Geschichten:Hartsteener Kassen - Grenzgespräche

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Baronie Hutt, Mitte Tsa 1034 BF


Ein vermummter Reiter und ein nicht weniger eingehüllter Fußgänger trafen sich außerhalb der Stadtmauer auf den tief verschneiten Wiesen der Dergelaue. Keiner würde sie so belauschen können. Der eine zog sein Bein etwas nach und hatte sichtlich Mühe, sich den Weg durch die Schneeverwehungen zu bahnen. Der andere war abgesessen und führte ein dampfendes Reitpferd am Saum hinter sich her, während er in der anderen mit einem Stück Papier in der vom Frost geröteten Hand wedelte:

„Schau dir das an. Das ist schier unglaublich. In der gesamten Grafschaft wird man keinen Heller mehr finden, wenn der Blautann auf dem Betrag besteht. Wir sind doch jetzt schon nahezu mittellos.“

„Dann ignoriere das Schreiben so lange es geht. Bis zum Rahja-Mond ist es noch lange hin und die Zahlung braucht ja erst dann erfolgen. Damit muss der Blautann sich vorerst zufrieden geben. Und schließlich läuft noch viel Wasser den Dergel hinunter, bis der Termin ran ist.“

„Aber das Geld werden ich keinesfalls zusammenbekommen, nicht mal, wenn ich es mir in der Kaisermark oder bei den Darpatiern hole. Und du weißt, was ich damit meine. Auf normalem Wege zu borgen, habe ich schon längst aufgegeben. Kein Garether Pfeffersack leiht noch einem Hartsteener“, ereiferte der Reiter sich.

„Nun stell dich nicht so an. Der Blautann wird doch kaum persönlich vorbeikommen und alle deine Leute zählen. Wenn er das überall in Hartsteen macht, ist er in einem Jahr noch nicht fertig, der hat gar nicht die Leute dazu. Runde also großzügig ab. Außerdem schreibt er von allen Bewohnern; das scheint mir nun lediglich die männlichen Personen zu umfassen.“

„Bei Phex, dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin!“

Der andere schien das Lob gar nicht zu bemerken und sinnierte weiter: „Es wundert mich ehrlich, dass der Blautann so plump und dämlich vorgeht. Kein Hartsteener Ritter wird nach dieser Sache noch unter seinem Kommando dienen wollen und ihm in die Schlacht folgen, wenn er ruft. Im Gegenteil: Er wird sich vorsehen müssen, dass er nicht einmal mit einem Dolch im Rücken aufwacht. Wozu verzweifelte Leute fähig sind, sollte er eigentlich besser wissen.“

„Nanana. So unehrenhaft sind wir nun auch wieder nicht.“ Wandte der erste ein, indem er das offizielle Schreiben in einer Manteltasche verschwinden ließ.

„Du hast ja recht... dann eben mit einer Saufeder im Wanst. Aber das ist auch keine Lösung“, schob der Humpelnde schnell hinterher, als er das aufkeimende Grinsen im Gesicht seines Gegenübers gewahrte.

„Und was fange ich nun damit an? Mein Neffe hat sich richtig Mühe damit gegeben.“

Der Reiter kramte ein weiteres Stück Pergament aus der Satteltasche hervor, bereits mehrfach abgeschabt und nun neu beschrieben und schob es dem anderen unter die Nase. Der hielt das Schreiben erst auf Armeslänge von sich weg, schüttelte dann unwillig den Kopf und holte es dann bis dicht vor seine Nase und las mit zusammengekniffenen Augen:

An Seine Hochwohlgeboren

Alrik vom Blautann und vom Berg, Verweser der Grafschaft Hartsteen
 
 
 
 
Seit dem Einbruch des Endlosen Heerwurms in das Herz des Reiches war der Adel der Grafschaft Hartsteen in seinen Bemühungen zur Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Zwölfgöttlichen Ordnung auf sich allein gestellt. Ohne Zaudern und Murren nahm er diese überaus harte Bewährungsprobe an, wenngleich die stetig anrennende daimonische Flut keine Zeit zum Kraftschöpfen ließ und große Verluste und Einbußen bedeuteten. Nur durch seinen Mut, seine Tapferkeit und die Kraft seiner Schwerter gelang die Rückeroberung Puleths oder die Befreiung Appelhofs und noch vieler anderer Orte und Burgen aus daimonischen Klauen.

Bevor die Krone nun mit derart weitgehenden Forderungen an den Hartsteener Adel herantritt, wie es Euer Schreiben verkündet, ist es nur recht und billig, dass sie die bereits geleisteten Anstrengungen des Hartsteener Adels nicht in Vergessenheit geraten lässt. Denn jene Unternehmungen zur Befriedung des Landes sind auf dessen eigene Initiative und Kosten erfolgt; und zwar weit über das Maß der normaler Lehnspflichten hinaus und ohne Beteiligung der Krone, wohl aber zu ihren Gunsten, insofern die zwölfgöttliche Ordnung in den vorgenannten und etlichen anderen Orten in ihrem Namen überhaupt erst wieder hergestellt werden konnte. Die Kosten dafür waren jedoch immens.

Indes sich der Hartsteener Adel dem Feind entgegenwarf, sparte die Krone über lange Jahre die Ausgaben für die Aufstellung und den Einsatz eigener Ordnungskräfte zur Abwehr der daimonischen Gefahr. Dies bitten wir untertänigst bei der Ansetzung der nun durch Euer Hochwohlgeboren vorgenommenen Sonderforderungen zu berücksichtigen. Dabei wird Eurer Hochwohlgeboren schnell offenbar werden, dass sämtliche Forderungen der Krone bereits abgegolten sind. Solltet Ihr dennoch auf der Sonderanstrengung bestehen, wird der Hartsteener Adel dem mit Freuden Folge leisten, sobald ihm zuvor sämtliche Auslagen und Verluste im obengenannten in den letzten Jahren geübten Reichsdienst ersetzt wurden.
 
 
 
 

Eine Weile schwieg Humpelnde und meinte dann: „Warte mit der Übergabe an den Verweser bis kurz vor Ende der gesetzten Frist. Und sieh in der Zwischenzeit zu, dass du möglichst viele andere Herren unterzeichnen lässt; ja, selbst Geismars Leute. Nur dann hast du vielleicht die Möglichkeit, ungeschoren damit davon zu kommen.“