Geschichten:Hochzeit auf Dreihügeln - Mehr Gäste und unerwartete Geschenke

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Dreihügeln, 07. Travia 1036 BF

Teil I

Am Morgen des 5. Tavia war die große Hochzeitsgesellschaft aus Kressenburg aufgebrochen. Neben Braut und Bräutigam, hatten sich rund zwei Dutzend weitere Edle und Geweihte auf den Weg nach Nardesfeld gemacht. Die Mutter des Bräutigams, Gunelde von Zweifelfels, hatte zum ersten Mal seit dem Tod ihres Gatten Bernhelm in der Schlacht am Stein das Rittergut verlassen, welches sie seither im Namen ihres Sohnes verwaltete. Baron Ardo begleitete seinen Vater ebenso wie seine Frau Praiadne und ihr erst vor wenigen Monden geborener Sohn und Erbe, welche auf der Reise von seiner Amme in einer der Kutschen umsorgt wurde. Zwei weitere Söhne Wulfharts begleiteten den Zug, der junge Travia-Geweihte Travhelm, der kurz nach seiner Weihe aus Weiden angereist war, und der großgewachsene Firnward, der zur Zeit an der Greifenfurter Kriegerschule seine Ausbildung erhielt. Der zweitgeborene Rondwin würde als einziger von Wulfharts Söhnen nicht an den Feierlichkeiten in Dreihügeln teilnehmen. Er war fünf Wochen zuvor mit seiner Frau und der Kressenburger Ritterschar gen Weihenhorst aufgebrochen, um ihr Lehen im Finsterkamm von einer Bande Schwarzpelze zu befreien, welche dort ihr Unwesen trieb. Aus dem Kloster Sankt Therbûn war Subprior Roderich zu der Gesellschaft gestoßen, um seinen Bruder Wulfhart zu begleiten.

Neben den Keilholtzern hatten sich einige Freunde, Nachbarn und Vasallen Wulfharts und seines ältesten Sohnes mit auf den Weg gemacht. Für die Familie Kieselholm kam der Kressenburger Vogt Phexian, welcher für diese längere Reise ebenfalls mit einem Platz in der Kutsche Vorlieb nahm. Junker Braniborian hatte sich erst kurzfristig dem Zug angeschlossen, nachdem Gerüchte aufgetaucht waren, dass auch die Greifin und ihr Gatte der Hochzeit in Dreihügeln beiwohnen würden. Aus Immingen kam der alte Ritter Arnulf samt seiner Gattin, da seine Töchter, welche er sonst zu solchen Anlässen zu schicken pflegte, sämtlich zu jenen Kressenburger Rittern gehörten, welche in den Finsterkamm gezogen waren.

Ergänzt wurde die Reisegesellschaft von den Knappen Mechthild, Leuthardt, Giselda und Bardo, den Pagen Edelbrecht und Firnwulf, die sich mit den Packpferden abmühten, sowie einer Hand voll Fuhrknechte für die mitgeführten Kutschen.

Die Gesellschaft wählte die südliche Route über Niemith und überquerte gegen Mittag die Breite beim Örtchen Klappweiler, bevor sie am Abend im Marktflecken Feldharsch Rast machte. Am nächsten Tag brach man ebenso pünktlich wieder auf und versuchte ohne langen Aufenthalt die Baronie Zalgo zu durchqueren. Die ausnehmend schlechten Straßenverhältnisse machten den Kutschen jedoch schwer zu schaffen. Mehrmals mussten gebrochene Speichen notdürftig ausgebessert werden und gerade als man den letzten Zalgoer Weiler vor dem Grenzwald ins benachbarte Nardesfeld erreichte, brach bei einer der Transportkutschen gar eine Achse. So machte man notgedrungen einen ungeplanten Halt und ließ den hiesigen Schreiner über Nacht die Achse ersetzen, bevor man am Morgen mit vorsichtiger Fahrt zur Durchquerung des Waldes ansetzte. Am späten Vormittag des 7. Travia konnte man dann endlich von der Kuppe des westlichen Hügels auf das Dorf Dreihügeln hinabzublicken. Der kleine Ort war zu mit für seine Verhältnisse zu viel Leben erfüllt und die Neuankömmlinge erkannten an den hektischen Vorbereitungen, dass auch sie dieser Tage weder die ersten noch die letzten Gäste sein würden.

Kaum hatte man die Unterbringung geregelt, kam kurz vor der Mittagszeit ein Bote der Grenzjäger in das Dorf geritten und wandte sich ohne Umwege zum Gutshaus. Dort schwang er sich von seinem Pferd und eilte die zwei Stufen zum Eingang hinaus und klopfte energisch an die Tür. Nur wenige Herzschläge später öffnete eine erschrocken dreinblickende Magd dem jungen Mann entgegen. "Was gibt's denn so Eiliges?" Als sie seine Bänder an der Schulter sah, öffnete sie die Türe aber weiter, um ihn einzulassen.

Noch während der Reiter mit einen schnellen Blick durch die große Gaststube die Lage einzuschätzen versuchte (eine weitere Magd deckte gerade einen Tisch für mehrere Personen ein, während eine etwas ältere Frau bereits einige Krüge mit Dünnbier befüllte), antwortete er. "Ich bin Firnwart von den Grenzjägern. Der Baron schickt mich. Ich soll mich bei der Junkerin melden."

Die Dame hinter dem Tresen blickte auf und schaute mit gerunzelter Stirn herüber. "Ist was mit dem Hund?" Der Bursche musste unwillkürlich schmunzeln. "Nicht dass ich wüsste, Wohlgeboren, nein. Aber gestern Abend hat ein Flussschiff bei uns in Schmalfurt festgemacht. Sie sagten, sie hätten drei Fässer Ferdoker für Euch. Das sei von einem Zwerg aus Wandleth für Euch geschickt worden. Deswegen sollt Ihr möglichst schnell einen Karren schicken, das Bier abzuholen. Sonst kann der Baron nicht für dessen Sicherheit und den unversehrten Transport garantieren." Das Schmunzeln auf dem Gesicht des Soldaten drohte zu einem breiten Grinsen zu entgleisen, während die Gutsherrin verdutzt dreinschaute.

"Bier aus Ferdok? Von einem Zwerg aus Wandleth?" Einen Moment später lockerte sich auch ihre Miene und sie begann laut zu lachen. "Dieser verrückte Kerl! Hat er mein Kind doch liebgewonnen, hätt's nur nie offen zugegeben..." Dann schaute sie den Burschen wieder an und nickte ihm freundlich zu. "Ist recht. Nach dem Essen schick ich dir den Henner mit dem Wagen mit. Bring dein Tier solange nach hinten in den Stall und iss mit den Anderen in der Küche, bevor es zurück nach Schmalfurt geht. Hier werden die hohen Herrschaften bewirtet." Mit einem Nicken zog sich der Reiter zurück, sein Pferd zu versorgen, ohne aber den gutaussehenden, blonden Mann in der hintersten Ecke zu übersehen, der dort über sein Buch gebeugt sehr aufmerksam das Gespräch verfolgt hatte.

"Wenn ich fragen darf, Wohlgeboren, in Schmalfurt hatte es doch auch eine Burg, nicht war? Sind Euch dort eigentlich ebenfalls solch Steine aufgefallen, wie der hier in der Wand Eurer Stube? Vielleicht wäre ja der Baron bereit, den Einen oder Anderen davon der Nandus-Kirche zu überlassen, damit sie genauer untersucht werden könnten." Mit einem um Höflichkeit bemühten Lächeln setzte die Hausherrin den fertigen Krug vor sich ab. "Sofern Ihr wünscht, könnt Ihr den Reiter und meinen Knecht nach der Mittagsmahlzeit gern nach Schmalfurt begleiten und den Baron selbst danach fragen, Euer Gnaden Idaijon."

Teil II

Am Morgen des 7 Travia in einem Rasthaus zwischen Breitenbruck und Donfanger

Travholde, kannst du bitte mal nachschauen gehen, wo die Kinderfrau bleibt? Und wenn du schon dabei bist, wäre ich dankbar, wenn du Siegwart bittest, nach der Amme zu rufen.“ Während das kleine Mädchen davonhuschte, seufzte die Greifin tief auf, was sogleich ihre zweite Pagin, Prailinde von Keilholtz auf den Plan rief.

„Herrin,“ fragte die Sechsjährige mit Piepsstimme, „ist Euch nicht gut? Soll ich Euch etwas Wasser bringen lassen oder gewässerten Wein?“ Irmenella wusste nicht, ob sie über den Elan ihrer Pagin schmunzeln oder die Augen verdrehen sollte. Es war eine echte Gemeinheit, dass ihr Gatte Knappen und somit halbwegs vernünftige und selbst denkende Burschen und Mädchen bei der Hand hatte, die ihm zu Gehorsam waren, während sie nur Pagen herumscheuchen durfte, die beständiger Anleitung bedurften. Und wenn dann so eine Pagin oder ein Page endlich reif und verständig genug war, seine Aufgaben selbstständig zu erledigen, und ein wenig weiter dachte als bis zum nächsten Atemzug, dann waren diese ihres Dienstes entwachsen und traten in Knappschaft.

„Es ist nichts.“ Die Greifin lächelte dem braungelockten Mädel zu und legte schützend die Hand auf den anschwellenden Leib. „Das Kind hat nur ein wenig Pölches gespielt.“ Dann drehte sie den Kopf zur Seite und mahnte ungeduldig: „Madalieb Thalessia von Wertlingen, wenn du nicht sofort die Haare deines Bruders loslässt, dann rufe ich den Bannstrahl!“ Ihre Tochter reagierte auf die Zurechtweisung mit einem Zurückfahren, welches jedoch schneller erfolgte als das Loslassen des Haars, was einen schrillen Schrei des Bruders nach sich zog, welcher dazu führte, dass das in der Wiege schlafende Brüderchen aufwachte, was dieses mit lautem Geschrei quittierte, in welches sogleich der große graue Hund einfiel, welcher es sich vor dem Kaminsims bequem gemacht hatte.

Irminellas Hand flog vom Bauch zum Schädel, während sie die Augen zusammenpresste. Warum nur hatte man sie mit den Kindern und dem Hund hier in diesem Zimmer alleine gelassen? Gut, sie hatte alle hinausgeschickt, um das Packen zu beaufsichtigen, immerhin belief sich ihr Tross auf sechs große Wagen und eine ganze Reihe von Berittenen, ungeachtet der bereits vor einer halben Woche losgeschickten Vorhut, welche in Dreihügeln schon einmal die Zelte aufstellen und der Junkerin zur Hand gehen sollte. Denn auch wenn die Greifin als Landesherrin natürlich einer Hochzeit beiwohnen konnte und sicherlich nicht im Zelt nächtigen würde, war es ihr ein Bedürfnis, der Lehnsfrau alle nur erdenkliche Unterstützung zu gewähren. Schließlich war es Irmenellas ureigene Idee gewesen, diese Hochzeit als erstes großes Freudenfest in der Mark nach der Schlacht am Stein mit all ihren Verlusten und all ihren Schmerzen zu nutzen, um ein Zeichen für einen gemeinsamen und positiven Neubeginn zu setzen. Und wenn der Neubeginn gelingen sollte, dann durfte man nichts dem Zufall überlassen.

„Du wirst nicht glauben, was geschehen ist!“ In das wilde Weinen der zwei Kinder und das verzweifelte Beruhigungsgeplapper der überforderten Pagin, den Hund nicht eingedenk, platzte just in diesem Augenblick eine hagere Gestalt, deren Augen vor Elan glühten. Mitten im Raum verhielt der Mann und blickte mit großen Augen in die Runde: „Was ist denn hier los?“

„Das übliche Reisechaos.“ Während sich ihr Mann nach seinem Sohn bückte und den schluchzenden Bub in die Arme nahm, was dieser augenblicklich mit glücklichem Geschnatter goutierte, beugte sich die Greifin vor und nahm ihren Jüngsten vorsichtig aus der Wiege. „Erinnere mich daran, dass wir, falls wir irgendwann einmal jemanden haben, der zu foltern ist, diesen vier Stunden mit vier gelangweilten Kindern in einen Raum sperren. Danach dürfte selbst der grausamste Verbrecher mürbe sein.“

„Aber warum sollten wir jemanden foltern wollen?“ Der Blick ihres Gatten traf sie mit völligem Unverständnis, was ihr ein abgrundtiefes Seufzen entlockte: „Was ist denn geschehen?“, fragte Irmenella, um vom Thema abzulenken.

Bruder Peranor und Seine Gnaden Grevinghoff meinten, wir könnten in Kürze aufbrechen, als plötzlich…“ Ihr Mann machte eine dramatische Pause. Zumindest war er sehr davon überzeugt, dass es sich hierbei um eine dramatische Pause handelte. Seine Augen waren weit aufgerissen, sein Mund vor Staunen geöffnet und sein einer Arm ragte weit ins Zimmer. Der im anderen Arm sitzende Knabe quietschte vor Vergnügen und auch dessen Schwester konnte ob des Anblicks des erstarrten Vaters nur haltlos kichern. Irmenella musste gegen ihren Willen lachen, zu lächerlich war der Anblick ihres Gatten. Auch wieder eine Sache, die sie mit ihm würde bereden müssen, wenn man mal wieder alleine war. Die Greifin hoffte inständig, dass er sich solche Szenen nur für die Familie aufhob und nicht auch seine Ritterfreunde mit solch pathetischen Auftritten erfreute.

Kurz linste Edelbrecht zu seiner Frau hinüber, als er allerdings nicht den erhofften Beifall seiner Darbietung erhielt, gab er die Possen auf, hockte sich vorsichtig auf einen Stuhl und setzte seinen Sohn auf seinem Knie ab. „Wir haben Zuwachs bekommen“, ließ er mit normaler Stimme vernehmen.

„Und zwar?“ Irmenella hasste es, wenn man seinem Gegenüber alle Informationen einzeln aus der Nase ziehen musste. Leider brachte ihre Stellung es mit sich, dass sie genau in dieser Fertigkeit langsam aber sicher zur Meisterin heranreifte.

Der Landvogt von Breitenbruck nebst Pagen und der Baron von Donfanger sind zu unserem Tross gestoßen und werden uns zur Hochzeit begleiten.

Kurz schloss die Greifin die Augen. Noch mehr Adlige, die sie zur Hochzeit geleiteten. Und das, wo sie sich so unförmig fühlte wie noch nie zuvor in einer ihrer Schwangerschaften… vom Unwohlsein mal ganz abgesehen. Aber was musste, das musste.

Scharf klopfte es an der Tür, dann – auf eine kurze Einladung seitens der Markgräfin hin, sprang diese auf und spuckte den Knappen Edelbrechts herein. „Die Pferde und Kutschen stehen bereit, Herr. Der Tross ist in den letzten Vorbereitungen. Herrin? Ich habe Eure Ammen und Mägde gebeten, Euch aufzuwarten und zu helfen, Euch und die Euren in die Kutschen zu bringen.“

Streng fasste Irmenella den Knappen ins Auge, der unter dem prüfenden Blick sichtlich unruhig wurde. Gut, sie hatte keinen eigenen Knappen. Aber wer verbot ihr, sich den ihres Mannes unter den Nagel zu reißen?



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7. Tra 1036 BF
Mehr Gäste und unerwartete Geschenke
Ankunft der ersten Gäste


Kapitel 2

Vor der Feier