Geschichten:Igelfehde - Kein Fuß vor, kein Fuß zurück

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Burg Hutt, Ende Boron 1044 BF

Eiskalt blies der Wind durch das offene Fenster hinein. Es dunkelte bereits und ein leichtes Schneetreiben hatte eingesetzt. Bald würde das gesamte Land von einer frostigen weißen Decke umhüllt sein.

Erst gestern waren die drei Ritter nach Hutt zurückgekehrt, um sich gemeinsam mit den Verbündeten über die Lage auszutauschen, in der sich das Land des Hartsteener Grafen befand. Die Erklärung der gemeinsamen Fehde durch die Familien Wetterfels und Schallenberg hatte das Haus Hartsteen völlig unvorbereitet getroffen. Und bevor eine Abwehr organisiert werden konnte, waren die Berichte über die Fortschritte der Gegner nahezu im Stundentakt eingetroffen. Natzungen war kampflos gefallen. Die Burgen der Nachbarschaft öffneten dem Schallenberger die Tore, aus vielfältigen Gründen. Die Felder im Hutter Norden, bisher durch die Angriffe der Schlunder verschont geblieben und eine wichtige Hoffnung für die Erholung der Grafschaft, waren in Flammen aufgegangen. Wieder war es bei Feldsteynchen zu einem blutigen Kampf gekommen, bei dem das Blut der Vasallen des Hauses Hartsteens vergossen worden war.

Die loyalen Ritter der Grafschaft hatten den Vorstoß aufhalten können. Schwingenfels im Westen blockierte den Weg am Feidewald vorbei. Gneppeldotz und Allingen hielten die Baronie Hutt gegen die wütenden Angriffe des Ogerfressers, unterstützt von den Bauern und Handwerkern der Stadt Dorp. Die Angreifer hatten es nicht geschafft, die Dotzenburg zu umkreisen, wagten aber immer wieder Nadelstiche gegen die Belagerten. Die Lage war nicht hoffnungslos, aber die Zeit lief gegen sie.

Die Feinde aus dem Schlund hatte man als hinterhältige und feige Räuber darstellen können. Raffgierige Zwerge, die dem armen Hartsteener Bäuerlein die letzten Reste seines kargen Daseins stehlen wollten. Man konnte die Moral hochhalten.

Gegen altgediente Vasallen des Grafenhauses aber, die den Waffengang als politische Möglichkeit verstanden sich ihren Anteil an der Kriegsbeute herauszuholen, konnte man nicht agitieren. Immer wieder, wenn Graf Odilbert im Hutter Norden selber die müden Kämpfer zu neuem Mut überredete, spürte er den bohrenden, fragenden Blick im Rücken. Was, wenn Wetterfels und Schallenberg Recht hätten?

Erschöpft hatte sich Parinor von Hartweil und Horwart von Schroeckh auf einem Holzstuhl niedergelassen, während der junge Graf am Fenster stand und in die graue Dämmerung hinausblickte. Es klopfte an der Tür.

„Hochwohlgeboren, euer Vetter ist mit dem Baron von Rabenbrück eingetroffen“, meldete ein Diener dem Grafen, der kurz nickte. Es wurde Zeit, zur Diplomatie zurückzukehren.

Wenig später betraten Alrik von Gareth und Trisdhan von Hartsteen den Raum. Der Gruß war kurz und formlos. Graf Odilbert kam gleich zu seinem Anliegen.

„Wohlgeboren, seid bedankt, dass Ihr den Weg aus Eurem warmen Garether Winterquartier auf Euch genommen habt und vor dem Frühjahr in das kalte Hartsteen zurückgekommen seid.“ Die Stimme des jungen Grafen war fest und entschlossen. „Auch wenn ich Euer Graf bin, so seid Ihr nicht der Vasall meiner Familie. Ihr habt große Dienste im Kampf gegen die Angriffe aus dem Schlund geleistet, habt viele Eurer besten Ritter aufgeboten, um unser gemeinsames Land vor der Gier der Zwerge und Geldsäcke zu verteidigen. Ich und meine Familie stehe in Eurer Schuld.“

Ein leises Nicken des Garether Lebemannes zeigte, dass die Worte durchaus auf fruchtbaren Boden der Eitelkeit fielen. So wie jetzt hatten die engsten Vertrauten Odilberts ihn in den letzten Monden nicht sprechen hören. Und so hoben sich einige Augenbrauen der Verwunderung.

„Ich habe Euch zu mir gebeten, weil ich Euch als einen Bruder im Adel um einen Gefallen bitten will. Es steht mir nicht zu, etwas von Euch zu fordern, das über die Beziehung eines Grafen zu seinem Baron hinausgeht. Aber wir alle wollen nach den aufreibenden Wochen und Monden des auszehrenden Kampfes zurück zu den bunten Farben des Friedens. Es geht keinen Fuß vor und keinen Fuß zurück. Die Waffen der Rondra sind müde geworden. Es ist Zeit für Diplomatie und Verhandlungen. Deshalb bitte ich Euch, nein, flehe ich Euch an, dass Ihr als Emissär das Haus der Kaiserin und Königin, Eure Familie, als Vermittler in diese Fehde holt, damit diese Fehde zwischen unseren Vasallen und dem Grafenhaus Hartsteens beendet werde.“

„Ich werde versuchen, was ich vermag, Hochwohlgeboren. Es ist zu viel Blut geflossen, zu viele Tränen vergossen und zu viel Leid erduldet worden“, antwortete der Rabensbrücker Baron mit ernster Miene. „Aber erlaubt mir eine Bemerkung. Es hätte nicht so weit kommen müssen. Nicht in Luring. Nicht in Hartsteen. Um zu lernen, dass eine unbedachte Aktionen eine unverhoffte Reaktion nach sich führen kann, muss man nicht ein gesamtes Königreich mit Blut überziehen.“

Stille trat in den Raum. Gespannt blickten die Hartsteener Ritter auf die Reaktion ihres Grafen. Dessen Miene blieb versteinert und kalt. Aber seine Augen blitzten, als ob er mit Kraft die Antwort zurückhielt, die ihm auf den Lippen lag.

Schließlich räusperte sich Trisdhan von Hartsteen. „Die Götter geben, die Götter nehmen. Es war nicht der Wunsch der Menschen, sondern der Wille der Himmelsleuin, dass sich die Schlachtfelder rot verfärben. Wer unschuldig nach der Schuld des Anderen fragt, wähnt sich in der vermeintlichen Position des Gerechten, ohne dabei die eigene Selbstgerechtigkeit zu erkennen. Das Haus Hartsteen dankt Euch, Baron Alrik von Rabensbrück, für Euer Angebot und wünscht Euch den Segen aller Zwölfgötter bei Euren Versuchen, wieder Frieden in Hartsteen einkehren zu lassen.“

„Die Zwölfe mit Euch!“, riefen die beiden anderen Hartsteener laut und begleiteten den Rabensbrücker aus dem Raum.

Der Pfalzgraf zu Sertis blickte seinen Vetter ernst an. Tief atmete jener durch, als wollte er noch etwas sagen.

„Spar deine Worte“, schnaufte Odilbert und drehte sich zum Fenster. Draußen tanzten die Schneeflocken und wurden vom aufkommenden Sturm hin und her gewirbelt, bevor sie friedlich auf den kahlen Ästen und fruchtlosen Äckern zur Ruhe kamen.