Geschichten:Igelfehde - Eide und Ahnen

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Dotzenburg, Baronie Hutt, Travia 1044 BF

Wie immer, wenn sie nervös war, knabberte Emer von Gneppeldotz wenig damenhaft an ihren Fingernägeln, während sie dem Ritter Gerhelm von Zoltheim nachsah, der just in halsbrecherischem Galopp den Burgweg hinunter ritt und vor der Duchrower Schmiede auf die Alte Silberstraße nach Norden einbog. Der unerwartete Besuch ihres Neffen an diesem Morgen war nicht gerade erfreulich verlaufen, nachdem Gerhelm im Namen des Pfalzgrafen Bernhelm von Wetterfels verlangt hatte, dass die Dotzenburg dem Reichsgauer die Tore öffnen solle. Der junge Ritter hatte sich dabei zwar redlich bemüht und Emer an die gemeinsamen Familienbande erinnert, aber die Vögtin hatte eine klare Antwort tunlichst vermieden. Schließlich war Gerhelm abgezogen, jedoch nicht, ohne auf die drohenden Konsequenzen einer Weigerung zu verweisen.

Emer atmete tief durch, als sie Schritte hinter sich hörte. Ettilia von Gneppeldotz hatte das Gespräch am Tor im Hintergrund verfolgt und kam nun mit verschränkten Armen und geschürzten Lippen näher, wobei sie das Gehörte analysierte: „Der Pfalzgraf glaubt wohl, dass er nur mit den Fingern schnippen muss, damit ihm die Hühnchen gerupft und gebraten in sein gieriges Maul fliegen. Dann sollten wir ihn eines besseren belehren!“

„Aber wie stellen wir das an?“, brachen sich Emers Zweifel Bahn, „Natürlich kann ich die Freien sich zum Kampf rüsten lassen und auf die Burg rufen, aber das wäre so lächerlich wie vergeblich. Damit werden wir den Ogerfresser sicher nicht davon abhalten können, hier alles zu Klump zu hauen, wie die Schlunder im letzten Frühjahr“

Grimmig meinte die Kriegerin mit den feuerroten Haaren: „Mag sein. Aber wir stehen unseren Ahnen gleich treu zu unserem Lehnseid gegenüber Graf Odilbert und dem Haus Hartsteen. Das sind wir auch Onkel Thalacker und Kedio schuldig. Denn was wären unsere Eide wert, wenn wir sie in einer solchen Stunde nicht achteten? Was wären wir, wenn wir unser Land einfach so aufgeben würden? Wir sind Gneppeldotz!“

„Kein Herr, kein Diener – Krieger“, zitierte Emer fatalistisch den Wahlspruch der Familie, „Was denkst du, wie viel Zeit wir noch haben?“

„Zeit wofür?“

„Um die Burg auf den Sturm vorzubereiten? Um unseren Schutzbefohlenen Bescheid zu geben, dass der Ogerfresser kommt und dass sie sich und ihre Habe in Sicherheit bringen sollen? Dass sie alles auf Wagen packen und nach Dorp flüchten? “, fragte die Vögtin zaghaft.

„Nicht viel, immerhin sind es nur zehn Meilen bis Moorsch. Allerdings...“, unterbrach Ettilia ihren Gedankengang plötzlich, „...Es sieht ganz so aus, als müssten wir diese Entscheidungen gar nicht selbst treffen. Da, schau!“, zeigte die Kriegerin aufgeregt in Richtung der Alten Silberstraße.

Emer folgte mit den Augen der angezeigten Richtung, in der von Süden her in der Ferne über Reitern in blitzenden Harnischen ein rotgoldenes Schwingenbanner im Herbstlicht leuchtete, gefolgt von etlichen wimpelverzierten Lanzen. Eine Welle der Erleichterung ergriff die beiden Gneppeldotzer bei diesem Anblick, denn: Baronin Irmhelde war gekommen.