Geschichten:Hochzeit auf Dreihügeln - Zwillinge auf Kressenburg

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Kressenburg, 29. Rahja 1036

Seit Tagen schon herrschte eine angespannte Ruhe in der Burg, wenn nicht gerade die Kleinkinder schrien und weinten, weil sie es nicht mehr ertragen konnten. Aufgrund des guten Wetters durften sie aber viel Zeit draußen verbringen, was ihre Laune enorm steigerte. Wulfhart von Keilholtz schritt immer wieder über den Hof, wie ein in einen zu kleinen Zwinger eingesperrter Hund, der voller Tatendrang auf und ab läuft und auf die Öffnung des Gatters hofft. Seiner Gemahlin ging es immer schlechter: Krämpfe schüttelten ihren Körper, Schmerzen durchzogen ihren zierlichen Leib und ihr angeschwollener Bauch schien in Kürze bersten zu wollen. Vor Tagen schon hatte er nach seinem Bruder geschickt. Nun trieb ihn nicht nur die Angst um seine Gattin, sondern auch um sein ungeborenes Kind um, ungeduldig auf die Ankunft des Peraine-Geweihten zu harren. Zum wiederholten Male war er kurz davor einen Knecht zu rufen und sein Pferd satteln zu lassen, um dem Bruder entgegen zu reiten. Aber dann konnte er sich doch nicht dazu durchringen. Was, wenn Rahjamunde ihn in genau diesem Moment brauchen würde? Wenn ihr etwas geschah, nur weil er nicht rechtzeitig bei ihr war, um für sie zu sorgen? Er wollte ihr so gern beistehen, konnte den Gedanken kaum ertragen, dass auch ihr bei der Geburt etwas geschehen könnte. Niemand der Dienstboten wagte es derzeit ihn anzusprechen, aber stets war jemand in Rufreichweite, wenn er nach dem Befinden seiner Gattin fragte.


Fiebrig und blass klammerte sich eine weibliche Gestalt an ein schwarzgraues Fellbündel. Seit zwei Tagen wurde sie immer wieder von Krämpfen geschüttelt, die nach Aussage der Amme angeblich Wehen seien. Aber weiter tat sich nichts. Völlig entkräftet wimmerte Rahjamunde immer wieder, wenn diese unsäglichen Schmerzen sie zu zerreißen schienen. Immer wieder kam ihre Magd und tupfte ihr mit einem kühlen Tuch die Stirn und die Arme, doch in der frühsommerlichen Schwüle dauerte es nicht lange, bis die Haut der Edlen wieder feucht glänzte. Ihr Bauch war gespannt und prall und fühlte sich an, als würde er zerplatzen, wenn der nächste Schwall an Schmerzen über sie hereinbrechen würde. Bei dem Gedanken klammerte sie sich noch ein wenig fester und begrub ihr Gesicht in dem schwarzen Pelz. Die alte Hündin, der dieses Fell gehörte, lag ruhig da und schaute nur gelegentlich missmutig über die anwesenden Frauen, die ihrer Herrin nicht wirklich helfen konnten. Da Rahjamundes Mutter nicht selbst kommen konnte, hatte sie zumindest ihre Hündin Alrike geschickt. Nicht nur die Mutter, sondern auch die Hündin hatten schon viele Geburten begleitet. Je angespannter die Schwangere war, desto gelassener kuschelte das Tier sich an sie und leckte ihr gelegentlich über die Hand. Mehrfach schon hatte die Hebamme das Tier aus dem Raum werfen lassen wollen, doch Rahjamunde hatte eher ihren Gatten in dieser Stunde entbehren wollen, als dieses alte Tier. So hatte man es schließlich aufgegeben, da die Dame zumindest noch so viel Kraft zeigte, dass sie die Umklammerung nicht lösen konnten, ohne Gewalt anzuwenden.

Wieder war gerade ein Schwall an Schmerzen abgeebbt, als leise ein Mädchen mit einem Tablett in den Raum huschte. Die Köchin hatte sie mit ein wenig Brot und einer kräftigen Brühe nach oben geschickt. Doch die Schwangere rümpfte nur die Nase und drehte sich leicht auf die Seite und würgte. "Mir ist so schlecht! Wann ist das endlich vorbei?" Die Hebamme murmelte ein paar beruhigende Worte und wies das Mädchen nur mit einer beiläufigen Handbewegung an das Tablett in einer Ecke abzustellen. Sanft legte sie der jungen Adligen eine Hand auf die Stirn. "Das macht Ihr gut, edle Dame. Euer Kind ist sicher ein kräftiges Kerlchen, dass er sich so wehrt, Deres Antlitz zu erblicken!" Doch ihre Stirn zeigte Sorgenfalten. Irgendetwas stimmte nicht. Das Fieber der Frau stieg weiter, das Kind kam aber nicht, trotz der immer heftiger werdenden Wehen. Sie winkte das Mädchen zu sich und flüsterte ihr etwas zu, woraufhin das Kind groß schaute, einen Moment zögerte und fort eilte. Sie konnte nicht länger warten. Der Säugling musste noch heute geholt werden, sonst würde es die Mutter nicht schaffen. Vorsichtig legte die Hebamme ihre Hände an den Bauch der Adligen, was diese zu einem unterdrückten Schrei veranlasste.


Das Praiosmal stand noch hoch am Himmel, aber das Licht gab keine Wärme mehr von sich. Er fühlte sich wie betäubt, als er dem Mädchen zunickte und sie entließ. Es zog ihn zu den Gemächern, in denen seine Frau solch elende Schmerzen litt, doch konnte er dort nicht helfen. Aber reiten konnte er! Die Zeit drängte, hatte man ihm gesagt. Eiligen Schrittes wandte er sich nun doch dem Stall zu und wunderte sich nicht einmal, dass sein Ross bereits fertig war und ein Knecht ihm nur die Zügel reichte. Flugs schwang er sich auf den Rücken des Tieres und preschte geschwind über den Hof und aus den Toren der Burg, um seinen Bruder zu suchen und Hilfe zu holen. Mehr konnte er nicht tun und er würde sich nie vergeben, wenn er es nicht versuchen würde. Er wollte sie nicht verlieren. Nicht auch noch sie! Der spitze Schrei, der eben in dem Moment, da er die Burgmauern passierte, über den Hof schallte, ließ ihn das Pferd noch antreiben.

Es dämmerte, als das Pferd mitsamt Reiter begleitet von einem kleinen Wagen, der von einem Esel gezogen wurde, wiederkehrte. Wulfhart blieb so beherrscht er konnte, als sein Bruder schon nach seiner Tasche griff und den Karren stehen ließ. Er sprang vom Pferd, warf einem Knecht die Zügel zu und führte den Bruder zu den Kammern seiner Gemahlin. Es war still, als sie dort eintrafen. Zögernd betrat er mit dem Geweihten die Kammer und war entsetzt, als er das bleiche Antlitz seiner Liebsten in den zerwühlten Kissen sah. Ihr lagen tiefschwarze Ringe unter den geschlossenen Augen, die Haut glänzte fiebrig in einem gelblichen Ton. Der Leib schien geschwollener als noch am Morgen, als man ihn fortgeschickt hatte. Auf ihrer Brust lag der Kopf der Hündin mit traurigem Blick, den sie nicht einmal hob, um nach den Eintretenden zu schauen. Die Hebamme lehnte an der Wand und wischte sich die Haare aus der Stirn, während sie den Männern zunickte. Zwei weitere Mägde waren im Raum und wuschen die Adlige mit feuchten Tüchern. Hätte ihr Körper nicht gezittert, man hätte sie bereits für tot halten können. Still ging Wulfhart um das Bett herum und setzte sich an das Kopfende, um niemanden im Wege zu sein. Dann griff er nach der zarten Hand seiner Gemahlin und streichelte sie behutsam. Rahjamunde reagierte nicht.

Der Bruder Roderich ließ sich von der Hebamme genau erzählen, was in den letzten zwei Tagen passiert war, seit die ersten Wehen eingesetzt hatten. Dann erst legte er sachte seine Hände auf die Stirn der Frau, bevor er sie genauer untersuchte. Er nickte der Hebamme anerkennend zu und schickte nach frischem Wasser, heißem und kaltem, sowie frischen Tüchern. Er nahm einige Kräuter und begann sie zu zerstoßen, kaute auf einem anderen Zweig und schob dann den Kräuterbrei in Rahjamundes Mund. Kaum dass die Wassereimer antrafen, schob er seine Ärmel nach oben und begann mit der Arbeit, gab Anweisungen und schimpfte, wenn die Mägde und Knechte nicht schnell reagierten. Wulfhart saß weiterhin unbeachtet in einer Ecke und rührte sich nicht, hielt einfach nur die Hand seiner Gattin.


Mehrere Stundengläser später saß er mit einem Bündel auf dem Schoß im Kaminzimmer. Neben ihm saß die junge Amme, die ebenfalls ein Bündel hielt und sanft in ihren Armen wiegte. Stolz blickte er auf seine Kinder. Kein Wunder, dass Rahjamunde so schwer zu tragen hatte, wenn gleich ZWEI Kinder in ihr herangereift waren. Es fühlte sich an, als sei es erst Herzschläge her, dass man ihn in der Ecke hatte sitzen sehen und ihm den zweiten Säugling in die Arme drückte. Kaum war das zweite Kind zur Welt gebracht, hatte man ihn mitsamt der Amme fortgeschickt. Er wollte nicht gehen, aber sein Bruder versicherte ihm, dass er sich um Rahjamunde kümmern müsse, dazu aber Ruhe brauche. Er versprach ihm, alles zu tun um sie zu retten, aber dazu er müsse gehen und über die Kinder wachen. Die ganze Zeit war sie still dagelegen, hatte nicht reagiert, als man ihre Kinder holte, hatte nicht mal mehr geschrien. Ihr Puls war so schwach gewesen, dass der Ritter mehrfach fast dachte, er habe sie verloren, aber jedes einzelne Mal traf ihn ein Blick seines Bruders, der ihm aufmunternd zunickte. Wulfhart wusste nicht, wie lange er hier bereits saß und wartete. Es war tiefschwarze Nacht. Das Kind aus seinen Armen - er wusste nicht mal, ob es ein Junge oder ein Mädchen war - wurde von der Amme mitgenommen, als sie sich mit den Säuglingen zur Nachtruhe zurückzog. Er wartete. Er bangte. Er konnte nicht schlafen.

Es dämmerte wieder, der Morgen kündigte sich an, als Roderich mit noch feuchten Ärmeln und einem fleckigen Überwurf nach unten kam und sich in einen zweiten Sessel setzte. Müde schaute er in die Flammen, doch ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen. "Sie wird Ruhe brauchen. Ein paar Tage darf sie das Bett nicht verlassen. Aber sie wird es schaffen." Tief seufzte Wulfhart und merkte erst jetzt, wie angespannt er gewesen war. Seine Schultern entspannten sich, seine Fäuste lockerten den Griff um die Armlehnen und sein Blick traf dankbar auf seinen Bruder. "Ich weiß nicht, wie ich dir danken kann." Sein Bruder blickte zu ihm. "Kümmere dich um sie und die Kinder, wie du es der Herrin TRAvia geschworen hast." Sich im Sessel zurücklehnend grinste der alte Ritter. "Das werde ich, Bruder, das werde ich!"


 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Greifenfurt.svg   Wappen Baronie Kressenburg.svg   Wappen Baronie Kressenburg.svg   Stadt.svg  
 Burg.svg
 
29. Rah 1036 BF
Zwillinge auf Kressenburg
Feierlichkeiten


Epilog

Autor: Gramhild