Geschichten:Frühlingssturm - Kampf zweier ungleicher Frauen

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Mit Interesse hatte Thara von Bodiak die Ansagen des Turnierherolds verfolgt. Sie freute sich auf die Vorrunden, die spannend zu werden versprachen – soweit sie es beurteilen konnte. Ihre eigene Gegnerin sagte ihr nicht viel, doch bei Sturmfelsern musste man immer auf alles gefasst sein. Thara nahm sich vor, mit höchster Konzentration anzureiten, um im ersten Lanzengang den Sieg davonzutragen. Sollte es ihr gelingen, die Baronin aus dem Sattel zu heben, könnte sie möglicherweise eine Runde später auf den Heermeister treffen – brisant!

Der Ehrgeiz packte nun den Turnierneuling vollends. Noch trug sie ihre Rüstung nicht, deren Gewicht sie sich erst kurz vor ihrem eigenen Waffengang von Reo aufbürden lassen würde. Es war die Rüstung, die ihre Mutter dereinst zum Turnier getragen hatte, und sie passte zu Tharas etwas zierlicherer Figur nicht perfekt. Aber Reo hatte sie im Schweiße seines Angesichts glänzend poliert, und das musste reichen für die erste Turnierteilnahme.

Während Thara solcherlei Gedanken nachhing, verzögerte eine Unterbrechung den Beginn der Tjoste: Talvias Ankunft. Thara beobachtete die Fremde mit gemischten Gefühlen, beschloss dann jedoch, dass das Aufhebens, das um die Reumütige gemacht wurde, ermüdend war. Das Thema raste wie ein Lauffeuer durch die Zuschauer. Es schien, als hätte ein jeder eine Meinung dazu und müsse sich das Maul darüber zerreißen. "So kann man sich auch wichtig machen", schnaubte Thara kopfschüttelnd in sich hinein, ein merkwürdiges Gefühl blieb in ihrer Magengegend jedoch zurück. "Der Wein vom Vorabend und die Aufregung, das ist alles", versuchte sie es abzutun. Es wurde Zeit, dass endlich die Vorrunden begannen.

Die ersten Lanzengänge hatte Thara sich angesehen und mit zufriedenem Vergnügen den Sieg des Heermeisters beobachtet. Lediglich der forsche Antritt und Sieg des Bannstrahlers danach stimmte sie ein wenig säuerlich. Diesen Ordenspfaffen, gleich welcher Kirche der Zwölfe sie angehörten, traute sie seit dem Zwischenfall bei Boronia nicht mehr über den Weg. Die gingen über Leichen, und Thara hatte nicht im Sinn, selbst eine davon zu werden. Hoffentlich würde der Praiot in der nächsten Runde auf seinen Meister treffen!

Als schon wieder ein Ordensmann, dieses Mal ein Zornesritter, gegen jenen jungen Edlen in die Schranken ritt, der beim Bankett am Vorabend am gegenüberliegenden Tisch gesessen hatte, stapfte Thara schleunigst zu ihrem Turnierzelt und ließ sich die schwere Gestechrüstung anlegen, die sie als äußerst ungewohnt und -bequem empfand. Ihr war wesentlich leichtere Rüstung vertraut, die genügend Wendigkeit und eine saubere Waffenhaltung zuließ. In diesem Metallkoloss aber, fühlte sie, würde sie ihre Stärken nicht für sich nutzen können. "Sei's drum", murmelte die Kriegerin, bevor sie sich mit Reos Hilfe auf Azris Rücken wuchtete.

Auf dem gemächlichen Weg zur Tjostenbahn – denn noch schlugen sich zwei Ritter wacker im Fußkampf – traf sie das erste Mal auf ihre Gegnerin, die mit geöffnetem Visier ebenfalls zur Bahn ritt. "Ah, Hochgeboren", sprach Thara sie an, "es ist mir eine Ehre." Prüfend musterte sie die Baronin von Gluckenhang, die aufrecht auf ihrem Ross saß und sehr ruhig wirkte. "Nun denn, es gilt wohl – mal sehen, wer in besserer Form ist oder wem das Glück gewogener ist!" Thara ließ Azri auf den Aufruf des Herolds mit einem letzten Nicken in Rondiras Richtung antraben und begab sich zum fernen Ende der Tjostenbahn.

"Auf dass die Himmelsleuin uns hold sein möge!"

Mit einem ungerührten Lächeln sah die Baronin von Gluckehang der jungen Edlen hinterher. Stand es denn nicht völlig außer Frage, wer von ihnen besser in Form war? Ihr jedenfalls wollte es ganz so scheinen, als wäre dieses junge Ding mit dem bildhübschen Mädchengesichte weit besser hinter einem Webstuhl aufgehoben gewesen – oder doch wenigstens im Zelte des Rabenmärker Heermeisters – als im Tjost. Das arme Ding wirkte fast ein wenig verloren in seiner sperrigen Gestechrüstung und war jedenfalls noch viel zu jung, um auf dem Feld der Ehre auch nur einen Bruchteil der Erfahrungen gesammelt haben zu können, auf die sie selbst voll Stolz verweisen konnte.

Rondira ließ einen letzten prüfenden Blick über ihre nagelneue Garether Platte gleiten, beseitigte den kleinen Erdklumpen, der ihr dabei sofort ins Auge sprang, mit einer energischen Geste und setzte ihr Pferd, einen ungewöhnlich leichten, aber dennoch starkknochigen Braunen, der ihr seit der Zeit beim Heer treue Dienste leistete, dann ebenfalls in Bewegung. Sie schloss das Visier ihres Helmes, kaum dass sie die Tjostbahn erreicht hatte, griff nach ihrer Lanze und wartete geduldig auf das Signal des Herolds.

"Merkwürdiges Gefühl, dass einem jetzt alle genau zusehen…", ging es Thara durch den Kopf, die gewöhnlich ihr Handwerk unter anderen Bedingungen zu verrichten gewohnt war. Als sie Azri wendete und ausrichtete, wartete die Baronin schon geduldig auf der gegenüberliegenden Seite der Bahn. Ein letzter Blick über die Tribüne, der obligatorische Gruß gen Gastgeber und Turnierherold, dann waren die Schranken freigegeben. "Ich muss wahnsinnig sein!" Abrupt versetzte Thara Azri in Galopp und konzentrierte sich auf die exakte Plazierung ihrer Lanzenspitze.

"Dieser verflixte Topfhelm lässt mir ja kaum Sicht! Und die Schildhaltung … !" Derlei Gedanken stürmten noch auf die Rabenmärkerin ein, da tat es schon einen gewaltigen Ruck. Kurz vor dem Fall merkte sie noch, wie ihre Lanze gezielt den Harnisch der Sturmfelserin traf, auch recht hart wie ihr schien, doch fast zeitgleich wurde sie von derart ungestümer Kraft aus dem Sattel geworfen, dass sie sich nicht mehr halten konnte und Azri mit leerem Sattel einfach weiterlief. Der Aufprall auf dem harten Boden der Realtität war etwas schmerzhaft, doch durch ihre Vergangenheit gestählt konnte sich Thara recht schnell, wenn auch etwas ungelenk, aufrappeln. Reo half ihr gänzlich wieder auf die Beine.

"Bei allen … !!! Diese Frau ist ja aus Stahl! Das kann doch gar nicht sein!" Thara war etwas angefressen – weil sie nicht stürmischer angeritten war, weil ihr eigener Schild die gegnerische Lanze nicht abgefangen hatte, und ganz besonders, weil sich diese Sturmfelserin einfach nicht hatte vom Ross werfen lassen. "Gemach, es war das erste Turnier", beschwichtigte sie sich selbst, und der Baronin rief sie zu: "Bei der nächsten Gelegenheit wird es mir eine Ehre sein, erneut im gegen Euch in die Schranken zu treten! Mein Respekt ist Euch gewiss!" Dann beeilte sie sich, die schwere Rüstung loszuwerden, um möglichst wenig vom weiteren Turnierverlauf zu versäumen.

Rondira war schon auf dem Weg aus der Tjostbahn gewesen. Sie zügelte ihr Pferd jedoch, als sie die Worte der jungen Rabenmärkerin vernahm und öffnete das Visier ihres Helmes mit einer beiläufigen Geste, um dem Mädchen einen anerkennenden Blick zuzuwerfen. "Das war ein guter Stoß, von Bodiak", – in der Tat, sie spürte ihn jetzt noch in ihrem Schildarm –, "Seid auch Ihr Euch meines Respekts gewiss – und bis zur nächsten Gelegenheit!"


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