Geschichten:Im Kressenburger Forst – Ankunft I.

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Stadt Kressenburg, 24. Rondra 1043 BF

Die ungleiche Gruppe war von Silz in Richtung Norden aufgebrochen und dem Grafenstieg gefolgt, bis dieser, unweit der Reichsfeste Gerbaldslohe, auf den Elfenpfad stieß. Vorbei an Burg Ulmenhain und dem Markt Hagenbronn, dem Erblehen von Siglinde von Hagenbronn, erreichten sie schließlich die Stadt Kressenburg.

"Werte Siglinde, „gestattet mir ein kurzes Wort“ begann Howarth von Birkentau nachdem sie das Stadttor passiert hatten. "Eure unverbrüchliche Frohnatur scheint sich getrübt zu haben, seitdem Euch gewahr wurde, dass uns unser Weg nach Kressenburg führt. Was verdirbt euch denn die gute Laune? Das hat doch nichts mit diesem unglücklichen Skandal zu tun, oder etwa doch?“

"Ich sehe keine Notwendigkeit mein Seelenleben ausgerechnet mit Euch zu teilen." Die sonst so wortgewaltige Siglinde war für ihre Verhältnisse erstaunlich wortkarg.

"Ah… verzeiht, dann habe ich mich wohl geirrt. Mir ward, dass Euer Bruder wegen .. was war es … Schmuggleraktivitäten von dem hiesigen Baron hingerichtet wurde. Mein herzliches Beileid im Übrigen, wirklich eine ganz tragische Sache.“ Das Gesicht des Junkers nahm bei den Worten füchsische Züge an.

"Birkentau, ich vergesst Euch!", zischte der ansonsten so friedfertige Ealdur den Alten von der Seite an.

"Nur weil Ihr Eure Trauer über den Tod eurer einzigen Tochter noch nicht überwunden habt, heißt das nicht, dass es mir ebenso gehen sollte." Die Wortwahl Siglindes war schärfer als von ihr beabsichtigt. "Mein Bruder ist tot. Hätte er den Pfad der Tugend nicht verlassen, würde er noch leben. Mehr sage ich dazu nicht."

Verärgert ritt Baronin Selindra an die beiden ungleichen Streithähne heran. "Schluss jetzt! Wir haben einen Auftrag unserer Gräfin zu erfüllen!"

Howarth, der von der Schärfe von Siglindes Worten ebenfalls überrascht war, wirkte erst etwas verdattert, bis er sich wieder fing und wortlos den anderen zur Burg Kressenburg folgte. Ja, er war zu weit gegangen und ja, er hatte den Tod seiner Tochter noch lange nicht überwunden.


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Am Burgtor angekommen, ließ Baronin Selindra verlauten, den Baron von Kressenburg in einer dringlichen Angelegenheit unverzüglich sprechen zu wollen.

Die Reisegruppe wurde dank ihrer hochgeborenen Anführerin sofort eingelassen. Ein von der Burgwache gerufener Knecht eilte bereits zum Palas der Burg und noch bevor alle Pferde abgesattelt waren, kam ein stämmiger Zwerg mittleren Alters auf die Neuankömmlinge zu. Mit einer tiefen Verbeugung begrüßte er die Baronin und ihr Gefolge.

Ugrimm, Sohn des Angrammasch, Haushofmeister der Kressenburg, zu Euren Diensten. Der Herr Baron ist von Eurem Eintreffen in Kenntnis gesetzt worden und bittet Euch um einen Moment der Geduld. Ihr seid eingeladen in Travias Namen unsere Gäste zu sein und im Großen Saal bei Speis und Trank zu verweilen, bis der Herr Baron bereit ist.“

Ohne große Umschweife führte der Zwerg die Waldsteiner Gäste in ein großes Nebengebäude. Es ging eine gemauerte Wendeltreppe hinauf in das erste Obergeschoss. Ein schmaler Gang zog sich über die ganze Länge des Gebäudes und hatte schmale, Schießscharten gleiche Fenster zum Burghof. Auf der Mitte des Ganges befand sich eine doppelflügelige Tür aus eisenbeschlagenem Steineichenholz, welche Ugrimm nun nach innen öffnete und die Waldsteiner Delegation mit einer einladenden Geste bat einzutreten.

„Bitte nehmt Platz. Die Knechte in der Küche sind bereits angewiesen worden etwas anzurichten. Der Herr Baron wird sich ebenfalls in Kürze hier einfinden.“

Der Raum war vermutlich wirklich der größte in der ganzen Burg, weswegen er den der Große Saal geheißen war, doch konnte er an Dimension und Prunk schwerlich mit einem garetischen Barons- oder gar Grafenhof mithalten. Trotzdem er fast die Gänze der Etage einnahm, war die Deckenhöhe wie die jedes anderen Raumes gehalten, was einem in dem langgestreckten Saal unweigerlich das Gefühl gab, sich stetig den Kopf stoßen zu müssen, wenn man aufrecht stand. Die Wände waren mit allerlei einfachen Wandteppichen und Jagdtrophäen verziert, Gold und Silber suchte man in den Dekorationen aber vergeblich. Das Auffälligste war, direkt gegenüber der Eingangstür an der Wand hängend, ein in Bronze gegossener Greifenkopf, unter dem eine bronzene Tafel mit der Aufschrift Foedus Vigilis Garaphani angebracht war. Dominiert wurde der Raum von einer langen eichenen Tafel, an die zwölf Lehnstühle beigestellt waren. Die Abstände zwischen ihnen waren aber so groß, dass hier wohl bei Bedarf auch die doppelte Anzahl an Personen Platz fand. Am Kopfende der langen Tafel, direkt vor einem kunstvoll gemauerten Kamin, stand ein gepolsterter Stuhl mit besonders hoher Lehne. In das moosgrüne Polster war das Keilholtzer Familienwappen eingestickt und auch in das Holz des Stuhls war der aufrechtstehende Keil mehrfach filigran eingearbeitet. Ohne Frage war dies der Platz, den der Herr des Hauses gewohnt war einzunehmen.

Die Waldsteiner hatten kaum Platz genommen, da wurden ihnen von geschäftigen Mägden Krüge mit dunklem Zwergenbier zur Seite gestellt und zinnernes Geschirr aufgetan. In die Teller, Löffel und Gabeln war überall das Wappen der Baronie eingestanzt. Nur wenig später trugen zwei Knechte eine große Platte mit aufgeschnittenem kaltem Schweinebraten herein, dazu eine Kanne mit dunkler gewürzter Tunke und zwei große Schüsseln mit gesäuertem Kraut.

Wenig später öffnete sich die große Tür erneut. Diesmal traten hinter dem Haushofmeister drei weitere Männer ein, zwei jüngere denen man die Verwandtschaft auf hundert Schritt ansah und ein älter, der die Grenze zum Greis wohl überschritten hatte. Ugrimm verkündete den Anwesenden mit geübter Stimme die Ankunft ihres Gastgebers.

„Seine Hochgeboren, Ardo von Keilholtz, Baron zu Kressenburg, seine Hochgeboren Phexian von Kieselholm, Vogt der Kressenburger Lande und seine Wohlgeboren, Firnward von Keilholtz, Hauptmann der herrschaftlichen Garde.“

Der Baron nahm am Kopfende des Tisches Platz, Phexian zu seiner Rechten, Firnward zu seiner Linken. Dann sah er die Gäste fragend an. „Wie kann ich den hohen Herrschaften behilflich sein?“

Mit einem verlegenen Räuspern erhob sich Rowan vom Tisch.

„Hochgeboren, habt Dank für Speis und Trank.“ Die Aufregung in der Stimme des Knappen war kaum zu überhören, nahm aber im Verlauf der Vorstellung merklich ab. „Im Namen von Hochgeboren Selindra von Windenstein-Zweifelfels, Baronin von Osenbrück und Hüterin des Osenbrücker Forstes bitte ich um Nachsicht für unser unangemeldetes Erscheinen. An Ihrer Seite Wohlgeboren Howarth von Birkentau, Junker zu Birkenbruch; Wohlgeboren Finyara von Zweifelfels, Junkerin zu Wegwarte; Wohlgeboren Siglinde von Hagenbronn, Erbjunkerin zu Hagenau, die hohe Dame Rhena von Plöch, Ritterin zu Falkenwind, sowie der gelehrte Herr Ealdur von Siandes, Hofmagier zu Neerbusch.“

„Vorgetragen von dem eifrigen Knappen Rowan aus dem ehrenwerten Hause Sturmfels!“ Finyaras Blick traf strafend den Knappen, der froh war nun schweigen zu dürfen.

„Hochgeboren“, nun war es Baronin Selindra die ihre feste und durchdringende Stimme erhob. „Dunkle Wolken haben den Horizont im Herzen der garetischen Lande verfinstert. Nach dem gescheiterten Schiedsspruch von Leuenfried herrscht Fehde, ein altes und gutes Recht des Adels, wie wir alle wissen und dennoch sollte es unser oberstes Gebot sein, dieser Fehde Einhalt zu gebieten, auf dass sie nicht auf unsere Lande übergreift. Unsere Gräfin, die wie keine Zweite mit dem Land und den Mysterien des ewigen Forstes verbunden ist, hat uns auf eine heilige Queste geschickt. Der Mittwald offenbarte ihr in Visionen den Weg, den wir zu beschreiten haben. Eine dieser Visionen führt uns nun in Eure Lande, die ebenfalls Teil des alten Forstes sind. Ich erbitte im Namen von Gräfin Allechandriel Quellentanz um Eure Hilfe auf der Suche nach einem Artefakt.“

Erwartungsvoll blickte Baronin Selindra zu Ardo.

Der Kressenburger blickte während der Vorstellung höflich von einem zum anderen, wobei sein Blick einen Moment länger als bei den anderen auf Siglinde von Hagenbronn ruhte. Als die Baronin den Schiedsspruch ansprach, verfinsterte sich die Miene Ardos.