Geschichten:Heißen ihre Klingen - Schwertträger

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Reichsforst im Tsa 1040 BF


Er schreckte aus seinem Traum hoch. Er wusste sofort, dass dies kein gewöhnlicher Traum war, den die Erinnerung an ihn verblasste nicht. "Korgond," murmelte er, dann klarer: "Korgond".

Mit einem mal war der Hüne wach. Manchmal zweifelte er noch, so wie am Vorabend, was ihn in diesen Teil Garetiens getrieben hatte, aber eigentlich hatte er sich in den letzten Monaten vom Gefühl treiben lassen. Seine alte Knappin Fridega, mittlerweile selbst Ritterin und Oberhaupt der Kaisermärker Bergs, hatte ihn auf der Beerdigung ihrer Mutter einen "Vagabunden" genannt. Und doch: Irgendetwas in ihm (oder im Schwert?) führte Leobrecht Prankhold vom Berg immer wieder an den rechten Ort zur rechten Zeit. Und so richtig wie in dieser Nacht war er wohl noch nie gewesen.

Leobrecht nahm sich die Zeit, das Kettenhemd und den Wappenrock überzuwerfen und die Rückenscheide mit Ogerschlag zu gürten. Dann stieg er in Stiefeln und Sporen und setzte den schwarz-rot-lackierten Helm auf. Heute, das wusste er, musste er als Ritter seinen Weg gehen. Nein, nicht nur als Ritter: Als Schwertträger.

Unten im Schankraum schnarchten ein Zwerg und ein Thorwaler, die Arm in Arm an der Feuerstelle ihren Rausch ausschliefen, der Rest ihrer sogenannten Heldengruppe hatte wohl trotz des Gelages die Zimmer gefunden. Leobrecht schlich so leise, wie es mit Kettenhemd und Sporen auf einer knarzenden Holztreppe ging, an den beiden vorbei, hinaus in die kalte Nacht, die noch so viel mehr vom Winter als vom herannahenden Frühling hatte.

Der nahe Reichsforst lag im Nebel, aber Praios' nahende Dämmerung gab schon genug graues Licht, um langsamen Schrittes voranschreiten zu können. Voran in den Nebel. Ein Nebel, der die Welt zu verschlucken schien. Leobrecht sah die Schemen der Baumstämme und hörte lediglich ein leises, entfernt bekannt vorkommendes Rauschen, selbst die zahlreichen Tiere des Waldes schienen ob des Ereignisses zu schweigen.

Zwischen zwei prächtigen Eichen, die das Wappen der Grafschaft Reichsforst in den Schatten stellten, war duftender Waldboden, frisch und ohne Moos, als wäre die Erde hier gerade aufgerissen. Nein, nicht "wäre", dachte der Schwertträger, sondern "ist", und nicht "Erde" sondern "Welt". Als er zwischen den beiden Eichen hindurchschritt, wusste Leobrecht, dass er der Erste war, seit die beiden alten Bäume gepflanzt worden waren.

Aus dem Nebel schälten sich die Umrisse eines Tempels in einer burgähnlichen Anlage, Leobrecht schritt auf das Portal zu, während das Rauschen fast rhytmisch anstieg, es war fast wie...

Der Schwertträger wurde abgelenkt. Am Tympanon des Portals fiel sein Blick auf die acht Figuren zu Füßen des Königs. Acht Schwertträger - oder waren es die Acht Märtyrer? Gab es da denn einen Unterschied?

Tympanon des Korgonder Tempelportals.svg

Vorsichtig setzte er einen Schritt in die alte Tempelhalle. "Der Tempel der gerechten Herrschaft" schoss es ihm durch den Kopf. Wer hatte ihm das gesagt? Elmenbarth? Anaxios? Er konnte sich nicht entsinnen. Im Halbdunkel erkannte er die Stelle, an der das Relief der Herrschaft gehangen haben musste, damals vor dessen Zerstörung durch den "guten" Kaiser Menzel. Vor dem Altar hatte ein Bildhauer die Statue eines knieenden, betenden Ritter platziert.

Leobrecht erinnerte sich nur an zwei Momente in seinem Leben, in denen ihn eine solche schwerbürdende Demut erfasst hatte: Die Nacht im stillen Gebet vor seinem Ritterschlag und der Moment als ihm die Rondra-Kirche das Schwert Ogerschlag überreicht hatte. In diesem, dritten Moment der Demut schritt er gemessenen Schrittes zum Altar und kniete neben der Statue zum Gebet zu - ja zu was und wem eigentlich? Das rhytmische Rauschen erfüllte seinen Kopf, ein Rauschen wie, ja wie...

"Schwingenrauschen", der plötzliche, laute Klang seiner eigenen Stimme ließ ihn zusammenfahren.

"Ogerstark", sprach mit alter, brüchiger Stimme die knieende Gestalt neben ihm.