Geschichten:Gut Weyring in der Raulsmark, 17. Peraine 34 Hal Teil 6

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Teil 6:

Noch einmal überflog der Burggraf den an ihn gerichteten Brief. Die wohlgesetzten Worte verhallten in seinen Gedanken, wurden übertönt von einem einzigen Satz: 'Orlan zieht in den Krieg, und er rechnet nicht damit, zurückzukehren ... Orlan zieht in den Krieg ...'

Ein Räuspern Sigmans riss ihn aus seiner Geistesabwesenheit. Sein ältester Sohn hatte inzwischen mit halblauter Stimme den zweiten Brief vorgelesen. Secretarius Wiesenbach schüttelte nur den Kopf und murmelte: "Er weiß nicht einmal, dass seine Hochgeboren Roban inzwischen mit der Baronin von Weidenau vermählt ist und mit ihr in Albernia weilt ..."

"Vater", ergriff Sigman nun das Wort, "Orlan bittet uns - Roban und mich - in diesem Brief, Dich nicht allein zu lassen und vor allem Lassan zu behüten." Mehr als ein wehmütiges Nicken war dem Burggrafen nicht als Antwort zu entlocken. Dann fuhr sein Erbe fort: "Aber das kann ich nicht. Ich muss ebenfalls in die Schlacht."

Meister Wiesenbach schnappte hörbar nach Luft. Oldebor wandte den Kopf und sah seinen Sohn nun direkt an. Ihm war anzumerken, dass ihm unzählige Argumente durch den Sinn schossen, Sigman von diesen Plänen abzubringen. Doch er schwieg und ließ seinen Sohn weiterreden.

"Ich weiß, was Du sagen willst", meinte dieser und bewies damit, wie gut er seinen Vater kannte.

"Ich habe keine Kampferfahrung, der Unterricht in Wehrheim ist mit dem Ernst einer Schlacht nicht zu vergleichen, und Du brauchst mich hier, weil ich Dir dereinst nachfolgen soll und noch viel zu lernen habe, vielleicht gerade in Zeiten wie diesen. Aber sag mir eines: Wie sollen meine künftigen Untertanen mich respektieren, mich anerkennen, wenn ich in den Zeiten der größten Bedrohung am warmen Herdfeuer auf Gut Weyring gehockt habe? Als Du so alt warst wie ich jetzt, bist Du in die Ogerschlacht gezogen. Und damals warst Du der junge Burggraf, warst vermählt und hattest vier Kinder! Ja, Du bist mit einem lahmen Bein zurückgekehrt - aber jeder Raulsmärker hat gewusst, dass ihr Burggraf sie auch mit dem Schwert in der Hand zu verteidigen suchte. Wir wissen beide, dass Du von diesem Ruf noch heute zehrst. Ich hingegen muss mir diesen Ruf noch erst erwerben - sonst verdiene ich es nicht, einmal Burggraf der Raulsmark zu sein! Ich muss in die Schlacht, Vater ..."

Meister Wiesenbach schaute betreten zu Boden, mit zusammengepressten Lippen schüttelte er still den Kopf. Oldebor hatte bei den letzten Worten seines Sohnes die Augen geschlossen und öffnete sie einige Herzschläge lang nicht wieder. Zu viele widerstreitende Gefühle suchten sich zugleich zu offenbaren. Schließlich blickte der Burggraf seinem Sohn wieder ins Gesicht und erwiderte - in einem resignierten Tonfall, der zugleich deutlich den Abschluss des Gespräches markieren sollte:

"Ich sage es Deiner Mutter."

In seinen Augen stand bei aller Sorge auch Verständnis zu lesen. Die Stimme war die eines Mannes, der sich in sein Schicksal fügt.

Es klopfte. Gleich darauf wurde die Tür - vorsichtig - geöffnet. Lassan war die körperliche Anstrengung an erhitztem Gesicht und verschwitztem Hemde deutlich anzusehen und ebenso, dass es ihm wohler gewesen wäre, hätte er die Zeit gehabt, sich noch einmal zu waschen und umzukleiden. Den ernsten Mienen der Männer im Zimmer gesellte sich die unentschlossene, doch betrübte Lassans hinzu. Der Jüngste unter den Sprösslingen Oldebors blickte prüfend in die Runde.

Als es erneut an der Tür klopfte, zuckte der Burggraf kurz zusammen. Noch eine schlechte Nachricht in so kurzer Folge wollte er nicht hören. Beim Anblick seines jüngsten Sohnes entspannten sich seine Züge leicht - doch die Begrüßungsworte blieben ihm im Halse stecken, als er Lassans Miene sah. Offensichtlich wusste auch sein Jüngster schon, was geschehen war.

"Aber du bleibst hier", sagte Oldebor statt eines Grußes und drohte wie scherzhaft mit dem Zeigefinger. Der heitere Tonfall klang ein wenig gezwungen.

Wieder sah Lassan, verblüfft durch die unerwarteten Worte seines Vaters von einem zum andern. "Sigman?" fragte er leise. "Du willst ziehen?"

Nickend drückte ihm sein Bruder den Brief in den Hand. "Nicht nur ich," erklärte er bedrückt.

Lassan nahm das Schreiben entgegen. Mechanisch fuhr er die Zeilen mit den Augen ab, doch ihr Sinn wollte sich ihm nicht erschließen. Erst als er sich mit aller Gewalt konzentrierte, konnte er den Brief erfassen. Bei der Lektüre zwang sich mehrfach ein trockenes Schlucken durch seinen Hals. Als er das Blatt sinken ließ, brauchte er alle Willenskraft, um die Tränen zurückzuzwingen. Doch seine Stimme klang erstaunlich sicher, als er sagte: "Ich weiß nicht, ob ich bleiben kann, Vater. Und trotzdem will ich das tun, was für mich das Sicherste sein mag: Ich gehe nach Elenvina." Er überschlug im Kopf. "Es ist nicht mehr viel Zeit - und die Straßen werden verstopft sein, wenn auch in die Gegenrichtung. Sie sind ohnehin nicht überall im Besten Zustand, nach dem, was man so im 'Boten' las. Ich werde nur einen Diener mitnehmen und leichtes Gepäck, wenn du erlaubst."

"Elenvina", erwiderte der Burggraf gedehnt, "eine gute Idee". Er wechselte an Lassan vorbei kurze Blicke mit seinem ältesten Sohn und seinem Secretarius. Beide nickten fast unmerklich - die Veränderungen, die in der letzten Zeit mit dem Nesthäkchen Lassan vorgegangen waren, hatten sie ebenso bemerkt wie der Vater. "Ein Mitglied der Familie sollte dort auf jeden Fall vertreten sein. Das wäre eine gute Aufgabe für dich." Etwas Erleichterung war in der Stimme unverkennbar, noch deutlicher war jedoch, dass Oldebor den Vorschlag seines Jüngsten tatsächlich für richtig hielt.

"Und was werdet Ihr tun, Vater?" fragte Sigman und sprach damit aus, was auch den jüngsten Sohn und den Secretarius zweifelsohne umtrieb.

Oldebor überlegte einen Moment, bevor er in nachdenklichem Tonfall erwiderte: "Ich denke, deine Mutter und ich werden uns auf Gut Weyring einquartieren. Um Neu-Gareth werden sich schon genügend Leute kümmern, und in der Altstadt wird Bürgermeister Karfenck wohl alles organisieren. Da ziehe ich am besten nach Roßkuppel, nicht dass dort alles drunter und drüber geht. Und außerdem sind wir dann nah bei unseren Enkeln ..."

Der Burggraf klopfte mit beiden Händen auf die Tischplatte und gab damit das Zeichen, dass er das Gespräch als abgeschlossen betrachtete. Er erhob sich - es gab viel vorzubereiten ...



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17. Per 1027 BF zur mittäglichen Rahjastunde
Teil 6
Auf der Reichsstraße


Kapitel 6

Wandel der Zeiten
Autor: Olb/M. Ott/S. Stabenow