, wandte es Ardo seine entblößte linke Flanke zu. Trotzdem er vor Schmerzen fast wahnsinnig war, erkannte der Greifenfurter seine Chance. Wild hob er den Anderthalbhänder zu einem tödlichen Schwung und jagte diesen damit krachend in einen dicken, tiefhängenden Ast der alten Eiche, neben der er stand. Hilflos zerrte er am Heft seines Schwertes, während sein Blick wie gebannt auf Rhena und ihrem Gegner lag. Auch die Waldsteinerin hatte die offene Deckung des Ungetüms erkannt. Ihre Klinge blitze nach vorn, durchtrennte Haut und Fleisch und ließ dunkles Blut auf das Laub des Waldes spritzen. Zugleich jedoch stieß der Oger den schwarzen Speer kraftvoll voran und durchbohrte die Rüstung der grauhaarigen Ritterin just an der Stelle, wo sich das Herz unter der Brünne befand.

Der Kressenburger Baron wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Er spürte keinen Schmerz und ein rascher Griff ins Gesicht überzeugte ihn, dass sowohl der Kiefer als auch die Zähne alle noch, oder wieder, dort saßen, wo sie hingehörten. Nur die Schrammen und Kratzer an den Händen, die er sich im Kampf durch Unterholz und Sträucher zugezogen hatte und sein Schwert, das noch immer über ihm im knorrigen Ast der Eiche feststeckte, bezeugten, dass zumindest nicht alles was er glaubte, erlebt zu haben ein Traum gewesen war. Blitzartig durchfuhr ihn der Gedanke an Rhena von Plöch und den Oger. Hektisch sah Ardo sich um und sein Blick fiel auf die zusammengesunken dasitzende Waldsteiner Ritterin. Sie lehnte mit geschlossenen Augen am Quellstein, das Gesicht mit einem Lächeln dem Himmel zugewandt. In ihrer Brust aber steckte noch immer der schwere schwarze Speer und unter ihr war der Waldboden rot gefärbt von ihrem Blut.

Nachdem sich Ardo kurz mit den restlichen Waldsteinern besprochen hatte, waren sie übereingekommen, Rhena von Plöch dort zu begraben, wo das Land ihr Leben gefordert hatte. Während seine Gäste sich damit abmühten ihrer Gefährtin im wurzeldurchzogenen Waldboden ein Grab auszuheben, machte Ardo sich auf den Weg zurück zu seinem Bruder und den beiden Knappen. Die Mittagsstunde war noch nicht ganz erreicht, als er wieder bei der kleinen Lichtung eintraf. Mit kurzen Worten erzählte er vom Tod der Ritterin und hieß dann Firnward und Firnwulf zurück gen Kressenburg zu reiten, um schnellstmöglich einen Geweihten herbeizuholen, damit das Grab göttergefällig eingesegnet werden konnte. Der Krieger und der Knappe machten sich alsbald auf den Weg und führten Rhenas Pferd mit sich. Noch bevor der Abend hereinbrach, waren sie zu Ardos Verwunderung wieder zurück.

„Wir hatten Glück“, berichtete Firnward seinem Bruder. „Ihro Gnaden Fürchtelind war gerade in Immingen. Als wir gestern durchgeritten sind haben wir sie verpasst, da sie sich auf dem Gut von Ritter Arnulf befand. Jetzt trafen wir sie im Dorf an, als sie sowieso gerade nach Sturmhöhe weiterziehen wollte.“

„Euer Gnaden.“ Der Baron verbeugte sich leicht und half der Peraine-Geweihten dann dabei aus dem ungewohnten Sattel zu steigen. „Vielen Dank, dass Ihr so schnell zu uns gekommen seid.“

„Das ist doch selbstverständlich, Hochgeboren.“ Die Endvierzigerin lächelte den Baron gütig an. „Euer Bruder hat mir erzählt was vorgefallen ist. Es ist meine Pflicht zu helfen, wenn ich es vermag. Auch und gerade dann, wenn ich nicht mehr zu helfen vermag.“

„Wenn Ihr mir dann bitte folgen wollt? Der Rest unserer Reisegruppe wartet an der Quelle auf uns.“ Damit ging Ardo zurück in den Wald und folgte erneut dem kleinen Bachlauf, der ihn und Schwester Fürchtelind zurück zu den Waldsteinern bringen würde.

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Schwester Fürchtelind stand vor dem frisch ausgehobenen Grab unweit der Quelle des Korbronn. Sie blickte in die betretenden und zum Teil von Erde beschmierten Gesichter der Anwesenden. Selbst Baronin Selindra war sich nicht zu schade gewesen und hatte, mit ihrem Schwert und ihren bloßen Händen, der gefallenen Heldin die letzte Ruhestätte gegraben. Die Geweihte der Peraine schlug das Zeichen des gebrochenen Rades über den Leichnam und sprach den Grabsegen. Als sie geendet hatte, führ sie fort.

„Das Land hat seine Heldin zu sich geholt. Möge Boron ihre Seele in eines der zwölfgöttlichen Paradiese geleiten.“

Als nächstes trat Baronin Selindra nach vorne. Ihre eisblauen Augen funkelten, ihre Gesichtszüge wirkten noch ernster als sonst. „Der Dienst an dem ewigen Mittwald fordert alles von uns. Wir dürfen nicht verzagen, nicht ruhen, in diesen besonderen Zeiten in denen sich das Land erhebt und zu uns spricht. Es ist unser Schicksal diesen Rufen Gehör zu verschaffen. Rhena, die Heldin vom Korbronn, hat ihr Schicksal erfüllt.“

Finyara von Zweifelfels schritt bedächtig an die Seite ihrer Herrin und ergriff ihre Hand. „Rhena diente im Herzen des Mittwaldes der Familie Falkenwind als Schwert und Schild. Wohl keine Familie die ich kenne ist enger mit dem Land und dem Wald verbunden. Fern der Heimat hat sich ihr Schicksal erfüllt und doch, der Mittwald ist auch hier um uns herum. Somit ruht sie doch Zuhause im Schoße des Waldes.

Als nächstes erhob Siglinde von Hagenbronn ihre Stimme. Ihre Körper war angespannt, ihre Haltung aufrecht. Sie hatte etwas amazonenhaftes an sich, so wie sie dastand. „Für etwas sein Leben zu geben, was größer ist als man selbst, ist die größte Erfüllung eines ehrenhaften Lebens.“

Wortlos umrundete Ealdur von Siandes das Grab und bettet eine Eichel am Kopfende in den Boden und bedeckte er mit Erdreich. Der großgewachsene Magier mit schwarzen Haaren und blasser Haut legte seine Hand über die Eichel und murmelte ein paar unverständliche Wort. Von magischer Hand schoss ein Zögling aus dem Samen. „Wenn hier in vielen Jahrzehnten und Jahrhunderten eine mächtige Eiche steht und dein Grab bewacht, so wird dein Name nicht vergessen sein.“


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Nachdem Ritterin Rhena in Kressenburger Erde ihre letzte Ruhe gefunden hatte, machte sich die Gruppe schweigend zurück auf den Weg hinaus aus dem Wald. Den schwarzen Speer vom Korbronn führten sie mit sich, war er doch wohl jenes Artefakt, welches die Waldsteiner Gräfin in ihrer Vision erkannt zu haben glaubte. Baron Ardo hatte gelobt anstelle der Ritterin von Plöch zu Gräfin Allechandriel zu reisen und den Speer persönlich zu überbringen. Da der Tag sich dem Ende neigte, ritten sie zunächst zurück nach Sturmhöhe und übernachteten erneut im Haus des Vorarbeiters. Die Mägde und Knechte mochten wegen einer weiteren Nach im Stall nicht erfreut sein, wurden dafür jedoch von Ardos Knappen mit einer neuen fantastischen Geschichte über Korgond und das wundersame Erscheinen des Schwarzen Speeres entschädigt.

Die Peraine-Geweihte wollte noch ein paar Tage in Sturmhöhe verweilen. Sie kam auf ihrer Wanderschaft nur alle paar Wochen in diese entlegene Gegend Kressenburgs und würde sich nun den Sorgen und Nöten der Einwohner kümmern, bevor sie für die Erntezeit in die kornreichen Gegenden weiterzog. Als die Edlen am nächsten Morgen aufbrachen, nahm Schwester Fürchtelind den Kressenburger Baron für ein Gespräch unter vier Augen beiseite.

„Euer Hochgeboren,“ sprach sie ohne große Umschweife, „ich denke Euch ist inzwischen die Bedeutung des Landes und Eurer Bindung zu ihm bewusst geworden.“

„Ich maße mir nicht an es verstehen zu können“, gab Ardo unsicher zurück und senkte demütig das Haupt, „aber ich glaube ich beginne zu begreifen, dass ich in der Praiostagsschule nicht alles gelernt habe, was ich wissen muss, um wahrhaft Herr über diese Lande zu sein.“

„Sich einzugestehen, dass Ihr noch viel zu lernen habt, ist ein guter Anfang denke ich.“ Wieder erschien das gütige Lächeln auf Schwester Fürchtelinds Gesicht, während sie dem Baron segnend die Hand auf den Kopf legte. „Im Frühjahr wird es wieder so weit sein, dass der Bund zwischen dem Herrscher und dem Land gefestigt werden muss. Erneut ist ein Jahrzwölft verstrichen. Wie einst Eurem Oheim vor Euch und dem Baron Jagor vor ihm, ist dies nun Eure Pflicht. Wir erwarten Euch zum Saatfest in Sankt Therbûn.“

„Es sei!“, sprach der Keilholtzer mit leiser, aber fester Stimme. Er hob den Kopf und hielt dem Blick der Geweihten stand, bis sie ihn mit einem knappen Nicken entließ. Ardo kehrte zurück zu den wartenden Reisegefährten, stieg behände auf sein Pferd und führte die Gruppe zurück auf den Pfad durch den Wald. Am Abend schon würden sie zurück auf der Kressenburg sein.