Geschichten:Glaube, Macht und Gier

Aus GaretienWiki
Version vom 30. April 2020, 12:04 Uhr von Wallbrord (D | B)
(U) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (U) | Nächstjüngere Version → (U)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

"Du siehst recht angespannt aus, Ugdalf. Bereitet Dir etwas Kummer?"

"Kummer würde ich es nicht nennen, Mutter. Ich habe derzeit lediglich sehr viel um die Ohren. Ich denke nicht, dass Du mir dabei helfen kannst."

"So, denkst Du das", erwiderte Fredegard spöttisch. "Lass Deine alte und begriffsstutzige Mutter es doch erst einmal versuchen!"

Der Oberst des Bombardenregiments zuckte beinahe schicksalsergeben mit den Schultern, wohlwissend, dass die alte Dame solange keine Ruhe gäbe, bis er ihr alles erzählt hatte.
"Es ist eigentlich nichts dramatisches. Einer meiner Hauptleute, der Befehliger des 7. Banners, hat jüngst den Dienst quittiert und ich bin nun auf der Suche nach einem Ersatz. Ich gehe gerade die Liste mit inner- wie außerhalb des Regiments infrage kommenden Nachfolgern durch. Bisher drängt sich mir allerdings niemand so wirklich für den Posten auf. Aber vielleicht weißt Du ja tatsächlich Rat, Mutter."

Fredegard nahm die Liste, ging die dort verzeichneten Namen durch und blieb kurz bei einem davon hängen. Schließlich griff sie zu Feder und Tinte und begann, einen Namen nach dem anderen zu streichen.
"Vorweg: Du solltest jemanden wählen, der für Dich am nützlichsten ist. Wenn er oder sie dazu auch noch einigermaßen fähig ist, um so besser. Daher solltest Du die Bürgerlichen weglassen. Von denen hat keiner sowohl die Macht als auch das Geld, um Dir langfristig von Nutzen zu sein, egal, wie sehr sie sich Dir auch verpflichtet fühlen mögen. Außerdem kommt es bei den adligen Offizieren nicht sonderlich gut an, wenn Angehörige der unteren Schichten in ihre Kreise einzudringen versuchen."

"Aber Kompetenz sollte auch-"

"-nicht überbewertet werden", beendete Fredegard ungerührt den Versuch eines Widerspruchs seitens ihres Sohnes. "Gewiss, einen völligen Versager solltest Du natürlich nicht auswählen, das fiele dann ja auch auf Dich zurück, aber ansonsten solltest Du hier andere Maßstäbe anlegen als es Dein zu sehr in Formalismen verhafteter Vater tat. Doch weiter im Text: Diese Kandidaten kannst Du ebenfalls streichen. Sie sind zwar von Adel, stammen aber entweder aus völlig bedeutungslosen Familien, sind selbst ohne jeden nennenswerten Einfluss oder aber nur sehr weitläufig mit wichtigen Persönlichkeiten verwandt. Aber der hier ist interessant, der könnte sehr gut passen."

Der Oberst schaute erst auf den Namen, dann sichtlich überrascht zu seiner Mutter.
"Siegerain? Aber der Kerl hat außer einem zugegebenermaßen sehr klingenden Familiennamen doch überhaupt nichts vorzuweisen. Er war doch mal kurze Zeit bei uns, erinnerst Du Dich nicht, Mutter? Er trug die Nase so hoch, dass es reinregnete, war sich für alles zu fein und zu nichts Vernünftigem zu gebrauchen. Vater hat ihn dann rausgeworfen, völlig zu recht, wie ich finde. Und nun hat er die Frechheit, sich quasi selbst zum Hauptmann vorzuschlagen."

"Stimmt alles. Aber darum geht es hier gar nicht. Zunächst zu Deiner Dir so überaus wichtigen Kompetenz: Der Mann ist Ritter und damit mit dem Waffenhandwerk zumindest hinreichend vertraut. Seit gut zwei Jahren ist er Kastellan auf Burg Barbenwehr. Da er noch nicht vom Hof gejagt wurde, ist davon auszugehen, dass er diesem Posten einigermaßen gewachsen ist, also was von Verwaltung versteht. Damit erfüllt er schon mal die formalen Kriterien. Weit wichtiger sind aber folgende Umstände: Als Kastellan der wichtigsten Feste der Sieben Waisen ist er über alles im Bilde, was dort und in den übrigen Burgen geschieht. Zudem sitzt er quasi Tür an Tür mit dieser unsäglichen Zwickenfell und dürfte somit auch einen guten Überblick über die Vorgänge in deren Regiment haben. Kurzum, mit ihm hättest Du Augen und Ohren auch im Süden der Provinz und wärst bei Informationen aus der Region nicht auf das angewiesen, was Andere Dir geruhen, mitzuteilen. Wissen ist schließlich Macht, mein Sohn. Außerdem dürfte sich dieser Siegerain Dir gegenüber für die Ernennung auch ausreichend dankbar zeigen, zumal er wissen dürfte, dass man nicht die Hand beißt, die einen füttert. Erst recht nicht, wenn kein anderer Futtertrog in der Nähe ist. Und für unsere längerfristigen Pläne können wir gar nicht genug Verbündete und Beziehungen haben."

"Hmm, Deine Argumentation ist wie immer brillant, Mutter. Also gut, ich werde diesem Fatzke das Kommando über das 7. Banner anvertrauen, die Bestätigung durch den Heermeister dürfte da nur eine Formsache sein."

"Wunderbar, dann können wir uns nun also endlich dem eigentlichen Anlass unseres Treffens widmen. In den letzten Monaten hast Du in Deinem Streben nach Erleuchtung große Fortschritte gemacht, indem Du Deine Kenntnisse der Lehren unseres Herrn beständig erweitert und vertieft hast. Ich bin sehr zufrieden mit Dir und Deinen Fortschritten, Ugdalf. Um allerdings Deine Initiation abzuschließen bedarf es noch eines letzten Beweises Deiner Treue. Du muss dem Herrn etwas opfern, was für Dich von großem Wert ist. Dann - und nur dann - wirst Du zu den wahren Gläubigen gehören, denen die Segnungen des Götterfürsten", Fredegard musste bei diesem Wort unwillkürlich schmunzeln, "zuteilwerden können. Bist Du dazu bereit?"

"Ja, das bin ich", antwortete Ugdalf mit fester Stimme, die kein Zweifeln und Zaudern mehr enthielt, wie es in den Monaten zuvor zuweilen noch herauszuhören gewesen war. "Gerne gebe ich etwas, das mir lieb und teuer ist, um Teil seiner Kirche zu werden und mein Leben ganz unserem Gott zu weihen."

Seine Mutter nickte zufrieden. "Gut. Ich werde in Bälde alles für die heilige Zeremonie vorbereiten und Dich dann wieder kontaktieren. Danach können wir uns daran machen, unsere Pläne in die Tat umzusetzen, ihm zur Ehr´. Der Segen des Herrn mit Dir."


Trenner Perricum.svg



"Und wie ist es gelaufen? Erzähl!"
Olberthe platzte schier vor Neugier, seit ihr Gemahl nach Perricum geladen worden war.

Siegerain grinste nur, zog eine Urkunde aus einer Dokumentenrolle und legte das Pergament vor seiner Gattin auf den Tisch.

Rasch überflog diese das Schriftstück und begann dann, mit Siegerain um die Wette zu strahlen. "Das ist ja großartig! Ein weiterer Schritt nach oben und, wenn Du es richtig anstellst, nicht der letzte. Vielleicht können wir dann irgendwann diese öde Feste verlassen und in die Reichsstadt ziehen, da lässt es sich doch viel angenehmer und standesgemäßer leben als hier. Ich nehme doch an, Du bekommst nun auch einen zusätzlichen Sold?"

"Natürlich Olberthe. Geld ist zwar nicht alles, aber ohne Geld ist alles andere nichts", entgegnete ihr Gatte immer noch breit lächelnd. Und Beziehungen in die Stadt können für uns nur von Vorteil sein."

"Richtig. Und wenn Du Dich bei Deinem Kommandamanten, oder wie das heißt, die nächste Zeit unentbehrlich machst, umso besser! Wir sollten Deine Ernennung angemessen feiern. Ich mache rasch ein paar Einkäufe und dann lassen wir es uns diesen Abend mal richtig gut gehen; das haben wir uns nach den Entbehrungen der letzten Zeit redlich verdient."

Während Olberthe das Zimmer verließ, schüttelte Siegerain leicht den Kopf. Er dachte gar nicht daran, seine neuen Einkünfte mit ihr über Gebühr zu teilen. Erst galt es, seine Schulden soweit als möglich abzutragen, bevor sie sich noch zu einem ernsten Problem auswuchsen. Dafür nahm der Kastellan auch Unstimmigkeiten mit seiner ebenso schönen wie anstrengenden Gattin in Kauf. In einem hatte sie jedoch recht: Die Ernennung zum Hauptmann eröffnete ganz neue Möglichkeiten, wenn er es verstand, diese geschickt zu nutzen.