Geschichten:Hartsteener Grafenrat - Aldengrunder Absprachen

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Burg Aldengrund, Hesinde 1037 BF

Der Turmwächter Oldebor sah über die Zinnen hinaus in das weiße Land und rieb sich die Hände - der kurze Wintertag neigte sich dem Ende zu und der Wärmestein in seiner Tasche war längst erkaltet. Seine Kameraden von der Luchsgarde saßen unten in der geheizten Wachstube und würfelten, wie er von den hin und wieder heraufdringenden Geräuschfetzen verdrossen schloss.

Die Luke zur Turmplattform wurde aufgestoßen und Geronias Mondgesicht erschien in dem Spalt. Sie hielt ihm ein umwickeltes Bündel hin: „Hier, ich bring dir einen frischen Wärmestein, Oldebor.“

„Oh, danke“, er trat zu ihr, nahm ihr das Bündel ab.

Ein Keifen begleitet von schadenfrohem Gejohle drang durch die geöffnete Luke.

„Was’n unten los?“

„Ich glaube, Bärta hat schon wieder verloren.“

„Verflixt, wenn das so weiter geht, isse blank bevor ich meine Schicht beendet habe und dann habe ich nichts mehr von ihrer Pechsträhne.“

„Gräm dich nicht. Dafür hat Roban dann die Nachtwache und wie’s aussieht, wird’s wieder kalt wie’ne Hexentitte. Bis dann“, Geronias Gesicht verschwand unter der sich schließenden Luke.

„Das isses jetz schon“, brummte der Wächter. Doch dann blieb sein Blick an den schwarzen Punkten hängen, die über den Rand des Hügels wanderten. Die Punkte wurden größer und entpuppten sich in der Dämmerung als ein knappes dutzend Reiter, das auf Burg Aldengrund zuhielt. Der vorderste von ihnen trug das Hartsteener Igelbanner, das am Lanzenschaft stocksteif gefroren war und sie alle hatten sich gegen die eisige Kälte tief vermummt, doch ihre langen Reitmäntel glitzerten vom Frost. Den durch den Schnee stapfenden Pferden war die Anstrengung eines längeren Rittes deutlich anzusehen, aber auch die Reiter selbst waren sichtlich erschöpft. Widerwillig setzte Oldebor das Signalhorn an die Lippen um die Ankömmlinge anzukündigen. Dann beugte er sich zwischen zwei Zinnen vor und rief ihnen entgegen: „Wer seid Ihr und was ist Euer Begehr?“

„Kerl, es fehlt ihm wohl an Respekt oder er so dumm, dass er dieses Banner nicht kennt?“, schallte es von unten herauf, „Also lass’ er gefälligst das Tor öffnen und melde er seinem Herrn, dass Praiodan von Steinfelde ihn zu sprechen wünscht.“

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Wenige Augenblicke später hatte der Burgherr die Gäste begrüßt und im Speisesaal zusammen mit seiner Familie verköstigt. Dabei hatte es die üblichen harmlosen Unterhaltungen gegeben und seine Frau hatte sich alsbald zurückziehen müssen, um sich als Mutter um die jüngste Tochter des Hauses zu kümmern. Daraufhin hatte man sich in den Raum zurückgezogen, den der Baron etwas übertrieben als die Bibliothek der Burg bezeichnete, vor allem da neben den spärlich belegten Regalen ein Kamin den kleinen Raum erwärmte und man dabei in gemütlichen Sesseln bei einem Kelch erhitzten Würzweines besser in angenehmen Rahmen sprechen konnte.

„Ich komme gerade aus Zoltheim", eröffnete der Steinfelder das Gespräch, nachdem er einen Schluck aus seinem Kelch getan hatte, "Junker Taramon hatte Zeitung geschickt, dass seine Leute Hinweise auf die Bande vom Eichenblatt gefunden hätten. Auch mein Schwippschwager auf Obernheim meldete verdächtige Bewegungen in den Olkauen. Na, zumindest den Gnisterholmern kann man es derzeit nicht in die Schuhe schieben. Nun frag ich mich, ob Ihr vielleicht mehr darüber wisst, Schallenberg. Und seid bedankt für Eure Gastfreundschaft. Vielleicht hätten wir’s zwar noch bis Puleth geschafft, aber ihr werdet nachvollziehen können, dass ich dort nur ungern nächtigen möchte.“

Felan lachte auf. Es war ein lautes, wie tiefmitfühlendes Lachen, in dem mitschwang, dass er Praiodans mitschwingende Andeutung nur zu gut nachvollziehen konnte. "Oh, ich wäre sogar ein wenig beleidigt gewesen, hättet ihr Puleths Gastfreundschaft der meinigen vorgezogen", scherzte er mit einem Zwinkern. "Doch was eure Frage angeht kann ich leider auch wenig erhellendes beitragen, muss ich gestehen. Der Eichenblatt entzieht sich meinem Zugriff stets auf neue mit einem Geschick, das man meinen möchte er wäre mit dunklen Mächten im Bunde. Gerade wenn man denkt er hätte einen Fehler gemacht und man könne ihn haschen entwischt er dem Zugriff in letztem Augenblick", führte Felan aus und blickte düster in den Kelch in seiner Hand.

"Dennoch werdet ihr mir gewiss zustimmen, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir ihn erwischen. Eine Einmischung des Reichs in dieser Angelegenheit halte ich darum für vollkommen überflüssig."

"Mit Einmischung meint Ihr eine etwaige Reichsacht?", hakte Felan nach.

"Von eben jener spreche ich. Ich halte das für eine Beschmutzung der Hartsteener Ritterehre, als ob wir unsere Probleme nicht selbst regeln könnten. Auch gibt es so manchen, der uns Hartsteenern am Zeuge flicken möchte und nur auf eine solche Gelegenheit wartet, seine Finger in unsere Angelegenheiten zu stecken... Aber wir haben in der Vergangenheit bemerkt, was für Auswirkungen es hat, wenn das Reich einen Außenstehenden wie den Blautann mit einer entsprechenden Aufgabe betraut."

"Ha! Da rennt ihr bei mir offene Tore ein und ich denke wir sind einer Meinung, dass dies eine Angelegenheit Hartsteens ist, die die Hartsteener selbst erfolgreich handhaben können. Und zwar erfolgreicher, wenn man uns nicht zuvor mit einer Sondersteuer ausgepresst hätte wie eine Arange. Aber auch jetzt...wie gesagt nur eine Frage der Zeit.“

„Genau. Mir schwebt eine gemeinsame Aktion der Hartsteener Ritterschaft vor, sobald der Winter vorbei ist. Ich werde das auf dem Grafenrat ebenfalls zur Sprache bringen und zähle auf Eure Unterstützung“, Praiodan räusperte sich, „Diesbezüglich gibt es noch mehr zu besprechen, wo wir ohnehin schon dabei sind."

Felan blickte den Hutter Junker an und bedeutete ihm mit einem Nicken fortzufahren und seine Gedanken darzulegen.

"Ich hatte vernommen, Ihr hättet nichts gegen Puleth als Ort der garetischen Heerschau einzuwenden, jedoch...es gibt gewisse Punkte, die gegen eine solche Wahl zu Buche schlügen."

"Ihr meint außer dem Ruhm, den der Schwingenfelser einheimsen könnte...", lächelte Felan Verständnis andeutend.

Der Steinfelder schnaubte: "Ja, unter anderem. Doch vergesst nicht, dass der Name Puleth mit einer schmählichen Niederlage verknüpft ist. Das könnte ein unwillkommenes Omen sein, wenn es gegen den Feind geht..."

"Natürlich hoffe ich, dass auch Aldenried davon profitiert, fiele die Entscheidung für Puleth. Aber Euer Argument wiegt tatsächlich schwer und die Moral im Heer ist einer der wichtigsten Faktoren überhaupt. Könnte es gleichwohl nicht auch ein Ansporn sein, diese Scharte auszuwetzen? Endlich zu vollenden, was so lange schon der Vollendung bedarf: die Vertilgung der Dämonenknechte vom Antlitz Deres?“, Felan hatte sich in Fahrt geredet, „Aber wenn schon nicht Puleth, welcher Ort käme sonst infrage? Ich selbst könnte Wandleth etwas abgewinnen. Auch wenn es nicht in Hartsteen gelegen ist, so hat es doch andere Vorteile, so wie es als unser Vorschlag beweisen würde, wie offen Hartsteener gegenüber anderslautenden Gerüchten sind und nicht nur auf eigenen Ruhm bedacht. Zumal es an der Reichsstraße gelegen und ebenso eine Königsstadt wäre...", wagte Felan vorzuschlagen. "So ist es auch von allen Seiten gut zu erreichen und bietet ein prächtiges Aufmarschgebiet in den Königslanden."

"Wandleth liegt nicht an einer Reichsstraße“, warf Praiodan belehrend ein, „sonst müssten die Kaufleute dort keine Zölle zahlen, die in das ohnehin schon prall gefüllte Säckel des kurzen Pfeifers wandern. Ich halte Euren Vorschlag für gutgemeint, Schallenberg. Doch nur zu leicht würde ein solcher Schritt als Hartsteener Schwäche und Abhängigkeit von den Schlunder Pfeffersäcken gedeutet und das schmeckt mir überhaupt nicht. Da wäre mir Horeth bei weitem lieber: Es ist Königsstadt und in Hartsteen gelegen."

"Seid ihr euch sicher? Bei aller Freundschaft zum Ogerfresser ist doch die Pfalzgrafschaft nicht eben im besten Zustand und ob man aus dem Umland es vermag die Heerschau zu verköstigen scheint genauso zweifelhaft wie der Eindruck, den die Ruine von Synnenhardt und der gesamte Landstrich machen wird. Die Randlage im Königreich so wie die Verwüstung, den die Gegend erlebt hat, macht sie zudem nicht eben zu einer idealen Lokalität. Oder nicht mehr als Puleth zumindest", meinte Felan bedächtig, während er seinen Gast beobachtete. Dieser schien nicht unbedingt auf seinem Vorschlag bestehen zu wollen.

"Wir sollten das auf dem Grafenrat noch einmal mit allen erörtern. Vielleicht können wir dort neue Erkenntnisse gewinnen", schlug Praiodan vor und Felan nickte zustimmend. "Zumal wir da noch ein Thema haben, das wir nicht unbesprochen lassen sollten..."

Felan musterte seinen Gast fragend, als er dieses neue Thema einleitete, während er sich und seinem Gast persönlich nachschenkte.

"Und das wäre?", fragte er nach, als sein Gast sich einen Moment mit der Fortführung Zeit ließ.

Statt die Frage direkt zu beantworten begann dieser mit einer Gegenfrage, die Felan erahnen ließ, worum es gleich gehen würde: "Ihr wart ein Freund Bodeberts von Windischgrütz, nicht wahr?"

"Ich bin mit ihm zusammen durch den Schlamm vor Appelhof gekrochen. Ich werde nie vergessen, was wir zusammen durchgemacht haben und ich habe ihn stets als Ritter und ehrenvollen Kameraden geehrt... und ja, ich möchte behaupten ich war ihm ein Freund und auch seiner Familie", beantworte Felan die Frage fast mit einer gewissen, provokanten Trotzigkeit, als erwarte er Widerspruch, „Umso mehr hat es mich getroffen, als ich von der Schlacht an der Grunder Mühle und den Folgen vernahm. Was der Schwingenfelser Gerbald von Windischgrütz angetan hat ist eine Schande und wenn ihr mich fragt ein Bruch ritterlicher Tugenden. So darf man einen verdienten Ritter nicht behandeln, der stets ein Vorbild an Aufrichtigkeit und ritterlicher Stärke war. Selbst in seiner Niederlage legte er mehr Anstand und Würde an den Tag als seine Bezwinger. Ich wiederhole: eine Schande!" Felan war bei der Erinnerung an die damaligen Ereignisse regelrecht in Zorn geraten.

"Ich sehe, da sind wir einer Meinung. Das freut mich zu hören. Ihr wisst so gut wie jeder andere um das Schicksal seiner Familie und nehmt Anteil daran. Nun, ich bin nach wie vor entschlossen, etwas zu ihren Gunsten zu unternehmen. Sei es zumindest einen Teil ihrer Güter für sie zurück zu erlangen, sei es, sie aus der ‚Fürsorge’ der Schwingenfelser zu befreien. Eure Unterstützung dabei könnte ich gut gebrauchen.“

Felan nickte wie abwesend:"Doch...wisst ihr, was mich daran am meisten erzürnt hat? Wie es überhaupt dazu gekommen ist. Dass unser Graf keinen Finger für die Kinder seines treuesten Vasallen gerührt hat. Das hat mich bis in mein Mark erschüttert. Nein, sagt es nicht", Felan hatte die Hand erhoben als Praiodan etwas sagen wollte, "Ich weiß genau, was ich Luidor verdanke. Was meine Familie ihm verdankt. Doch will ich es Euch sagen, dass ich diesen Dank nicht aus der hohlen Hand heraus erlangt habe, sondern, dass meine Familie dem Haus Hartsteen stets treulich gedient hat. Doch wenn ich sehe, wie der Dank aussieht, wenn er wahrhaft von Nöten ist, dann schaudert es mich."

Mahnend schüttelte der Steinfelder den Kopf: "Vorsicht Schallenberg, wenn Ihr mit solch offener Rede vorprescht. Der Graf duldet keinen Widerspruch gegen seine Entscheidungen, auch nicht – verzeiht – von seinem ehemaligen Knappen. Offenes Aufbegehren ist darum nicht hilfreich für den Erfolg der Sache. Und die kann im Moment nur sein, Bodeberts Familie vor der Auslöschung und dem Abgleiten in Abhängigkeit und Elend zu bewahren. Darüber hinaus: Was bliebe Euch, wenn Ihr auf Daimon komm raus mit dem Grafen rechtet und Eures Baronsamtes wieder verlustig ginget? Wo wolltet Ihr dann selbst hin mit Eurer Familie?– In Sturmwacht sitzt die Natter. Glaubt mir, wir können nur dann etwas für die Windischgrütz tun, wenn es in Übereinstimmung mit Luidors Willen und nicht gegen ihn geschieht.“

Missmutig musste Felan zustimmen. "Ihr habt natürlich Recht. Aber dennoch hoffe ich, dass dereinst in Hartsteen wieder Ritterlichkeit und Ehre über Politik steht. Zumindest kann ich euch versichern, dass es unter den Rittern viele gibt, die da mit mir einer Meinung sind, dass man da offen sein muss für das, was richtig und möglich ist unter dem Segen der Zwölfe, wenn die Zukunft einen entsprechenden Schritt verlangt."

Praiodan hob nur eine Augenbraue ob der ominösen Andeutung. Aber da der Schallenberger nicht zu weiteren Ausführungen bereit schien, ließ er es auf sich beruhen. "Um auf das eigentliche Thema zurückzukehren..."

"Ah, natürlich. Verzeiht meine Ausschweifung. Nun, um es klar zu sagen stehe ich voll auf eurer Seite solltet ihr der Familie Windischgrütz Unterstützung zukommen lassen, gleich welcher Art auch immer. Einzig eine Fehde werde ich mit den Alriksrittern nicht beginnen. So sehr mein Herz sich den ehrlichen Strauß wünscht, so ist mein Verstand doch der Ansicht, dass wir derzeit Frieden benötigen, um den Feind im Osten zu bezwingen.“

"Mehr als Eure Stimme kann ich kaum verlangen... außer vielleicht, dass Ihr dahin wirkt, weitere Ratsritter auf unsere Seite zu bringen. Denn einem mit Überzeugung vorgetragenen Beschluss des Grafenrates wird sich mein Schwager nicht entziehen.“

„Ich verstehe", stimmte Felan mit ein und lächelte dabei.

Und so prosteten sich Schallenberger und Steinfelder im gemeinsamen Einvernehmen zu.