Geschichten:Helden von Gareth - Feindbestimmung

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Schloss Ulmenrain, 3. Namenloser 1035 BF

»Euer Vetter ist hier, Wohlgeboren. Er bittet um eine Unterredung unter zwei Augen.«

Der jungen Magd war deutlich anzumerken, dass sie es als äußerst irritierend empfand, während dieser Zeit einen ungeladenen Gast bei ihrer Herrschaft zu melden. Zudem eine Person, der man im Gesinde hinter vorgehaltener Hand nachsagte, es mit den Göttern nicht immer so genau zu nehmen.

Waltrude von Borstenfeld, die in tiefem Gebet bis vor wenigen Minuten vor einem kleinen Schrein gekniet hatte, erhob sich ruckartig und schloss das kleine Kabinett, wo sie die kunstfertig gemeißelte und makellos geschliffene Marmorfigur aufbewahrte. Mit einem kleinen silbernen Schlüssel verschloss sie die geheime Lade und ließ ihn mit einer unscheinbaren Handbewegung in eine verborgene Innentasche ihres Rockes gleiten.

»Teure Base, ich hoffe du verzeihst mir meinen unangemeldeten Besuch. Aber es sind Angelegenheiten äußerster Dringlichkeit, die mich zur heimischen Scholle bringen.« Der Gast trat auf seine Kusine zu, und hauchte ihr je einen Kuss auf die längst nicht mehr so frischen und rosigen Wangen. Das Lächeln der dürren Lippen erschien ihr spöttisch wie eh, sie kannte ihren Vetter nicht anders.

»Aber nein, mein Lieber. Meine bescheidene Behausung steht dir jederzeit offen und ich dir als deine Dienerin jederzeit zur Verfügung.«

Von Schloss Ulmenrain als "bescheidene Behausung" zu sprechen war mehr als untertrieben. Bereits ihr Großvater Melcher von Borstenfeld hatte das damalige Rittergut zu einem wahrhaftigen Prunkschloss ausbauen lassen, wie man sich erzählte hauptsächlich durch die Dukaten, die er durch seine zwielichtigen Geschäfte mit Kaiser Perval, vor allem aber mit dessen beiden verruchten Zwillingen, angehäuft hatte.

»Wie laufen die Hochzeitsvorbereitungen für Hartmunde?« Parinor griff nach dem halb gefüllten Weinpokal auf dem Schreibtisch, Waltrudes Weinpokal, roch kurz daran und stellte den goldenen Becher mit verzogener Miene wieder an seinen Platz. »Ich hoffe besser, als dieser Essig hier.«

»Der Wein kommt aus dem Raschtullswall, die Flasche kostete ein halbes Vermögen«, antwortete die Junkerin leicht verärgert.

»Du darfst diesen Krämern und Betrügern nicht zu viel Glauben schenken. Der Wein kommt aus dem darpatischen, gestreckt mit Zusätzen, die du lieber nicht wissen willst. Ich kenne den Händler, er arbeitet für mich. Erzielt in Gareth nebenbei bemerkt eine gute Marge mit dem Gesöff. Das nächste Mal, wenn ich ihn sehe, werde ich dafür sorgen, dass du richtigen Wein bekommst.«

Parinor ließ sich auf einem gemütlichen Polstersessel nieder, der unweit des geöffneten Fensters stand. Mit einem feinen, goldbestickten Taschentuch tupfte er sich die Schweißperlen von der Stirn. Sein spöttischer Blick ruhte auf seiner Verwandten und mit einer gehobenen Augenbraue fügte er hinzu: »Ich warte noch auf die Antwort meiner Frage.«

»Hartmunde befindet sich in Klausur, in Gesellschaft mit einem Travia-Geweihten, der ihr die Regeln einer göttergefälligen Ehe erzählt. Wahrscheinlich hat sie ihn bereits um den kleinen Finger gewickelt und verbringt die Tage zwischen den Jahren damit, ihn nach allen Regeln der Rahja zu vögeln.«

Parinor lachte auf. »Ja, ich hatte nichts anderes erwartet. Aber was ist mit dem Pfalzgrafen? Wie steht der zu der Heirat?«

»Soweit ich das beurteilen kann, ist er ganz zufrieden. Er weiß genau, was wir in die Verbindung investiert haben, immerhin sind die Hirschfurten eine namhafte und lohnende Partie. Wahrscheinlich hofft er, von deinen Verbindungen profitieren zu können. Oder, was ich für wahrscheinlicher halte, der alte Ungolf hofft das.«

Parinors Miene verhärtete sich. »Wir werden sehen. Alles hat seinen Preis, und wenn die Hirschfurtens weiterhin nicht nur ein zweitrangiges Adelhaus in Garetien bleiben wollen, müssen sie schon bereit sein, ordentlich zu investieren. Womit wir beim Thema sind. Wie steht es mit unseren eigenen Investitionen?«

»Im Gegensatz zu dir, mein Guter, habe ich meine Hausaufgaben erledigt«, erwiderte Waltrude süffisant auf Parinors Debakel bei Auenwacht anspielend. Längst hatte sie sich wieder an ihren Schreibtisch gesetzt, hatte kurz den Weinpokal in die Hand genommen, ihn aber nach wenigen Augenblicken wieder abgestellt. »Greifenstolz und Trenck stehen auf unserer Seite wie auch der alte Drostenberg. Die Berg von Schellenpfort habe ich dazu bewegt, sich nicht zu positionieren. Damit steht der Fettsack ohne Hosen dar, wahrscheinlich ist ihm das nicht mal bewusst.«

Parinor schüttelte den Kopf. »Ihm nicht unbedingt, aber auf jedem Fall seiner missratenen Göre. Die Verlobung seiner Enkelin mit der Raulsmark vor wenigen Tagen ist höchst unerfreulich…«

»… aber harmlos«, fiel im Waltrude ins Wort. »Der Burggraf hält gerne lange Reden, aber mir ist nicht bekannt, dass er jemals auch nur einen Kreuzer eingesetzt hätte, um ein Mitglied seiner weitläufigen angeheirateten Verwandtschaft zu unterstützen. Geschweige denn einen seiner Ritter oder Soldaten zu schicken. Nein, ich sage dir, der gute Oldebor wird die Füße stillhalten wie ein zahmer Vogel ohne Krallen. Und wenn er sich wider Erwarten engagieren sollte, dann bringen wir unseren neuen Pfalzgrafen ins Spiel. Weyringhaus wird sicherlich nicht sein bequemes Federbett für eine unbequeme Fehde mit einem alten Haus aufs Spiel setzen. Denn hier reicht es nicht aus, mit ein paar von seiner Schwiegertochter geraubten Dukaten um sich zu werfen, um seinen geliebten Sohn und Erben aus den Händen von Entführern zu lösen.«

Parinor schaute Waltrude mit unbewegter Miene an. »Es ist zu gewagt, die Risiken sind definitiv zu hoch.« Er atmete tief durch und stand federnd auf. »Aber es ist deine Entscheidung. Die Vieroks werden über kurz oder lang untergehen. Es ist wirklich eine Gunst der Stunde, dass Barnhold diesem Attentat zum Opfer gefallen ist. Wer weiß, vielleicht reicht ja ein einzelner harter Schlag, und das ganze morsche Gebälk in Vierok stürzt endlich zusammen. Und dann, nach so langer Zeit, bekommt die Familie endlich ihr Recht und die Krone der Baronie.«

»Dein Wort in der Götter Ohren. Wo wir bei diesem Thema sind, wirst du die nächsten Tage hier verbringen?«

Parinor erhob sich aus seinem Sessel und ging gemächlich zur Tür. »Nein, teure Base, aber herzlichen Dank für das gütige Angebot. Ich habe zu viel zu erledigen, um diese fünf Tage angsterfüllt und untätig verstreichen zu lassen. Meine Geschäfte warten nicht bis Praios.«

Während der Pfalzgraf sich noch einmal vor seiner Kusine verneigte und das Zimmer verlies, fiel Waltrudes Blick unbewusst auf das kleine verschlossene Kabinett. Im Gegensatz zu ihrem Vetter befürchtete sie keine Risiken eines Angriffs auf den Baron von Vierok. Denn sie hatte das sichere Gefühl, dass sie auf die Hilfe einer höheren Macht zählen konnte.