Geschichten:Gala-Visar - Die Gemeinschaft der silbernen Schlange

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Junkertum Albenfeld in der Nacht des 29. Rahja 1040

Die alte Gothel riss ihr Patenkind hinter sich her, als sie über den schmalen Pfad, an der bewaldeten Klippe entlang eilte. Unter ihr schnellten die Wasser der Natter im silbernen Gewand dahin, welches ihr das reife Madamal für diese besondere Nacht gewoben hatte. Das Mondlicht war so hell, das sie den gewundenen Weg gut ausmachen konnte, der zwischen schroffen Felsen und gekrümmten Fichtenstämmen verlief. Sie hatte die Wegzeit, mit den Kinderbeinen im Schlepp, zu knapp bemessen und das Sedativum zu früh gegeben. So zerrte sie das nun schon träge taumelnde Kind hinter sich her, durch den westlichen Netterswald. Der betagten Amsel verlangte der Marsch einiges ab, um noch zur rechten Zeit zu kommen. Wollte sie die Gläubigen doch nicht warten lassen.

Endlich konnte sie den nahen Fandol hören, wie er weiter Flussabwärts in die Natter stürzte. Unter einem knorrigen Baum hindurch und an einem mächtigen Felsbrocken vorbei, zog sie ihr Mündel zu einer schmalen, hinter einem Hollerbusch versteckten, Felsspalte, die in den Hang führte. Hinein ins Dunkel eilte die Alte, über den ausgetretenen Steinboden, der nach der ersten Wendung mit Kerzen beleuchtet, sich tiefer in den Hang, am alten Natternfluss wand. Bald vernahm sie den monotonen Singsang ihrer Gemeinschaft aus der Tiefe.

„Gala – Visar – Galar – Visar – Galar – Visar...“

So wie der Gesang lauter wurde, so verbreitete sich auch der Weg und öffnete sich bald zu einer abfallenden Grotte, die im Schein unzähliger Kerzen erleuchtet war. Sie zügelte ihre Eile. Legte ihr Obergewand ab und zog die weiße Kapuze ihres Untergewandes über. Auch die Kleine machte sie kurz zurecht und pellte das Kind aus ihrem dunklen Umhang, damit das festliche Kleidchen zum vorscheinen kam. Ihre Augen waren noch so glasig von dem Mittelchen.. Die junge Alberburg hatte vor wenigen Tagen das vierte Derejahr vollendet und sein magisches Blut war rein und reif genug, um unter diesem Mond gesegnet zu werden. Nach dem ihre Mutter beim Feldzug gegen Mendena gefallen war, hatte Palinei das Vertrauen des Vaters erschlichen und war endlich an dieses besondere Kind herangekommen. Noch schnell ein zierliches, silbernes Diadem ins Haar des elfenhaften Kindes gesteck, das von der Benommenheit heiter grinnste. Alles war bereitet.

Zusammen schritten sie die Felsstufen zwischen den Versammelten herab, die weiter ihre Verse wie in Trance rezitierten. Sie ging mit der jungen Dame, in das flache Wasser des Flusses, das kalt ihre Füße umschlang.

„A`snail nathrach, orth’ bháis’s bethad, do chél dénmha“ stimmte die Alte mit fester Stimme an.

„Atem der Schlange, Macht von Tod und Leben, dein Omen der Schöpfung erfüllt uns.“ antwortete der Chorus aus der Grotte.

Schritt für Schritt gingen sie weiter, bis sie und das Kind im silbernen Kreis der Mada standen, deren Licht unter der Felsnase, der sich zum Fluss öffnenden Grotte, herein viel und sich im Fluss spiegelte. Die Strömung war hier bereits stark und sie musste der Kleinen fest in den Hinterschopf packen, damit die Natter ihr das benommene Kind nicht schon entriss.

Die Gemeinschaft der silbernen Schlange rezitierte die alten Verse in monotoner Wiederkehr und reihte sich ein, um das Kind im Madaschein zu umrunden. Die Prozession gab silberne Kleinode in den Kreis aus Madalicht. Palinei zog ihre silberne Sichel und ein Jeder der vorbei schritt, bekam einen Schnitt. So gaben sie auch vom eigenen Blute ein paar Tropfen in das kühle Nass. Bis das Mondlicht erlosch und die Gemeinschaft unverhofft im dunklen Flusswasser stehen ließ.

Grimmig schaute die alte Priesterin zu dem dunkeln Wolkenfetzen empor, der sich vor das Madamal geschoben hatte. Die Kälte des Flusses lähmte ihre Glieder und ließ sie frösteln.

„Jetzt werden sie dich holen!“ vernahm Palinai plötzlich das Flüstern einer Kinderstimme in der Finsternis, die sie schaudern ließ.

Die Wolke wehte von dannen und Mada erhellte den Fluss wieder mit ihrem Schein. Doch ein finsterer Schatten blieb und erhob sich aus den Fluten. Ein Natternhaupt, groß wie ein Ochsenkopf erhob sich jenseits des Lichtkreises und versetzte die Anwesenden in ekstatischer Freude.

„Gala – Visar – Galar – Visar – Galar – Visar...“, erhob sich wieder der Chor.

Bis sich ein zweiter Kopf zischend aus den Flutten wand. Und dann ein dritter Kopf von der Seite dräute und die dreigestaltige Natter sich lauernd, züngelnd über Palinei erhob.

Die alte Amsel bog den Kopf der Kleinen, als sie ihren Irrtum erkannte, so das ihr weißer Hals im Mondlicht offen lag. Die Ritualsichel schnellte zum Hieb hoch über ihren Kopf empor, als ihr schwante, was hier vor sich ging. Als ihr Arm herab schnellte, um den Kopf zu lösen, schoss einer der Natternmäuler hervor. Zu schnell für die Alte. Ein stechender Schmerz durchschoss ihren Oberarm als sich die spitzen Zähne in ihr Fleisch vergruben und der Natternkopf ihren Arm verdrehte. Ein Zweiter Kopf verbiss sich in ihre eisig kalte Hüfte. So fixiert, senkte sich das mittlere Haupt in genüsslicher Langsamkeit zu ihr herab. Das mächtige Maul öffnete sich und präsentierte ihr die dolchlangen, spitzen Zähne. Der schuppige Kopf streifte ihre Wange und glitt an ihren angststarren Augen vorbei, bevor sich die Fänge ganz langsam in ihre linken Schulter bohrten. Die Kultisten sprangen nun in hektischer Flucht von dannen und suchten das rettende Ufer der Grotte.

Der Natternunhold hob den Leib der schreienden Hexenpristerin in die Höhe und drehte ihn triumphierend im Madalicht. Die kräftigen Hälse wickelten ihren Leib ein. Dann spanten sich die verflochtenen Muskelstränge der drei Hälse und entwanden sich ruckartig. Palinei zerriss mit einem letzten Schrei.

Der warme Blutregen, der auf die kleine Haldria nieder ging, ließ sie in gesegnete Ohnmacht fallen. Während die Natternköpfe mit ihren Beutestücken versanken und die Schlangenanbeter ihr Heil in der Flucht suchten, trieb die kleine Albin, auf dem Rücken liegend, aus dem Kreis des Madalichtes und wurde von der Natternströmung davon getragen.