Geschichten:Igelfehde - Ein kampfloser Tag

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29. Efferd, nahe Hutt

Die beiden Kämpferinnen saßen entspannt auf einem umgestürzten moosbewachsenen Baumstamm. Hinter ihnen schlängelte sich ein Trampelpfad hinauf zum Kahlen Schirch, unter ihnen öffnete sich die Hutter Hügel. Einige Meilen entfernt konnten sie gen Süden eine kleine Staubwolke ausmachen, die sich immer weiter von ihnen entfernte. Ebenfalls in ihrem Blickfeld lag Burg Hutt, trutzig und grau auf einem Felsvorsprung hoch über dem Feidewald. Viele Fahnen und Banner wehten im lauen Spätsommerwind, die letzten Mücken des Jahres tanzten vor der untergehenden Sonne.

Die ältere von beiden, sie möchte etwa vierzig Götterläufe zählen, auch wenn ihr wettergegerbtes Gesicht und ihre wenigen Zahnstumpen, die ihr geblieben waren, sie deutlich älter erschienen ließ, reichte ihrer jüngeren Kameradin ihre Feldflasche. Diese nahm einen tiefen Schluck, atmete tief durch von dem schweren Brandwein, der ihre Kehle hinunterfloss und sie von innen wohlig wärmte, und gab die Flasche mit einem dankbaren Nicken zurück.

„War nix mit Kampf. Dank den Zwölfen.«

Die Alte sprach aus, was die Junge dachte.

»Ob der Graf uns dennoch den versprochenen Zusatzsold zahlen wird?«, fragte sie mehr sich selbst als ihre ältere Mitstreiterin. »Ich meine, klar, die hohen Herren haben ihr Ziel mit der Offensive erreicht. Aber viel Kriegskasse haben sie ja nicht. Hätten bestimmt nicht gesagt, wir kriegen bei Sieg einen zehn Silber mehr, wenn sie gewusst hätten, dass die Schlunder sich von selbst verziehen.«

»Weisste, geh davon aus, dass wir nix krieg‘n wer‘n. Der Adel verspricht immer mehr, als er hält. Erzählt uns Kriegern immer was von Ehre und Treue, die ollen Ammenmärchen halt. Aber am Ende leg’n sie sich das immer so aus, wie’s ihnen grade in den Kram passt.«

»Aber ich hätte ja auch nicht damit gerechnet, dass die Schlunder einfach abziehen. Im letzten Jahr war das anders, da war ich schon froh, wenn dass es mich nicht erwischt hat und ich in Rondras Hallen treten darf. Bin ja auch sonst gut weg gekommen, nur einmal beim Brückenritt, da wäre ich fast bei draufgegangen, da hatte nicht viel gefehlt.«

Die Alte lachte auf. »Kannste froh sein, dass ich dich an den Haaren aus’m Wasser gezogen habe, Kleene. Das war eine echte Orkscheiße, was die Ritter da veranstaltet hab’n.«

»Genau. Und mit sowas habe ich ja wieder gerechnet. Ich hatte meinem Ulfert schon Nachricht geschickt, dass er nicht auf mich warten soll mit der Vorbereitung der Ernte. Dass er Ausschau halten soll nach einer anderen helfenden Hand. Mit seinem einen Bein bekommt er es ja nicht allein hin. Was soll ich ihm denn jetzt erzählen? Dass wir nicht gekämpft haben, weil die Schlunder Schiß bekommen haben? Das glaubt der mir doch nie. Der denkt doch bestimmt, ich wär von der Fahne geflüchtet und wirft mich mit Sack und Pack vom Hof.«

»Nee, macht der nich‘. Der ist doch froh und dankt Perän, dass er sich keine neue Hilfe suchen muss für die Herbstarbeit.«

Beide Frauen schauten schweigend in den Sonnenuntergang, der die alte Burg Hutt in tiefrotes Licht tauchte.

»Es war’n ja auch nicht alle da. Guck mal die Banner da unten an. Die sind alle von hier aus der Gegend oder südlich vom Feidewald. Da is‘ überhaupt keiner aus’m Norden dabei. Mit denen zusammen wär das ein echt beachtliches Ritterheer, das erste Mal überhaupt, dass alle Hartsteener zusamm‘ da wär’n. So is’n bisschen mickrig.«

»Ist mir auch aufgefallen. Ein paar Natzunger Ritter sind noch da, aber ansonsten fehlen doch einige. Wahrscheinlich haben sie die Nachricht nicht bekommen. Aber jetzt komm, lass uns runter in den Ort gehen. Ich gebe dir auch im Schirch einen aus.«

Die Alte grinste und ihre Zahnruinen blitzten rot im letzten Sonnenlicht. Dieser Tag war kampflos zu Ende gegangen, aber sie wusste als alter Haudegen, dass der nächste Kampf nur eine Frage der Zeit war.