Geschichten:Goldene Zeiten - Aus den Schatten

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Dramatis personae


In der Nähe der Burg Rudes Schild und deren Umgebung, in der Kaisermark Gareth, Kaiserlich Ochsenblut

Klang … Klang … Klang!

Schwer hallten die festen Schritte der gerüsteten Tereka Siebenzahn auf dem steinernen Boden des alten, wehrhaften Gemäuers wider. Die aschblonde Hünin war in ihren rot-weiß- schwarzen Wappenrock der Lanze gekleidet und kam gerade aus der Kammer von Illehardt von Rathsamshausen. Er hatte sich zufrieden über ihre letzten Aktionen geäußert, auch wenn er die Plünderungen der Adelsvillen in Weißhorn und die vielen Toten bedauerte. Nicht etwa weil ihn dies ernsthaft bekümmerte, sondern weil ihm dies mehr Arbeit bei den Berichten machen würde, die er für den Alten wie auch die neugierigen und immerzu misstrauischen Adligen der betroffenen Regionen anfertigen musste. Freudestrahlend hatte er aber in einem Atemzug die neuen Einnahmen von eben selbigen Adligen erwähnt, die die ganze Mühe schon wert waren. Die „Belehrungen“ verfehlten ihren Zweck nicht, aber er hatte Tereka sofort zurückgepfiffen, als sie ihm übereifrig einige Pläne für weitere „Belehrungen“ unterbreitet hatte. Er wolle erst einmal sehen, wie sich der Kaisermärker Adel nun verhalten würde, ob das Interesse in den nicht betroffenen Gegenden genau so schnell wieder abflachen würde wie nach der ersten "Belehrung". Und ob vielleicht sogar einige Adlige eigene Untersuchungen anstellen würden. Man müsste vorsichtig sein. Sowas könnte schnell mal nach hinten losgehen, hatte er gesagt. Zumal er vage Gerüchte um einen verschollenen Gefolgsmann aus einem Raulsmärker Orden namens Tauristar gehört hatte, der auf die Beschreibung des Mannes passte, den Tereka und ihre Mannen bei Weißhorn gerichtet hatten. Allerdings war es keine allzu genaue Beschreibung gewesen und auch Tereka konnte ihm dazu nichts Weiteres sagen, trug der erwähnte Mann doch keinerlei Ordenskleidung oder ähnliches. Auf jeden Fall hatte ihn das zur Vorsicht gemahnt.

Tereka schlug grimmig gegen eine Wand. Wenn es nach ihr ginge, hätten sie weiter gemacht. Diese fetten Adelssäue würden ihren Arsch eh nicht hochkriegen und zudem fehlte ihnen der Mumm. Außerdem hatte sich ihr Sold so auch noch ein gutes Stück aufgestockt und auch die Männer und Frauen der Truppe waren viel zufriedener und man hatte schon ausschweifende Feste gefeiert.

Laut und heftig hatten sie ihre Erfolge und ihr Einkommen gefeiert. Das wollte sie eigentlich nicht missen. Aber nun machte ihr der Rathsamshausen einen Strich durch die Rechnung. Dachte sie als sie das Ochsenbluter Tor durchschritt, um ihre Schritte den Burghügel in Richtung des nahen Weilers, bzw. dessen Taverne, zu lenken.

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Tereka wankte in großen Bogen aus der Tür zum Hinterhof, wo sich auch das Latrinenhäuschen befand. Ihr Ziel. Mit großer Erleichterung nahm sie das angenehme Gefühl wahr, als sich der Druck von ihrer Blase löste. Dabei störte sie auch nicht, dass sich ein Rinnsal an ihrem Oberschenkel bildete und ihr Bein hinab auf Hose und Stiefel floss.

Als sie dann wieder in den stinkenden, matschigen Innenhof trat und sich wieder in Richtung Taverne in Bewegung setzte, flüsterte plötzlich eine kratzige Stimme aus der Dunkelheit des hoch umzäunten Hofes: „Siebenzahn.“ Blitzschnell fuhr sie herum und griff nach ihrem Schwert, doch zu ihrem Groll rief ihr die Leere, in die sie griff, schnell wieder in Erinnerung, dass sie dieses mitsamt Gehänge an ihrem Tisch zurück gelassen hatte. Sie hatte es abgenommen, als ihr der Gurt zu später Stunde unbequem erschien.

„Wer is da? Und bist du im Wahn, dass du dich an eine Lanzerin heranschleichst?“, brachte sie undeutlich lallend hervor. Aus dem Schatten des hölzernen Lattenzaunes trat eine Gestalt, ein Mann, vermutete Tereka aufgrund der drahtigen Statur, denn sein Gesicht konnte sie nicht erkennen, verbarg er es doch geschickt weiter im Schatten. Die Lanzerin meinte aber ein finsteres Lächeln über sein Gesicht huschen zu sehen, genau wie seltsam wabernde Schatten. Doch konnten ihr Alkohol und der seltsame Tanz der Dunkelheit und des fahlen Lichts des Mondes auch einen Streich spielen.

„Man nannte mich einst dem Götterfürsten gefällig, aber das war einmal, werte Hauptfrau“, kam es kratzend aus der Kehle des Fremden hinüber. „Jetzt ist mein Name nicht mehr wichtig, denn ich habe derer viele und keiner davon vermag mich zu verbildern.“ Tereka verstand kein Wort dieses aufgeblasenen Palavers, doch ungeachtet dessen fuhr der Schatten fort. „Das wichtige ist jedoch auch, dass ich euren Namen kenne und auch eure Taten, die ehrbaren, aber – und das ist von viel höherer Bedeutung – auch die unehrbaren.“ Der Fremde legte eine wohlgelegte Pause ein und Tereka konnte wieder dieses daimonoide Lächeln erahnen, welches sie aus dem Halbschatten heraus verhöhnen wollte.

„Ich weiß nich, worauf du Ratte anspielst“, lallte sie gespielt aggressiv als Antwort, „also troll dich besser, bevor ich dir den Arsch aufreiße, du …“

Wieder dieses Lächeln, das mit einem Mal wieder verstarb und sich das Kratzen wieder, in einem abfälligen Ton, erhob: „Ich glaube kaum, dass Ihr dazu derzeit in der Lage seid. Obwohl … Ihr durchaus zu so einigem in der Lage seid. Und falls Ihr immer noch nicht zu wissen meint, wovon ich rede, beste Tereka, stolze Hauptfrau der strahlenden Goldenen Lanze … , dann helfen Euch vielleicht diese Namen auf Eurem hesindianischen Weg der Erkenntnis.“, Er holte noch einmal Luft und das Krächzen seines kehligen Atemlautes verzog sich dabei zu einem tiefen dumpfen Gurgeln und eine tiefe, dröhnende Stimme entrannt dem Schatten: „CELTZENTHING. NABENWEILER. WEISSHORN.“

Tereka erschrak innerlich, woher wusste dieses Schwein davon? Sollte sie es leugnen oder ihm gleich hier den Schädel mit bloßer Hand zertrümmern? Doch da spürte sie schon kalten Stahl an ihrer Kehle und der Schatten vor ihr fuhr unbeirrt, wieder krächzend, fort: „Nur eine Vorsichtsmaßnahme, meine stolze Hauptfrau, denn den Blick in euren Augen kenne ich nur allzu gut, diesen Ausdruck kann auch der beste Fusel nicht hinfortwaschen. Hass, mein Liebe, ein wohliges Gefühl, nicht wahr? Zumindest wenn man ihn zu stillen vermag. Und ich weiß um die Wut in Euch, andernfalls wäret Ihr auch nicht zu Taten wie Euren letzten fähig gewesen, nur dass ihr ihn vielleicht nicht als solchen benennt. Sei es drum – die Tiefe dieser Sache zu verstehen, ist Euch eh nicht vergönnt. Und so bin ich auch nicht hier, um Euch diese zu erläutern. Vielmehr wollte ich Euch zu Euren Aktionen beglückwünschen …“, wieder eine Pause, und Tereka stand ob des letzten Satzes die Überraschung zu Gesicht und ihre Anspannung löste sich aufgrund ihrer Verwirrtheit; was wollte dieser Kerl? „Nun fragt Ihr Euch sicherlich, warum ich dies alles hier veranstalte. und das fragt Ihr Euch zu recht. Ich will Euch ein Angebot machen, eines von denen, die man nicht abschlagen kann. Ich möchte mich mit meinen Leuten an denselben Tisch setzen, an dem Ihr bereits Platz genommen habt! Ich biete Euch an, die Drecksarbeit für Euch zu erledigen, so dass der Adel weiter um die Hilfe der Lanze betteln wird, natürlich mit etwas mehr Stil, als Eure stümperhafte Arbeit. Dass Ihr es wart, hat Eure Reaktion mir bewiesen; und eigentlich muss man nur drei und vier zusammenzählen, um auf Euch zu kommen, Siebenzahn. Oder – um es mit Kaiser Hal zu sagen –: Wem nützt es?“ Bei diesen Worten meinte Tereka ein dunkles Blitzen in den schattigen Augenhöhlen ihres düsteren Gegenübers zu bemerken und wieder diese Schatten.

„Aber ich schweife mal wieder ab, sagt doch, wenn ich nicht auf den Punkt komme, meine Beste. Also, ich mache für Euch die Drecksarbeit, Ihr lasst mich im Gegenzug gewähren und behelligt mich nicht mit euren Truppen. Dann heimst Ihr weiter fleißig euren Sold ein und betrinkt Euch bis zur Besinnungslosigkeit in dreckigen Kaschemmen wie dieser. UND – und das ist meine Sonderzugabe an Euch – niemand erfährt von Euren Taten in der Kaisermark. Ich weiß, ich weiß, was Ihr jetzt denkt: dass einer zwielichtigen Gestalt wie mir sowieso niemand Gehör schenken würde, aber da kann ich Euch beruhigen, ich kenne viele Mittel und Wege, Gerüchte und Informationen so zu streuen, dass sich garantiert jemand dafür interessieren und dem nachgehen wird. Natürlich würde das Ganze in aller Vorsicht und gewissen zeitlichen Abständen passieren, denn wir wollen ja nicht den Nutzen der Lanze in Frage stellen, nicht wahr, die soll uns ja schließlich zu unseren persönlichen Erfolgen führen, nicht wahr. Und nur damit es keine Missverständnisse gibt, werden meine Leute immer auch solch absurde Masken tragen wie Ihr bei euren Überfällen oder wie immer ihr das nennen mögt um euer kümmerliches Gewissen zu beruhigen. Und natürlich werden wir vornehmlich in Gebieten agieren in denen die Lanze weniger Präsenz zeigt. Aber ich rede schon wieder zu viel, Ihr versteht schon, Ihr seid ja immerhin eine Frau der Tücke. Also, ich erwarte Eure Antwort in drei Tagen, in der Nähe von Ochshatz befindet sich ein alter, verfallener Wegschrein eures Goldenen Herrschers, dort hinterlasst Ihr eine Nachricht mit den Worten ‚Goldene Zeiten brechen an‘, so ihr mein Angebot annehmen wollt“, sprach der Schatten als seine letzten Worte, bevor ein, beinahe sanfter, Schlag an Terekas Schläfe ihr das Bewusstsein nahm.

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Drei Tage später in einem Wegschrein bei Ochshatz konnte man in unleserlicher Schrift auf einem Stück vergilbtem Pergament die Worte lesen: „Goldene Zeiten brechen an.“

Und weiter unten der Satz: „Aber wir haben uns nicht das letzte Mal gesehen.“